Es gibt 266 Beiträge von Matt513
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26.11.2015
Wie kaum ein anderes filmisches Werk hat Star Wars (oder Krieg der Sterne, wie er in Deutschland hieß) unser kollektives Bewußtsein geprägt und die Art, wie wir Kino erleben, nachhaltig verändert. Durch häufige Wiederaufführungen, Director's Edits und nicht zuletzt auch die zwei Fortsetzungen (vulgo Episoden) verbinden Generationen von Kinogängern persönlichste emotionale Wahrnehmungen mit der erstmaligen Ansicht. Ich besuchte mit meinem Vater weiland eines der größten Kinos Deutschlands. Die Speicherplatte in meinem Kopf war so gut wie leer, Internet gab's noch lange keins. Im Fernsehen hatte es einen Werbespot gegeben, den ich verschlungen hatte, sonst nichts.
Was fällt Ihnen noch von Ihrem ersten Mal ein; der Sternenzerstörer, der über Sie hinwegzusausen scheint, die aufbrandenden Fanfaren, die Rettungskapsel, das wundervolle Licht in der (tunesischen) Wüste, Onkel und Tante skelettiert, die Monstren in Mos Eisley, gar die Dogfights über dem Todesstern? Nach der Vorstellung fand ich emotional kaum in die Realität zurück. Mein Vater fuhr, aber ich sah nur den Film vor mir. KdS hatte einen schier überrollt. Cineastisch sprengte der Film alles bisher Dagewesene. Bis dahin hatte es Science Fiction nur indoor gegeben; blitzsaubere Kommandozentralen, adrette Uniformen, aufgeräumte fremde Planeten. KdS gab uns eine Idee, wie's da draussen (in einer weit weit entfernten Galaxie) wirklich aussah: Dreckig, staubig, voller Schrott und gemeiner Kerle. Und ja, mit zum ersten Mal stapften die Charaktere durch echte Sets. Eine Vision, viel näher an unsere eigene Welt denn an die utopischen Hoffnungen angelehnt, irgendwo da draußen sei alles besser. Sowas ließ sich begreifen. Ohne daß die meisten Menschen es nach dem Kinogang offen formulieren konnten, barg der Film enormes Identifikationspotential, indem er einen Nerv tief im Innern traf: Wie Skywalker sein alltägliches Leben hinter sich zu lassen, seinen Traum zu leben, gar zu neuen Welten aufzubrechen, wer hatte nicht mindestens mal davon geträumt.
Geträumt hatte George Lucas, und zwar seit Beginn der 70er Jahre davon, ein Space Fantasy-Epos im Stile der klassischen Flash Gordon-Filme zu erschaffen. Bei der Niederschrift seines Traktats überließ er von Anfang nichts dem Zufall: Die Lektüre einer Abhandlung, die klassische Mythen auf der Metaebene nach Gemeinsamkeiten abklopfte, gewissermaßen die Blaupause für ein Epos mit hohem kulturellen Wiedererkennungswert lieferte, war Teil seiner Vorbereitung, weiterhin die Ansicht von Kurosawas Die verborgene Festung, welcher als Vorbild für Figuren und Teile der Handlung diente. Zu weiteren Quellen wurden Klassiker wie Langs Metropolis (für C-3PO) sowie Trumbulls Lautlos im Weltraum (für R2-D2).
Wie viele Produktionen, die ihrer Zeit weit voraus waren, so stellte auch die Realisierung von KdS ein übergroßes Wagnis dar. Daß sie nicht grandios auf die Bretter ging, ist mithin schiere Fortune beim Zusammenspiel entscheidender Faktoren gewesen.
Neben Lucas, Zünder des kreativen Funkens und unermüdlicher Antreiber am Set, kommt Alan Ladd Jr., damals Head of Creative Affairs bei 20th Century Fox, eine Schlüsselrolle zu. Nach Absagen anderer Studios war es Lucas' großes Glück, daß Ladd Jr. nach Ansicht von American Graffiti unbedingt an Lucas und seine Weltraumoper glaubte und diese gegen viele Widerstände bei Fox ermöglichte. Ohne Backup eines großen Studios hätte es KdS nie gegeben. Weltraummärchen als abendfüllender Film, in den Köpfen der Studiobosse ging das nur schwerlich. Auch das kreative Chaos bei der neugegründeten Industrial Light & Magic schien die längste Zeit nicht auf ein Gelingen hinzudeuten. Die Special Effects-Techniker bei ILM sahen sich eher als kreative Kommune, ihr künstlerisches Wirken frei von weltlichen Zwängen wie Zeitplan oder Budget. Chaos auch am Set; der erste Regensturm nach 50 Jahren in der tunesischen Wüste am ersten Drehtag ist heute Teil der Produktionslegende. Ständig mußte improvisiert werden; die komplett neu entwickelte Tricktechnik, Requisite, Kostüme usw. häufig am Limit und die Uhr tickte. So wurde KdS das Ergebnis wuseliger Teamarbeit. Viele kreative Köpfe brachten sich erfolgreich ein. Nach Ansicht der mediokren Prequel-Trilogie, bei denen Lucas die komplette Kontrolle innehatte, muß man dies für die sog. Original-Trilogie als großes Glück begreifen. Denn häufig waren Lucas' Vorstellungen alles andere als optimal. So überarbeiteten seine Schauspieler laufend während des Drehs die sperrigen Original-Dialoge (Carrie Fisher sagte damals, das könne man so schreiben, aber nicht sagen). Lucas' erster Schnitt des fertigen Films wirkte langweilig und statisch. Erst Richard Chews Schnittversion ergab den aufregenden Drive, den jeder mit dem Film verbindet, welche verdient mit dem Oscar belohnt wurde.
Im fertigen Film sieht man wenig von den immensen Problemen der Produktion. Er wirkt wunderbar gelungen, versprüht Witz und Charme im Detail und zieht einen unwiderstehlich in seinen Bann. Schlüssel zum Erfolg dürfte auch die formidable Musik gewesen sein, vielleicht John Williams' Meisterstück. Auch Jahrzehnte später macht es einfach Spaß ihn zu schauen, wenn man auch über manches Detail mittlerweile schmunzelt. Die spaßigen Alien-Masken von Mos Eisley erzeugen keinen Schauer mehr (auf der Festplatte im Kopf sind längst drastischere Dinge gespeichert) und für erheiternde Nostalgie-Momente sorgt mancher Blick auf die Kulisse, so auf liebevoll gebastelte Schalttafeln an Bord des Todessterns oder Ringelkabel im Cockpit des X-Wing-Fighters.
Dieser ganze Schnickschnack, den Lucas 1997 in der Special Edition hinzugefügt hat, ist meiner Meinung nach übrigens entbehrlich. Die Ergänzungen wirken wie seismische Störungen im Erzählfluß. Wenn sich eingangs der Mos Eisley-Szene plötzlich zwei wie Dick und Doof eins auf den Dez hauen, irgendwelche Dinosaurierviecher sinnfrei vor der Linse vorbeilatschen und im Hintergrund fliegendes Drohnenzeugs zu sehen ist, dann wirkt das nicht nicht nur lästig, sondern bringt auch den Film keinen Zentimeter voran. Dies und anderes soll Lucas' filmische Vision endlich vervollständigt haben? Auf diese sensationellen Ergänzungen mußte die Welt 20 Jahre warten? Daß R2-D2 sich hinter einem nachträglich eingefügten Fels versteckt? Noch dicker kommt es in der Bar, wenn Greedo dran glauben muß. Eine Szene, die ich schon damals als vollkommen folgerichtig empfand, da Han Solo sich akuter Lebensgefahr ausgesetzt sah. Lucas meinte '97 nun, einen seiner stärksten Charaktere nachträglich moralisch exkulpieren zu müssen, indem er mit einer hanebüchenen Einzelbildmontage Greedo zuerst schießen ließ. Daß die Mos Eisley Bar nicht das Refugium von Chorknaben ist, wußten wir doch seit fast 20 Jahren. Und da durfte Solo, der Schmuggler und Halunke mit dem Herz aus Gold nicht zuerst schießen, wenn eine Waffe auf ihn gerichtet ist? Doch, er durfte. Han shot first!
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Das Imperium schlägt zurück
Die Fortsetzung vom Sternenkrieg stand in fast jeder Hinsicht unter drastisch geänderten Vorzeichen. KdS war der Game Changer schlechthin im Filmbusiness gewesen; das einstige Stiefkind Merchandising war plötzlich potenter Umsatzbringer, der Weltraum, sonst eher im Fokus der Nerds, als Schauplatz von allerlei Epigonen (z.B. auch 007 – Moonraker) auf einmal schwer in Mode. Ein langer Schatten fiel voraus. Es hatte wiederum einen phantastischen Werbespot gegeben und wir paßten vor Erwartungen kaum durch die Tür des Kinosaals.
Wir wurden zunächst nicht enttäuscht. Mit der Schlacht auf dem Eisplaneten Hoth sattelte Lucas' Spezialeffekte-Schmiede ILM mächtig einen drauf. War schon das Duell am Todesstern ein Quantensprung gewesen, so toppten die irren Kameraschwenks wenige Meter über dem ewigen Eis (und später im All) dies noch. Auch das Konzept der Schützenpanzer mit Beinen (bewährte Stop-motion) - auf so einen abgefahrenen Scheiß mußte erst mal einer kommen. Für uns juvenile Kinogänger war dies ein Fest, jedoch entwickelte sich der Film anschließend in eine unerwartete Richtung. Plötzlich verlangsamte sich das Erzähltempo, zudem teilte sich das Ensemble auf. Skywalker eilte auf ein Blind Date mit Yoda davon, Solo und die anderen verschwanden zwischen Asteroiden. Der narrative Ton wurde düsterer. Wir hatten keine Ahnung vom Filmgeschäft und verstanden wahrscheinlich nicht, daß man nicht einfach eine Kopie des ersten Films nachschieben konnte. Lucas hatte sich vom operativen Teil zurückgezogen und die Regie Irvin Kershner, seinem alten Professor von der Filmakademie übertragen, welcher bis dahin allenfalls durch kleinere, charakterbezogene Filme von sich reden gemacht hatte. Dessen ungeachtet fand sich dieser unversehens auf einem gigantischen Set wieder (alles echte Kulissen, waren das noch Zeiten!) und hatte die Herkules-Aufgabe zu meistern, alles noch besser, größer, toller zu machen. Seine Verpflichtung sollte ein weiterer Glücksfall werden, denn er rückte die charakterliche Reifung Skywalkers in den Fokus, soweit wie dies in einem Weltraummärchen eben möglich war. Auch andere Figuren (Solo, Leia) sowie ihre Beziehung zueinander gewannen nun an Profil. Kershner wägte manche Szene sehr sorgfältig ab, ob sie zum jeweiligen Charakter oder auch zum dramaturgischen Gesamtton des Films passte. Manch sehenswertes Material blieb so auf der Strecke. Sein wichtigster Mime aber war kein Mensch. Mit Yoda stand und fiel die Glaubwürdigkeit des ganzen Films, aber das Team um Frank Oz meisterte diese Aufgabe. Die Illusion ist fast perfekt und im fertigen Film macht sich das großartig. Ich mein, jeder weiß, daß es ein Trick ist, aber er funktioniert so prächtig, daß man sich drauf einläßt. Yodas Philosophien über die Macht verliehen dem Film weitere emotionale Tiefe, nahmen ihm gleichsam weiter an Tempo.
Beabsichtigt oder nicht, die Star Wars-Serie wuchs in das Korsett eines klassischen Spiels in 3 Akten. Der erste Film, nun Episode 4 genannt, etablierte vornehmlich die Charaktere. Im zweiten, Episode 5, wurden diese mit einer aussichtslos scheinenden Bedrohung konfrontiert, welche -richtig- in einem weiteren zu meistern war. Damit und auch mit dem offenen Ende vor Augen war klar, daß wir auf eine weitere Fortsetzung hoffen mußten, als wir aus dem Kino geströmt kamen und als Normalsterbliche keinerlei Informationen von jenseits des großen Teichs hatten, ob und wie es weitergehen würde. Ich hätte wie andere auch gerne wieder ein spektakuläres Grand Finale erlebt (dabei hatte Vaders Ausspruch ja noch für einen Paukenschlag gesorgt), stattdessen baumelten wir emotional mit den Beinen in der Luft. Episode 5 ist fast sowas wie ein Cliffhanger. Ein Zwischenfilm eben. Zwar mit der Bürde ins Rennen gegangen, die Fortsetzung eines sehr erfolgreichen Kassenschlagers zu sein, aber in der schwierigen Kategorie der Fortsetzungsfilme gilt er als einer der gelungensten.
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Die Rückkehr der Jedi-Ritter
Im Vergleich damals und heute sehe ich Episode 6 mit gemischten Gefühlen. Damals im Kino berauschten natürlich einmal mehr die analogen Spezialeffekte, insbesondere die Kamerafahrten durch das Dickicht auf Endor, im echten Wald entstanden. Auch mit Jabba dem Hutten, durch 6 Techniker zum Leben erweckt, lieferte die klassische Bühnentechnik ein wahres Meisterstück ab; beides hätte kein Computerprogramm authentischer hinbekommen. Die Schwächen in der Regie fielen dem weiland ungeschulten Auge dagegen nicht auf, insbesondere nicht während der Action-Szenen. Jahre später meint man zu erkennen, wie Akteure im Getümmel dann und wann kurz auf etwas warten, einer auf den anderen, ein Stichwort oder mehr Anleitung durch den Regisseur. Fürs Kino angerichtet ist sowas nicht unbedingt erwünscht. Regie führte Richard Marquand, der u.a. bis dahin eine Beatles-Doku abgeliefert und Follets Die Nadel verfilmt hatte. Bemerkenswert, wie Lucas seine Wahl für ihn erklärte: Er sei imstande, in time & budget zu arbeiten. Außerdem wolle er gerne mit Lucas arbeiten und es sei doch auch für seine Karriere förderlich (die 5 Jahre später mit einem Schlaganfall jäh endete). Übrigens: Fast wäre es gelungen, David Lynch für den Regiesessel zu verpflichten. Letztlich war jener aber bereits dabei gebunden, Dune zu drehen; an der Kinokasse ein Flop, aber visuell sehr spannend. Man stelle sich angesichts der interessanten visuellen Einzellösungen in Dune vor, was DAS für eine Episode 6 geworden wäre. Sehr schade, daß es dazu nicht kam; zudem Lynch bis heute bereut, Dune gemacht zu haben.
Der vorerst letzte Film hatte die undankbare Aufgabe, seine Vorgänger nochmal zu toppen, die Geschichte in ein angemessenes Finale zu führen und außerdem natürlich alle offenen Enden glaubhaft zusammenzuschnüren. Das macht er einigermaßen ordentlich. Gleichwohl war jedem natürlich klar, daß es irgendwie auf ein Happy End zusteuern würde, was nach meinem Dafürhalten zusammen mit der etwas verbesserungsfähigen Regie dafür gesorgt hat, daß er nicht einen derartigen emotionalen Widerhall erzeugte wie etwa Episode 4. Auch wenn man sich weidlich mühte, nochmal ein großes Feuerwerk mit der nunmehr geballten Tricktechnik abzubrennen - dramaturgisch geht dem Film einiges von dem ab, was seine Vorgänger ausmachte. Über die überarbeiteten Szenen der wiederum später vorgestellten Special Edition schweigt man übrigens besser – die Musikeinlage reloaded in Jabbas Palast ist geradezu Travestie. Und wieso sieht Luke am Ende nun plötzlich den jungen Anakin (wo er ihm "in jung" doch nie begegnet war), aber immer noch den alten Obi-wan? Na ja und die Ewoks sind zwar irgendwie putzig, aber haben in der Fangemeinde nicht nur Freunde. Ich halte mich an der Stelle an meine Eindrücke von damals, wo ich sie, sagen wir mal, ganz knuffig fand. Lucas stand natürlich unter enormem Erfolgsdruck, auch finanziell, so sei ihm diese Zote verziehen mit der Erklärung, daß sein Film ein sehr breites Publikum ansprechen mußte. Sein langjähriger Mitstreiter, der Produzent Gary Kurtz hatte die Produktion verlassen, nachdem Lucas erklärt hatte, das Publikum würde eh die Spezialeffekte über die Handlung stellen.
Lucas war fürs erste am Ziel, die Sternen-Saga war erzählt, aber sie hatte ihren Preis gefordert: Als junger Filmemacher wollte er stets den anderen Weg gehen, seine filmische Vision abseits der Zwänge des konservativen Diktats Hollywoods realisieren. Aber durch den globalen überwältigenden Erfolg wurde er selbst Teil des Establishments; ein Film-Mogul, dem keiner mehr zu widersprechen wagt, obwohl dies manchmal sicherlich notgetan hätte (s. Prequels).
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Epilog:
Star Wars ist längst Big Business geworden, Punkt. Was man auch angesichts des ungeheuren Medienrummels ermessen kann, mit dem in ein paar Wochen der 7. Film nun von Disney in die Vertriebskanäle gekippt wird. Nach dem, was ich bisher gesehen habe, sind meine Gefühle allerdings gemischt. Han Solo würde vielleicht sagen: I have a bad feeling about this. Ich habe die Interviews gesehen, J.J. Abrams' Anmerkungen zur Produktion im „klassischen“ Stil (mehr echte Kulissen), aber ich bin mir nicht sicher. Den Trailern nach zu urteilen, wird es ein großes Wortgehalle und Kamerageschwenke, bestimmt ein großes Spektakel, keine Frage, aber ob das 38 Jahre nach dem ersten Film wirklich noch *Star Wars* sein wird... lassen wir uns überraschen ;).
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01.11.2015
Noch ein Film, von dem man vorher, haha, das Buch gelesen hat. 'Ist diesmal aber schon so lange her, daß man sich vollkommen auf den Film als solchen konzentrieren kann. Und sollte.
Denn rein cineastisch ist Kurzels Blick auf den Klassiker zunächst mal pure Urgewalt. Eine brachiale, sehr archaisch wirkende Bebilderung menschlicher Versuchung und daraus folgendem Verhängnis, eingerahmt von den nicht minder gewaltigen Ansichten Schottlands. Eben die Zeit, in der Hexen die Moore bevölkerten. Eine Vision von blutigem Chaos; 'deckt sich gut mit meinen damaligen Eindrücken. In Schlachtenszenen wechselnd Zeitlupe und -raffer; etwas unpassend für meinen Geschmack, da der Film hier optisch in die Nähe von vordergründigen Gemetzeln wie z.B. 300 rückt. Handwerklich ist der Film rundherum eine Wucht und alleine dafür ansehenswert.
Bezüglich des Schauspiels selbst bin ich mir etwas im Zweifel. Losgelöst für sich sind die mimischen Leistungen durch die Bank zunächst mal sehr gut; und auch das wichtige Element, wie Macbeth mit seiner Korrumpierung durch die Prophezeiung ringt, ist ganz ordentlich umgesetzt. Im Original wäre Macbeth dann aber eher als deplatziert angelegt; jemand, dem die neuen Kleider als Folge seiner Tat nicht passen wollen. Dies hätte man im Film stärker betonen können; evtl. liegt es an mancher Ansicht Fassbenders. Das zappelige Strichmännchen, das er in Frank gab, hätte hier gut gepasst, um den erwähnten Schiefstand abzubilden. Stattdessen ist er hier sehr körperlich, ja dominant; das geht auch an die Adresse der Regie. Aber, na ja, das Skript nimmt sich eh manche Freiheit. Vielleicht fällt dies auch darunter.
Haben Sie beim Kinobesuch bitte 'Ihren' Macbeth im Geiste parat, denn die Dialoge befinden sich sehr nahe bei Shakespeares Originaltext, so daß man -Satzbau sei Dank- unbedarft durchaus nicht alles verstehen könnte. Deshalb würde ich ausnahmsweise auch mal keine Empfehlung für das OmU geben.
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14.10.2015
hat man zuerst das Buch gelesen, gefällt einem meist der Film nicht so sehr und umgekehrt. Ich las das Buch eben, bevor dessen Verfilmung publik wurde, pardon. Erschwerend kommt noch hinzu, daß Vermes' Bestseller in seiner Ich-Perspektive so grandios ist, daß die Gefahr des Sich-Verhebens fast unausweichlich erscheint beim Versuch, dies in ein anderes Medium zu transferieren. Regisseur Wnendt wäre besser beraten gewesen, einfach eng am Buch zu bleiben, auch zum Preis größerer Vorhersehbarkeit. Denn wo des Führers Gedankengänge -krude, doch auf ihre irrsinnige Weise logisch- von Beginn an beim Leser für anhaltendes Gelächter bei häufiger Verstopfungsgefahr im Hals sorgten, geht in der ersten Hälfte des Films erst mal nicht viel zusammen. Es braucht bis zum ersten Auftritt vor Publikum, bis auch er in die Spur findet, dann allerdings herrlich entlarvend wird. Die viralen Fliehkräfte sozialer Medien, welche jeden noch so widerwärtigen Rattenfänger beliebig aufzublasen vermögen, sorgen ebenso für Erheiterung (oder Fassungslosigkeit) wie der mediale Tanz ums goldene Kalb namens Einschaltquote. Da erreicht der Film dann die beklemmende Faszination des Buches, wenn spielerisch vorgeführt wird, wie schmal der Grat zwischen johlendem Spaß und brutalem Ernst sein kann. So auch die Konfrontation von H.s Sicht auf die Welt mit der bunten Republik des Jahres 2014 einen erst schmunzeln, der sofort daraus folgende Gedanke: was wenn das alles wahr wäre, einen schier gruseln läßt.
Der Film möchte mit einer Reihe gediegener Schauspieler trumpfen, die allerdings wie an der Leine agieren, wohl um nicht zuviel Aufmerksamkeit von der Hauptfigur zu lenken. Vom unauffälligen Herbst z.B. hatte ich mir viel mehr versprochen und Riemann gibt "die Dame Bellini" auch nicht so, wie man sie sich vorgestellt hat. Masucci hat bestimmt das Zeug, mehr aus solch einer Rolle herauszuschaffen, hätte - ja hätte man ihn gelassen. Als H. die vorläufige Heerschau im Geist abnimmt, da erscheinen sie dann, die Bilder, aus aktuellem Anlaß gerade passend. Aber wenn radikale Kräfte im Bild, dann bitte die ganze Sicht; auch auf jene, oft mit dabei, welche sich zwar Anti nennen, ihrem regelmäßigen Gebaren nach aber jenen näher stehen, als sie es sich eingestehen würden. Der Wind bläst nie bloß aus einer Richtung.
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27.09.2015
Tja, wo fängt man an – zunächst mal gab es den Pappmachékopf wirklich. In den 80ern lieferte der Brite Chris Sievey bzw. sein alter ego, der sonderbare Entertainer-Charakter Frank Sidebottom mindestens optisch die recht präzise Vorlage. Co-Autor Jon Ronson spielte in Sidebottoms Band. Was hätte nähergelegen, als die Kinowelt zum x-ten Mal mit einem, hurra, Biopic zu beglücken? Gedankt sei die Entscheidung, Frank nur in manchen biographischen Grundzügen an das Vorbild anzulehnen. Entstanden auf diese Weise ist eine unerhört authentische, wunderbar unpathetische Geschichte darüber, wie man begnadet im Talent und gleichzeitig ein Outsider sein kann, unempfänglich für die Rituale, nach denen modernes Leben abläuft. Es regt zum Nachdenken an über die Maßstäbe, mit welchen die auf Konformität und Selbstveröffentlichung gepolte Gesellschaft das Individuum beurteilt. Obschon man Frank & Band demnach alle als 'nicht gesellschaftskonform' bezeichnen würde, schaffen sie Großartiges. Jon dagegen mit seiner Affinität zu virtuellen Gehirnfurzabladestellen würde man heutzutage als total normal bezeichnen, aber außer dem kriegt er nichts auf die Reihe. Ist Normalsein also erstrebenswert und was genau meint „wertvoll“, dieser tradierte Begriff, in der heutigen Zeit noch?
Lob für das Ensemble, welches die Musik auch selbst spielte, ganz besonders Gyllenhall; Michael Fassbender buchstäblich nicht wiederzuerkennen (grins). Man hätte ihn, die coole Sau, so nicht erwartet; nicht in diesem sehr schlanken Körper und nicht hinter dieser zappeligen Körpersprache, die sein einziger mimischer Ausdruck bleibt. Dramaturgisch hat der Film hinten heraus nach meinem Geschmack eine leichte Delle, jedoch macht das atemberaubende Finale, Franks Liebeserklärung an seine hermetische Band of Brothers das wieder wett ("Prodigal son/ wants to return/ to where the dogs play pool/ I love you all"). Spätestens da ist klar, wer dazu gehört (und wer nicht).
Es gibt ständig so viele schreckliche Filme, die haha lustig, skurril, irgendwie anders sein wollen. Frank dagegen ist eine echte Entdeckung und wird hoffentlich noch größere Beachtung finden (^steht so ähnlich auch unter Filmkritik, les ich gerade). Ich freue mich außerdem auf Fassbender demnächst als Steve Jobs.
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22.08.2015
Wie kam Pohlad bloß darauf, ausgerechnet diese zwei Abschnitte aus Brian Wilsons Leben zu verfilmen, möchte man fragen? Hier das charismatische Mastermind der Beach Boys, dort ein Wrack, welches tatsächlich rund 2 Jahre auf dem Bett liegend verbracht haben soll.
Sehnsucht und deren Erfüllung binden diese beiden Abschnitte zusammen.
Das gefällige Motiv der 60s-Boyband, aus dem leicht ein plakatives Biopic hätte entstehen können - Pohlad tut gut daran, sich in seinem Film damit nicht weiter aufzuhalten. Ihm geht es um den künstlerischen Antrieb, ja ums Innenleben ihres kreativsten Mitglieds. Besessen von Tonvisionen in seinem Kopf schwebt Brian ein radikaler Wandel weg von den Surfsongs vor. Das Ergebnis wird Pet Sounds sein, eigentlich ein Solowerk Wilsons, welches heute zu den einflußreichsten Alben der Musikgeschichte zählt. U.a. nannten McCartney und Lennon es ihre direkte Inspiration für ihr Sgt. Pepper's Album.
Musikalisch und strukturell eine Revolution, ist Pet Sounds in den Texten von Fluchtmotiven in ein besseres Leben, der Sehnsucht nach Geborgenheit geprägt. Das ist autobiographisch, denn Brians und seiner Brüder Fluch war der tyrannische, abschätzige Vater. Brian war schon als Kind seelischer Krüppel, von fremdinduzierten Zweifeln geplagt, was ihn zu Drogen und von da in die Schizophrenie trieb. Das sind die anderen, die bösen Stimmen in seinem Kopf.
20 Jahre später funktioniert Brian als lebendes Wesen nur über ein ganzes Team von Betreuern in der Dauertherapie. Erst die Begegnung mit seiner späteren Ehefrau Melinda hilft ihm, endlich anzukommen. Da hat man es Brian bereits den ganzen Film lang gewünscht (und zerdrückt eine kleine Träne darüber). Ihm, dem sympathischen Genie, wenn er schließlich in seiner ganzen Kaputtheit zurückblickt und ein Kreis sich schließt (nettes Zitat aus Kubricks 2001). „This is the worst trip(...) I wanna go home", "Maybe if we think and wish and hope and pray it might come true" oder auch "God only knows what I'd be without you" – die Sehnsucht, die der junge Brian in Pet Sounds formulierte, hat sich Jahrzehnte später endlich erfüllt.
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20.08.2015
Ryans Art zu leben hat etwas seltsam Gottgleiches. Über den Dingen dahinschwebend (was Reitman stets mit entrückten Draufsichten von Ryans nächstem Ziel begleitet), zwischen Wolken zu Hause ("ich lebe hier" - Ryan in der Business Class beim Empfang seiner 10-Millionen-Meilen-Karte) entscheidet er über irdische Schicksale, beendet Lebensgeschichten, gleist neue auf. Eine wunderbare Vorstellung? Ihm gefällt's, gleichwohl sein Dasein abseits von allem stattfindet, was man als menschliches Leben bezeichnet.
UitA war weiland Geheimtipp bei den Oscars und hätte wahrlich mehr verdient gehabt als bloß 6 Nominierungen. Darunter für alle drei Hauptdarsteller, was für sie selbst sowie für die Regie spricht. Hire and fire, das Schwungrad des US-amerikanischen Jobwunders, ist gleichzeitig seine grausame Kehrseite. Keine Gewinner ohne Verlierer; wehe den letzteren. In einem Land, in welchem das Wohl der Familie, die Rate fürs Haus, fürs Auto, die teure Ausbildung der Kinder am College, durch langfristige finanzielle Planung abgesichert sein will, kommt der Jobverlust schnell einem gesellschaftlichen Totalschaden gleich. Reitman schafft den Spagat, über dieses höchst unpopuläre Thema einen ehrlichen, sehr gut anschaubaren Film zu machen, frei von Pathos oder Moralinsäure. Hinter den Angestellten, die Ryan und Natalie an die frische Luft befördern, verbergen sich teils echte Schicksale - Reitman besetzte im wirklichen Leben Gefeuerte und gab so ihrem Leid ein Forum.
Das Bild wird jedoch erst durch den Blick auf die andere Seite des Tisches rund. Jene anzug- bzw. kostümtragenden Agenten des der Rationalisierung verschworenen Systems, welche neben der Erfüllung ihres Auftrags eines stets im Blick haben - mindestens einen hinter sich zu wissen, den die Hunde beißen werden. Das Wissen um die kalte Logik dieses Systems, besser Du als ich, macht die Seele hart. Tief im Inneren einsam, betäuben Vielfliegerprogramme und Priority Check-ins menschliches Gefühl. Zufrieden ist man, glücklich nicht. Und vor herben Enttäuschungen gefeit sowieso nicht. Indes droht auch mal einem gottgleichen Ryan der Sündenfall; herabzusteigen vom Olymp der selbstvergessenen Distanziertheit, der Schwester ein Bruder, dem Love Interest ein Longtime Companion, seinen Mitmenschen Mensch zu werden. Pah! Immerhin in Teilen kommt der Film zu einem versöhnlichen Ende.
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04.08.2015
Selten einen abseits seiner Kürze so dicht erzählten Film erlebt. Wie ein Profi spleißt Neuling Maclean überwältigende Bilder zusammen; nichtsdestotrotz ist der Wilde Westen, den er so bebildert (bemerkenswerterweise in Neuseeland), nichts für Träumer. Cavendish, noch ein halbes Kind, von einer fixen Idee aus der fernen Heimat hergeführt, weiß das noch nicht, wohl aber Selleck. Hier stirbst Du wegen 'nem Dollar, wenn's dumm läuft. Fast muß man es als Makel bezeichnen, daß Mitproduzent Fassbender diese Rolle übernimmt, denn seine Sympathiewerte beim Publikum reichen regelmäßig so hoch, daß man ihm den schuftigen Pistolero kaum abnehmen mag.
Hier erlebt man das Selektionsprinzip des Darwinismus im Feldversuch. Sei schnell oder sei tot. Über diese einfache Formel wird mancher Charakter wortkarg, seine Lakonie in der grandiosen Ereignislosigkeit der (neuseeländischen) Wildnis ikonisch. Es ist die Zeit, bevor die Neue Welt durch Staatsräson geordnet war. Jener noch im Wachsen begriffene Staat streckt seine Fühler allenfalls in Form von Steckbriefen aus, den Rest erledigt die menschliche Gier. Noch einmal muß man Macleans Arbeit loben, mit welch leichter Hand er immer wieder die Spannungsschraube anzuziehen vermag. In seiner gekonnten Bilderfolge blinkt immer wieder aus dem Nichts die Möglichkeit von Verhängnis, die einem die Nackenhaare stehen läßt. Slow West ist längst nicht so groß wie Spiel mir das Lied vom Tod, bitte schön, aber ebenso ein Film, der gefällt, selbst wenn man für das Genre an sich nichts übrig hat. Große Charaktere, vom Schicksal aneinander gebunden, fliegen unaufhaltsam dem Finale entgegen. In diesem wie in jenem - solch überzeugende Zutaten sind nicht zu schlagen. Lassen Sie sich von Cowboyhüten und Präriestaub nicht abhalten und gehen Sie rein. Es lohnt sich.
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21.06.2015
Über diesen Film läßt sich ein ähnliches Urteil wie über Zulu von 2013 fällen. Beide Filme verwenden einen Hintergrund, der zur gesellschaftskritischen Ausarbeitung geeignet gewesen wäre. Hier das Elend der Müllsammler Rios, die Korruption der herrschenden Klasse, dort die schwelenden Spannungen in Südafrika. Nach spektakulärem Beginn lassen beide Filme diese Chance jedoch aus.
Die Geschichte, die Trash sehr konventionell erzählt, müßte nicht zwingend in den Favelas bzw. auf den Müllhalden plaziert sein. Mithin hat man den Eindruck, daß Daldry/Duurvort unbeachtet des Filmtitels davon gar nicht erzählen wollten. Gut und Böse, schön schwarzweiß gemalt, werden auf dem Spielfeld wie Schachfiguren bewegt, Zug um Zug. Über ihre Emotionen (abseits des ständigen Fluchens) und Träume erfährt man wenig. Als menschliche Wesen sind sie kaum greifbar.
Empathiefrei bleibt der Betrachter außen vor. Die blitzsauberen bunten Bilder lullen ihn weiter ein. Nicht daß es an entsprechenden Ansichten fehlen würde, aber man hat nicht unbedingt den Eindruck, es sei ein schweres Los. Hier wären cineastische Mittel probat gewesen, das Elend optisch wesentlich drastischer erfahrbar zu machen. Gelungene Beispiele gibt es ja. Schade, daß Trash keine eigenständige Bildersprache besitzt. Geschah dies mit Blick auf den Verleih im Ausland, den dortigen 'angelsächsisch geprägten' Sehgewohnheiten? Beim flamboyanten Wild Tales aus Argentinien z.B. schien vieles besser gemacht worden zu sein; ein in seiner Rasanz international marktgängiger Film, der dennoch als sowas wie zeitgenössisches südamerikanisches Kino durchgeht, weil unter einer als 'authentisch' empfundenen Oberfläche immer wieder Momente von Gesellschaftskritik durchschimmern.
Nicht optimal gelungen ist Olivia, wohl in den Plot eingefügt, weil man dachte, eine weibliche Hauptrolle täte not. Mitten im Film von der Bühne abgetreten, taucht sie später wieder auf wie ein Feldspieler, der seine Zeitstrafe abgesessen hat. Und dazwischen? Ebenso wenig gelungen - die deutsche Synchro, wobei ich den Verantwortlichen, um Übersetzung der juvenilen Gossensprache sichtlich bemüht, die Verwendung des sehr häßlichen und diskriminierenden Schimpfwortes "Spast" nicht nachsehen kann. Mit Blick auf obigen Vergleich darf ich mich beim Fazit wiederholen - für Fans des konventionellen Erzählkinos, die es optisch etwas härter mögen.
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17.05.2015
Gleich der nächste Film, in dem eine Frau sich auf nicht nachvollziehbare Weise von ihrem Partner ausbeuten läßt. Legt man sein eigenes gemaltes Oeuvre zugrunde, muß man ja sagen, daß Burton geradezu für einen Film über große Augen prädestiniert ist. Indes läßt sich sein Wirken bestenfalls erahnen, vielleicht noch am ehesten anhand der ikonischen Ansicht der blitzsauberen 50er-Musterhaussiedlung mit ausladenden Straßen. Da scheint er irgendwie seinen Narren dran zu haben. Danach sehr konventionell inszeniert. Solide, nicht 'typisch'.
Ich weiß auch nicht recht, was ich über Waltz schreiben soll. Er brennt wie immer sein Feuerwerk ab, aber wo man das vor ein paar Jahren noch großartig fand, lenkt dies mittlerweile einen zu großen Teil der Aufmerksamkeit auf sich, setzt dabei aber rein künstlerisch keinen mehr drauf. David Bowie verstand es über Jahrzehnte, die Musikwelt in Atem zu halten, indem er sich immer wieder neu erfand. Phasen intensiven Schaffens folgten solche, in denen er sich rar machte, das Angebot quasi künstlich verknappte, was den Hype um ihn noch steigerte. Waltz ist ein begnadeter Schauspieler, z.Zt. Hansdampf in allen Gassen. Ständig gibt's was neues von ihm. Wäre ihm vielleicht mit dem Rat gedient, mal eine Pause einkehren zu lassen, sich künstlerisch neu zu sammeln? Sonst brennt er womöglich aus, wäre man seiner überdrüssig, so wie es mancher der Bilder mit den großen Augen (angesichts ihrer hemmungslosen Vermarktung) gewesen sein dürfte.
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03.05.2015
Wie geht man mit diesem Film um? Filmisch hat Von Praunheim alles richtig gemacht. Pointiert sind Regie und Schnitt, farbige Interview- und schwarzweiße Spielsequenzen funktionieren in schneller Folge sehr gut zusammen. Koffler, Heyer und auch Karrenbauer als Mutter spielen famos; selbst für Szenen körperlicher Gewalt kann man das formulieren. Das, was der Zuschauer in 90 sehr dicht erzählten Minuten vorgesetzt bekommt, muß ihm unwirklich, ja surreal vorkommen. Die Bühne unterstreicht dies, indem die Spielsequenzen vor projizierten Hintergründen stattfinden.
Andreas Marquardt war Opfer wie übrigens viele Kinder von Eltern, die der zerrissenen Kriegsgeneration entstammten, so wie auch jene selbst Opfer waren; das Erbe dieses furchtbaren Kriegs. Vater und Mutter beschädigten den wehrlosen Sohn, wobei hier die Mutter besondere Schuld trifft. Vom abscheulichen Mißbrauch abgesehen, legt sie den Grundstein für seine lebenslange Unfähigkeit, mit dem anderen Geschlecht eine normale Beziehung zu führen. Von Praunheim kommt hier der Grenze des visuell Machbaren sehr nahe. Dennoch möchte man aufstehen und gehen, so widerwärtig ist das, auch was Marquardt dazu frei heraus und unkommentiert beschreibt. Meine Eltern waren beide Ärsche, sagt er. Oh ja. Und ohne hier irgendwas auch nur im Ansatz rechtfertigen zu wollen, aber nicht wenige kriminelle Karrieren dürften genau so auf Kiel gelegt werden.
Zwei Aussagen jedoch blieben im Halse stecken: Zunächst formuliert Marquardt, daß seine Eltern ihn zu dem gemacht hatten, was er war, nämlich ein Straftäter. Die Entscheidung fürs Verbrechen jedoch trifft -meine Meinung- regelmäßig jeder für sich selbst. Seine Lebensgefährtin Marion, am Badestrand kennengelernt, jahrelang auf den Strich geschickt, oft mißhandelt, führt gar aus, sie habe ja ein Leben gehabt, in dem sie "viel erlebt" habe und daß ihr Andy schon der richtige für sie gewesen sei. Er, der er lt. eigener Schilderung in ihr jahrelang ein Objekt zum Geldverdienen sah, war der richtige für sie? Das macht einen sprachlos; auch wenn Marquardt seine impotenten Orgien beschreibt, in welchen die Frauen umso mehr abgingen, je gröber er mit ihnen umsprang. Daß Frauen zur Prostitution auch gezwungen werden, ist mir bekannt, aber davon ab, warum gibt es junge Mädchen, die sich von brutalen Kerlen aus freien Stücken schlecht behandeln, gar ausbeuten lassen? Ich verstehe es nicht. 'Echt die Härte.
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