Es gibt 266 Beiträge von Matt513
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09.07.2013
Die Idee ist gut - wer käme schon darauf, hinter einem Film über ein Flugzeug voller Tunten und Schwerenöter ausgerechnet einen kritischen Kommentar zur aktuellen Lage Spaniens zu vermuten? Stilistisch ist Almodóvars scharfer Blick auf die iberische Misere wunderbar verpackt; ein Traum von Erster Klasse in hellblau-braunen, signalrot abgesetzten Strukturbezügen schmeichelt dem Auge fast über die volle Distanz. Dem Ohr geschieht selbiges über den spannenden Soundtrack. Die Darsteller des schwulen/bisexuellen Bordpersonals spielen hinreißend; für die wilde, phantastisch choreographierte Tanzeinlage hat der Film verdient, mit Preisen überhäuft zu werden (mit welchen, lassen wir jetzt mal offen :)). Das war zwar wirklich toll, aber hier wird auch eine Schwäche deutlich. Denn wie schon diese Szene wie angestückelt im Erzählfluß wirkt, so muß leider bemerkt werden, daß der Film nicht gerade großes Momentum entwickelt, trotz des schrillen Grundtons streckenweise theaterhaft, inszeniert wirkt, eine Sammlung von Gleichnissen eben.
Und die Pressemappe sollte man schon studiert haben, um die Gleichnisse zur Gänze lesen und deuten zu können. Einige sind klar zu verstehen, andere weniger. Man könnte streiten, ob dies eher eine Schwäche oder eine künstlerische Stärke des Films darstellt. Es läßt sich belustigt schmunzeln über diesen fliegenden Käfig voller Narren, die großen Lacher indes kann man vorm Abflug getrost im Handgepäckfach verstauen.
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26.06.2013
Zunächst möchte ich mich für tatifans Beitrag bedanken, ohne den dieser Film glatt an mir vorbeigerauscht wäre (wie sinnig - ein Film über Soundeffekte rauscht vorbei). War die ganze Woche gespannt drauf und bin nicht enttäuscht worden. Das große Bambi dann ganz allein für mich - hach! Schön :D.
Die Begegnung mit dem Splatterkino der Giallo-Ära ist für den im Naturfilm beheimateten Gilderoy ein Alptraum ohne Wiederkehr. Schon die Rückerstattung der Reisekosten entwickelt sich zur aufreibenden Odyssee. Das Tonstudio wird sein Verließ, ähnlich wie jene in den Horrorfilmchen, die hier zur Nachvertonung landen, in welchen bevorzugt junge Frauen verhackstückt werden. Wer die Briten kennt, weiß wie sehr sie sich vor peinlichen Situationen fürchten und deshalb oft nicht das sagen, was sie wirklich denken. In dieser defensiven Haltung beschert ihm die Liederlichkeit und die beleidigende Borniertheit der übrigen Studioinsassen eine kalte Gefühlsdusche nach der anderen. Der Produzent besitzt die Contenance eines Türstehers. Der Regisseur verbittet sich den Begriff Horrorfilm für sein Werk. Er redet von Kunst und Authenzität, wo er doch nur den Kick von Sex und Gewalt fürs Auge meint. Die meisten Regisseure jener Epoche dürften ähnlich getickt haben; das trifft der Film schon sehr gut. Daß der Produzent die Sprecherinnen nach Körpermaßen castet, dito.
Gilderoy bemüht sich nach Kräften, seinen Job zu machen. Er spürt ultimativen Klangeffekten nach und traktiert frisches Grünzeug mit dem Messer. Dies und was er rundherum im Studio und auf der Leinwand miterleben muß, gibt ihm den Rest. Sein Widerstand gegen dieses Trommelfeuer extremster Eindrücke bröckelt. Sind die Dinge, wie sie sind oder schon übernatürlich, so wie im Horrorfilm? Die Grenze schwindet, die Umgebung, in der er gestrandet ist, greift nach Gilderoy und wird gleichsam von ihm absorbiert.
Das ist nun ein sehr impressionistischer Film, der -abseits der sparsamen Handlung- aus Film-, Farb- und Tonfragmenten komponiert ist, aus denen sich im Kopf ein subjektives Gesamtbild formt. Dieser collagenhafte Stil ist gut gewählt, denn Phantasie ist gefragt; vom Horror auf der Leinwand z.B. kriegen wir keine Sekunde zu sehen, aber volle Lotte aufs Ohr. Den Albdruck des Toningenieurs erlebt der Zuschauer so auf vielfältige Weise – das Rattern der analogen Aufnahmetechnik, das Sirren der Tongeneratoren, das Zerhacken unschuldiger Melonen, das Faulen des geschundenen Gemüses im Mülleimer, die Spinne als universaler Bote des Unheils, die extatische Weitung der Augen der Sprecherin beim Schreckensschrei und das alles in Nahaufnahme. Nicht alles erscheint stringent, auch ein anderer Schluß wäre möglich gewesen, aber bis dahin ist man schon längst auf seine Kosten gekommen.
Denken wir an die analogen Geräuschorgien des Horrorkinos, konnten wir doch nicht anders als zu glauben, daß da wirklich junges knackiges Gemüse ;) zerkleinert wurde. Jetzt aber wissen wir, daß stattdessen junges vitaminreiches Gemüse dran glauben mußte. Ich bin unbedingt froh, diesen Film erlebt zu haben, kann mir aber vorstellen, daß den nicht jeder mögen wird. Um ehrlich zu sein, ob ich ihn 'mag', kann ich nicht sagen; er war einfach spannend, anders und genau das, wofür Programmkino da ist – eine Alternative zum konventionellen Kinoerlebnis.
PS: Und ach ja – reichlich wunderschöne Frauen sind zu sehen, von denen –welch Glück- keine verhackstückt wird :).
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25.06.2013
Ähnlich wie Aaron Eckhart in Thank You for Smoking ist Matt Damon in Promised Land ein Überzeugungstäter ganz im Dienste seines berüchtigten Arbeitgebers. Zwar kennt er die ökologischen Risiken des Geschäfts, übergeht diese jedoch konsequent, weil er meint, daß dem verarmten Landvolk mit seiner aussichtslosen Perspektive schon aus rein existenziellen Gründen gar nichts anderes übrig bleibt, als auf den Deal einzugehen. Er muß sich dabei Vorbehalten unterschiedlichster Art stellen. Der Film hat hier eine starke Szenenfolge; Steve als Verfechter des umstrittenen Angebots vor den Stars and Stripes, das Symbol einer grundsätzlich als 'gut' empfundenen Instanz pervertierend, im öffentlichen Schlagabtausch mit einem Bewohner und Wissenschaftler im Ruhestand.
Der Film deckt etliche relevante Facetten ab und bezieht daraus eine gewisse Authenzität. Im weiteren Verlauf verflacht er plötzlich ohne Not. Steves Kampagne kommt unversehens vor Hindernisse und muß sich bewähren, zudem wird angedeutet, wie erlebtes ihn beschäftigt; aber hier fehlt die sorgfältigere Umsetzung, um dies glaubhaft `rüberzubringen.
Der Twist des Films ist dann –leider- mit seine schwächste Szene. Von der Sache her durchaus gewitzt, aber ach, derart schwach inszeniert, man hört förmlich die Luft entweichen. Die Kernaussage, daß milliardenschweren Konzernen im Zweifel jedes noch so perfide Mittel recht ist, kommt zwar schon rüber. Mit Blick auf das kontroverse Thema hätte man sich hier aber einen viel schärferen Akzent vorstellen können.
Auf der Habenseite hat der Film immerhin ansprechende Leistungen von McDormand, Damon, John Krasinski als Umweltaktivist, Titus Welliver als Ladenbesitzer, ferner Scoot McNeary als aufgebrachter Farmer zu bieten, außerdem das lauschige Idyll Pennsylvanias (`fehlten nur noch ein paar Amish people im Hintergrund) sowie den Soundtrack, der liedweise ein wenig an Simon and Garfunkel erinnert.
Kann man sich durchaus anschauen, wenn man seine übrigen Favoriten im laufenden Programm schon durch hat.
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23.06.2013
Man muß sich fragen, was Sweetwood 10 Jahre lang in Deutschland so getrieben hat, wenn er des Deutschen Sozialverhalten ausgerechnet über das Biertrinken erklären will.
Daß man sich beim Bier näher kommt, nun das dürfte wohl in vielen Ländern so sein, nicht bloß bei uns. Gehe ich z.B. in den USA oder in England in einen Pub, was trinken die Leute da? Genau, erraten: Bier. Was ist also daran so besonders, wenn wir das tun? Und warum hat Sweetwood eigentlich ausgerechnet Deutschland als Beerland auserkoren? Deutsches Bier ist klasse, keine Frage. Aber für mich wäre Tschechien oder Belgien mindestens genauso ‚Beerland‘; dort hat's nämlich ebenso eine herrliche Bierkultur. Weiß er vielleicht gar nicht, was das ist, Tschechien oder Belgien? Genauso wie –Sweetwood im Interview- viele seiner Landsleute mutmaßlich nicht wissen, wo Berlin liegt, immerhin ja die Hauptstadt eines Verbündeten?
Sweetwood staunt über die deutsche Bierkultur. Über die Deutschen, die Bier schon seit fast 500 Jahren nach dem Reinheitsgebot brauen, ohne dies infrage zu stellen. Er stellt fest: Verrückt, daß es in Deutschland so viele Traditionen, Eigenarten und Biere gibt, obwohl es kleiner als Texas ist (als ob Größe und Vielfalt was miteinander zu tun hätten, aber na ja, unsere lieben amerikanischen Freunde halt). Ja, könnte denn das Festhalten am Reinheitsgebot nicht gerade eine der Stärken deutscher Bierkultur sein, eben weil es für die gleichbleibend hohe Qualität eines guten Produktes sorgt? Und NB: Dieses gegen Verwässerung durch Fremdeinflüsse schützt? Anstelle daß man zuläßt, daß jeder sein eigenes Süppchen unter die Leute bringt, so wie in Ländern wie, sagen wir mal, den USA üblich? Bis da Sachen bei rauskommen, die mit dem ursprünglichen Produkt kaum noch was zu tun haben? Oder daß es für eine sog. Bierkultur verheerend ist, wenn in anderen Ländern wie, sagen wir mal, den USA im Laufe der Jahrzehnte kleine lokale Brauereien von drei, vier großen Getränkekonzernen geschluckt bzw. aus dem Markt gedrängt werden; ein Vorgang, gegen den es bei uns das Kartellrecht gibt? Und man sich dann nicht wundern darf, wenn am Schluß der Markt von drei, vier großen Marken beherrscht wird, die alle gleich (fad) schmecken?
Denke ich an deutsche Bierkultur, fallen mir wunderbar relaxte Plätze überall in diesem Lande ein, wo man hervorragendes Bier im Kreise seiner Lieben trinkt. Klischees wie sie dieser Film aufruft, Lederhosen, Dirndl und Gamsbart, Komasaufen im Bierzelt, männerbündische Vereinsmeierei, im Gleichschritt marsch fallen mir da gar nicht ein. Aber nach 10 Jahren in Deutschland denkt Sweetwood immer noch an sowas?
Fazit: Es ehrt Sweetwood, uns bzw. unsere Bierkultur erklären zu wollen. Nur an der Umsetzung hapert‘s. Leider nämlich bleibt er an der Oberfläche hängen. Es wäre schön gewesen, mal etwas anderes als die ewig gleichen Klischees vorgeführt zu bekommen; der Deutsche als liebenswert-bräsiger, bierseliger Vollhonk. Uns Deutsche über das Biertrinken erklären zu wollen, ist ungefähr so, wie US-Amerikaner über den Gebrauch von Schußwaffen. Das deckt nämlich beides nur einen geringen Teil ab und bemüht überdies wüste Vorurteile.
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15.06.2013
Hab's endlich geschafft, Tron Legacy komplett zu gucken. Angesichts mehrerer Fehlversuche muß ich das so schreiben. Zu groß war der Widerwille bisher, bis zum Schluß durchzuhalten. Habe mir nun beide Filme, Tron von 1982 und Tron Legacy hintereinander weg angeschaut.
Tron mit seinen computergenerierten Sequenzen ist ein Meilenstein des animierten Films, buchstäblich ein Blick in eine andere Welt. Er erzählt eine Story mit klaren Strukturen, Gut gegen Böse vom Anfang bis zum Schluß, simpel aber gut.
In Tron Legacy ist 1 Stunde lang nicht klar, was der ganze Quatsch eigentlich soll. Stattdessen unterkühlte Ästhetik, zäher Erzählfluß und ‚Action‘ wie Werbespots für die weitere Verwertungskette. Diese bedeutungsheischenden Choreographien halt, die schon seit Matrix 2 einfach nur nerven. Das virtuelle Motorradrennen in Tron ist dessen Prunkstück, da ist Pep drin; alleine dafür lohnte der Kauf der DVD Jahre später. In Tron Legacy ist es verknotet, langweilig und überladen, so daß man bald aussteigt.
Überhaupt, was soll das sein, wo Flynn da gelandet ist? Etwa der Cyberspace? Ich liebte jenen im Original. Herrlich klare Formen, wunderbar fluchtende Linien. Im Kino damals kam das hammermäßig (@mein Vorvorschreiber: Die vereinfachten Formen und Texturen waren doch grad der Clou :). Das erzeugte ja mithin die Illusion der künstlichen Welt). Es ist mir klar, daß die Evolution der Technik auch vor virtuellen Welten nicht haltmacht. Demnach dürfen sie heute eine andere Ästhetik aufweisen als jene damals. Aber Blitz und Dampf? Düsentriebwerke? Alte Bücher? Abendessen?? Mit Spanferkel, etwa aus 'nem digitalen Stall? Wollte man eigentlich was ganz anderes in Bilder setzen? Ich hatte nie wirklich den Eindruck, den Cyberspace zu betrachten. Diese Illusion versagt der Film auf ganzer Linie. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wirkt er eher wie eine Dystopie. Die Kurzinfo meint dazu: „Im direkten Vergleich wirkt das Original von 1982 nur noch wie eine schlechte Blaupause.“ Na, wenn Sie meinen, aber es läuft wohl eher auf den direkten Vergleich von Äpfeln mit Birnen hinaus.
Dämliche, einschläfernde Dialoge. 1982 waren die meisten von uns vom Umgang mit Computern weit entfernt. Dem trugen die Dialoge in Tron Rechnung, die aus heutiger Sicht teils etwas einfältig wirken. 2010 in Tron Legacy konnte man das nicht mehr gelten lassen; dennoch sind die technischen Belange in den Dialogen teils saudoof umgesetzt. Hält man sein Publikum immer noch für zu dumm? Anscheinend ja.
Und dann Garrett Hedlund! Er hat die Leinwandpräsenz einer Parkbank. Was für ein Ausfall. `Sollte lieber weiter für Parfüm modeln, dann riecht er wenigstens gut. Der einzige, der Spaß macht und sich ein wenig austoben darf, ist Michael Sheen als Zuse (süß die kleine Chaplin-Einlage). Alle anderen Charaktere bleiben mimisch auf dem Niveau der Kulissen, vor denen sie stehen, Jeff Bridges eingeschlossen, egal ob in der jungen oder gealterten Version. Traurig.
Mit Tron Legacy wurde die große Chance vermurkst, eine gute Idee fast 30 Jahre später mit allen dabei gegebenen Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Ich will mich nicht über meine Mitmenschen erheben, schon gar nicht über jüngere, aber mir tun Leute leid, auf die man einen derart mittelmäßigen Film losläßt und ihnen dabei suggeriert, solch eine Schafscheiße sei ‚gutes Kino‘. Denselben Leuten dreht man nach dem Kinobesuch den überzuckerten, ewig gleich schmeckenden Shake an und suggeriert ihnen, das sei nun Erdbeer. Das ist widerlich und manipulativ. Denn wenn sie dann doch mal frische Erdbeeren verzehren, sind sie doch glatt enttäuscht, weil sie nicht verstehen, daß man sie immer nur beschissen hat. Und fürs Kino gilt grad dasselbe.
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13.06.2013
Mal angenommen, man wüßte nicht, wer Regie geführt hat, würde man nach Ansicht des Films drauf kommen? Man wäre zumindest lange Zeit im unklaren gewesen.
Frenzy kommt zunächst wie ein Groschenroman in Bildern daher. Kein Vergleich zur Eleganz früherer Filme. Es sind die frühen 70er, es ist London, es ist der Schmuddel der Pubs, Fernfahrertreffs und Einzimmerappartements, der Lärm und Staub des Covent Garden, als er noch Markthalle war. Es ist ein gefallener, vulgärer Antiheld und seine halbseidenen Buddies. Es sind gemeine Morde an Frauen.
In seinem früheren Werk waren die üblichen stilistischen Elemente dezenter, ambivalenter verpackt. Hier nun trägt der Altmeister mit dicken Strichen auf; es fließt der Schweiß, geht rasch der Atem und blitzt die Brust, was nur wenigen bedeutenden Regisseuren möglich war, ohne dafür in den gesellschaftlichen Abgrund gestürzt zu werden. Neben seinem unangreifbaren Nimbus dürfte der heraufziehende Zeitgeist ein übriges getan haben.
Zu Hitchcocks Repertoire gehörten diese eindringlichen Augenblicke, in denen er es mit einfachen Mitteln verstand, die Atmosphäre zu kippen. Man muß lange warten, dann ist der Moment da. Die lange stille Kamerafahrt rückwärts, die das geschäftige Treiben rund um den nahen Markt jäh unterbricht und den Zuschauer für den noch folgenden Rest des Films sensibilisiert. Ebenso typisch darin für Hitchcock - die Abneigung gegen den Dreh 'on location' (ein geschickter Schnitt kaschiert den Übergang vom Studioset) sowie die Treppe; oft steigen seine Charaktere von der realen, vertrauten Umgebung unten einer lauernden Gefahr oben entgegen.
Spätestens ab da gibt es keine Mißverständnisse mehr, wer die künstlerische Leitung innehat. Der Film nimmt nun vollends Fahrt auf sowie das Herzschlagfinale ins Visier, bei dem es wie so oft das richtige Timing braucht, damit am Schluß jeder das bekommt, was er verdient.
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01.06.2013
Man sollte Hitchcocks garstigen Trailer gesehen haben, in welchem er über die vielen nützlichen Verwendungsmöglichkeiten unserer gefiederten Freunde parliert (verspeisen, in Käfige sperren und anglotzen, zum Spaß drauf schießen, ausstopfen), will man verstehen, warum sie sich so abrupt gegen den Menschen erheben. Kein Wunder, sie hatten einfach die Schnau.. pardon, den Schnabel voll.
Spaß beiseite, mit Die Vögel stieß Hitchcock einmal mehr in Neuland vor. Der Film bereitete den Weg für Generationen von ‚Beast movies‘, in welchen wahre Legionen ‚aggressiver‘ Kreaturen sich gegen die sog. Krone der Schöpfung erhoben. Ob dies den Eigenarten der einzelnen Spezies immer gerecht wurde, bleibt hier dahingestellt. Immerhin, für einzelne Schlüsselszenen in Die Vögel lieferten wahre Begebenheiten die Vorlage. Neuland auch in tricktechnischer Hinsicht, um die komplexen Spezialeffekte (Bild und Ton) zu realisieren. Diese sorgen zusammen mit dem kompletten Verzicht musikalischer Untermalung für die alptraumhafte Atmosphäre. Das alles, ferner herausragende Regie und Schnitt machen ihn zu einem absoluten Meilenstein des phantastischen Films.
Film sowie Du Mauriers Vorlage, die noch an der Kanalküste angesiedelt war, lassen mehrere Sichtweisen zu. Neben der 'offensichtlichen' Lesart des Films (und eine der ersten Filmszenen spielt ja in einer Tierhandlung, wo Vögel wie Ware behandelt werden) erkannte man im Buch u.a. den Widerhall des 2. Weltkriegs, die Vögel als Metapher für anbrandende Fliegerverbände. Im Film finden sich ähnliche Motive wieder. Da ist diese Szene mit der Tankstelle aus der Ferne, während sich die Vögel im Vordergrund wie Sturzkampfbomber formieren – einer der stärksten und beklemmensten Momente des Films. Die berühmte Szene an der Schule – ein Heer 'augenloser' schwarzer Schemen sammelt sich zum Angriff. Selten wurde eine haarsträubende Bedrohung mit so einfachen Mitteln und dabei so effektiv auf die Leinwand gebracht.
P.S.: Liebe Metropol-Betreiber, BITTE zeigt diesen Film nie wieder im Phantom. Die viel kleinere Leinwand konnte man so eben noch ertragen. Aber entsprechender Sound ist für diesen Film unentbehrlich, dessen Wirkung sich schließlich auch über die irren Klangeffekte entfaltet. Diesen bietet die Beschallung im Phantom leider nicht. Schade, daß die Hitchcock-Retro anscheinend komplett aus dem großen Saal verbannt worden ist. Hat das übrige Programm zu Zeiten der Sonntagsmatinee etwa mehr Zuspruch?
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16.05.2013
Unweigerlich schweift bei Stoker der Blick über die Köpfe der Darsteller, um zu schauen, ob da Schnüre sind, an denen sie über die Bühne gezogen werden, ihr absonderliches Spiel zu verrichten. Ob das jetzt Nicole Kidman als grenzdebile Mum ist, die die Trauer über das gräßliche Ableben ihres Gatten erstaunlich gut (und schnell) im Griff und ansonsten nun wirklich gar nichts Sinnvolles zu sagen hat. Oder ihr Schwager Charles. Erstmal ist die Rolle mit Matthew Goode an sich einfach nicht gut besetzt. Dann versieht jener den geheimnisvoll aus der Versenkung auftauchenden Bruder des Toten mit einem derart seifigen Charisma, daß man sich fragt, wie stumpf die anderen Figuren eigentlich sein müssen, um ihn nicht ständig anzuschreien, ob er noch alle Tassen im Schrank hat.
Zwischen diesen beiden Herzchen schwebt Töchterlein India; ein entrückter Nerd, von bösen Jungs stoisch gehänselt, aber nicht auf den Mund gefallen. Sie sieht Spinnen an sich herumkrabbeln (Gothic olé), begegnet im Geiste ihrem geliebten Papa, wird von Melancholie, Horror und Gewalt gestreift, dann von ihrem Onkel in seinen Bann gezogen und erlebt inmitten all dieser dunklen Schatten ihr Erwachsenwerden. Der Umgang mit dem Onkel führt sie in Grenzsituationen. Aus Zurückweisung wird Faszination, gar Fraternisierung, wozu ihr Verhalten gegen Ende des Films dann jedoch wieder nicht paßt. Komisch.
Etwas eigentümlich Unechtes, Plakatives liegt wie Mehltau auf diesem Film, an dessen Kindbett man Kubrick und Hitchcock voller Widerwillen Paten stehen sieht. Ich bin schon wieder bei meinem Lieblingsthema, aber eine bessere Regie hätte Wunder wirken, den Charakteren überzeugenderes Leben einhauchen können. Wenn die drei beim Abendbrot sitzen, dann wirken sie wie ferngesteuert. Das ist derart unwirklich, daß man (die Spinnen, der Horror) in einem ‚Gruselfilm‘ wie diesem ständig denkt, nanu da baut sich doch gerade etwas auf. So ertappt man sich dabei, wie man sich ein Knallbonbon wünscht, in welchem es z.B. an der Haustür klingelt, sodann böse Nazi-Zombies 'reinstürmen und das traute Beisammensein (bzw. die Leben aller Anwesenden) beenden. Einfach so. Aber nix da. Park ist eben nicht Landis, leider.
Ich mein, gaaanz so schlecht ist der Film nun auch nicht; für einen Film der Woche jedoch gründelt er ganz schön im unteren Bereich der erwarteten Skalenbreite. Immerhin, was Positives gabs auch – die Vorschau auf The Place beyond the Pines. `Freu mich drauf. Und auf Mia Wasikowska in ihrem nächsten Film.
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10.05.2013
Also selbst wenn's da unten in den 50ern nur halb so schön/glamourös zugegangen sein sollte, es dauerte mich trotzdem, nicht dabei gewesen zu sein (bittschön, mit der entsprechenden Pinkepinke in der Tasche :)).
Damenundherrn, der etwas andere Hitchcock-Film: Fidel, mediterran, frankophon. Herrliche Dialoge, keineswegs in die Jahre gekommen, heitere Wortgefechte zwischen -in mehrerlei Hinsicht- alter und neuer Welt. Der Film lebt hiervon. Grace Kelly entfaltet ihre ganze Magie. Meine Güte. Sie strahlt wie ein Stern. Jessie Royce Landis als ihre Mich-schockt-nichts-mehr-haben-Sie-Bourbon-Mutter – ein Fest :). Cary Grant als Meisterdieb in karierten Badehosen, der wacker die vielen Fettnäpfchen ausmanövriert, die ihm seine lieben Bekannten fleißig hinstellen - köstlich. War ein großer Spaß.
@observer: Danke für den Beitrag. Die Lichtburg war Teil frühesten Kinoerlebnisses und fehlt mir auch sehr.
P.S.: Liebe Popcornfreunde, Ihr könntet doch so einen tollen Nachmittag vor der Glotze bei den X-Men oder Twilight haben. Da kann man sein Popcorn nach Herzenslust geräuschvoll genießen, ohne daß man extra ins Programmkino fahren und sich so `nen ollen Klassiker anschauen muß. Wär das nich nächstes Mal was?
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30.04.2013
Folgende wichtige Erkenntnisse vermittelt dieser Film: Sei duldsam. Woanders ist auch scheiße. Genieß die Aussicht. Denk an die Lieben daheim. Eine rohe Zwiebel lindert den gröbsten Hunger. 'Ist schon OK, wenn Dein Tourmanager das saftige Steak einem kleinen Hündchen gibt. Sei also duldsam. Ertrag die Erniedrigungen. Bewahr Dir Deine Attitüde. Die richtige Frisur sowie das dazu passende Schuhwerk helfen dabei. Sei bescheiden (duldsam sowieso). Und lern den Rock `n Roll.
Kaurismäki persifliert die Themen Armut und Auswanderung aus seinen früheren Filmen mit einem schrägen Roadmovie über die sibirische Polka-Kapelle, die auszog, Amerika zu erobern. Dieses Amerika mit seinen glitzernden Skylines, so wie's sich die Leningrad Cowboys anfangs vorgestellt haben mögen, ist jedoch nur mehr eine vage Vision am abendlichen Horizont, so nah und doch stets unerreichbar. Bei näherem Betrachten stellt sich heraus, daß es sich gehäutet und längst aus dem Staub gemacht hat. Die rostenden Industrieanlagen, die schrottigen Gebrauchtwagen, die verfallenden Häuser in den halbverlassenen Nestern, durch die die Reise führt - sie wirken wie zurückgelassene Hüllen derer, die es sich leisten konnten woanders hinzuziehen; nun bevölkert von den Außenseitern, Dableibern und Alten. Das ist sie, die (vormals) größte Volkswirtschaft der Welt in Nahaufnahme.
Unsere Helden wandeln auf den musikalischen Trampelpfaden von der Ostküste quer durch den alten Süden bis nach Mexiko, was sich im Repertoire der gespielten Gigs niederschlägt. Dabei werden bedeutsame Orte (wie die legendäre CBGB-Bar in New York) und lokale Musikgrößen mit Cameo-Auftritten geehrt.
Weiterhin kaum überraschend, daß ausgerechnet Jim Jarmusch in einer kleinen Rolle zu sehen ist. Stilistisch gesehen bzw. vom lakonischen Grundton her sind seine Filme Taufpaten dieses Streifens. Das eine oder andere Déjà-vu - der Tod, der Caddi als Leichenwagen, die Verhaftung, der Knast, der Sumpf, von den Lokationen wie oben beschrieben ganz zu schweigen - Down by Law läßt grüßen. LCGA ist gleichsam Hommage und Parodie des Jarmusch-Stils. Dabei gelingen Kaurismäki verblüffende Einsprengsel. Mal meint man den anarchischen Unfug von Stan und Olli zu erkennen; und wenn die stacheligen Cowboys ihren steifgefrorenen Bassisten über ein winterliches Feld karren oder später den Dorftrottel mit Knüppeln verjagen, dann hat das ein bißchen was von den Prozessionen eines Pieter Bruegel d. Ä. oder den gemalten Albträumen eines Hieronymus Bosch.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24