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Regisseurin Katharina Huber zurück an der KHM
Frank Brenner

Bittersüße Dystopie

24. Januar 2025

„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25

Mittwoch, 22. Januar: Auch im Wintersemester 2024/25 gab es an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) wieder die erfolgreiche Reihe „Heimspiel“, in der Absolventen des Hauses zurückkehren, um ihre aktuellen Arbeiten im Rahmen eines Werkstattgesprächs vorzustellen. Den Semesterabschluss bildete dabei die Vorführung von Katharina Hubers „Ein schöner Ort“. Deren Debütfilm konnte beim Locarno Film Festival 2023 zwei Preise gewinnen, den Darstellerpreis für Clara Schwinning und den Regie-Nachwuchspreis, der Huber zugesprochen wurde. Für das auf die Filmprojektion folgende Werkstattgespräch mit dem KHM-Dozenten Zil Lilas hatte die Filmemacherin auch ihre Kamerafrau Carmen Rivadeneira mitgebracht, die genau wie Huber an der KHM studiert hatte. Bei „Ein schöner Ort“ teilte sie sich die Funktion des DoP mit Jesse Mazuch, da Huber die meisten Szenen ihres Films parallel von zwei Kameras einfangen ließ. Hubers Erstlingswerk ist in einer nicht näher beschriebenen Zeit angesiedelt, in der die Erde durch verschiedene Katastrophen nahezu unbewohnbar geworden ist und im Radio Meldungen übertragen werden, wie die Menschheit versucht, mit Hilfe einer Rakete ins Weltall aufzubrechen, um dort eine rosigere Zukunft zu suchen. Der Mikrokosmos einer dörflichen Gemeinde kämpft derweil ums Überleben, trotz verseuchten Fleisches, insgesamt karger Lebensmittel und den immer wieder aufbrechenden zwischenmenschlichen Konflikten. Zil Lilas sah in der Ausgangssituation und einigen Motiven Parallelen zum Werk von Fjodor Dostojewski, insbesondere zu „Der Idiot“. Katharina Huber kommentierte allerdings, dass sie den Roman zwar vor Jahren gelesen habe, sie darauf aber höchstens unbewusst Bezug genommen hätte.


Moderator Zil Lilas, Foto: Frank Brenner

Puzzle selbst zusammensetzen

Ungewöhnlich ist vor allem Hubers künstlerischer Ansatz, die Menschen im Bild eher beim Zuhören zu zeigen, anstatt diejenigen mit der Kamera einzufangen, die gerade etwas sagen. Das fand auch Carmen Rivadeneira spannend, für die „Ein schöner Ort“ von einer Gesellschaft erzählt, die „in Dunkelheit, Düsternis und Traurigkeit feststeckt. Es gibt auch viel Gewalttätigkeit in der Geschichte“, sagte sie beim auf Englisch geführten Publikumsgespräch in der Aula der KHM am Filzengraben. Zil Lilas sah im Film Parallelen zu einer Szene, in der eine Suppe auf den Tisch kommt, die jeder selbst nachsalzen muss. „Als Zuschauer muss man sich das Puzzle des Films selbst zusammensetzen, auch, weil nicht alles chronologisch erzählt ist und weil der Ton nicht immer synchron zu den gezeigten Bildern abläuft“, so der Professor für 3D-Animation an der KHM. Katharina Huber, die selbst auch im Animationsbereich angefangen hat, merkte daraufhin an, dass ihr als Filmemacherin die Tonebene sehr wichtig sei. „Beim Schnitt bin ich mir des Tons sehr bewusst. Mit dem Ton kann man auch Dinge miteinander verbinden, die nicht miteinander zusammenhängen“, erläuterte die Regisseurin. Die einzige Vorgabe, die Huber ihren beiden DoPs machte, war das Stilelement, überwiegend mit statischen Einstellungen zu arbeiten. Wenn Schauspieler sich aus dem Frame herausbewegten, war es Rivadeneira und Mazuch selbst überlassen, wie die Kamera ihnen folgt. Kadrierungen waren im Vorfeld nicht minutiös durchgeplant, sondern wurden während der Dreharbeiten einfach ausprobiert, was allerdings im Nachhinein den Schnittprozess Katharina Hubers um Einiges schwieriger gestaltete.


Kamerafrau Carmen Rivadeneira und Regisseurin Katharina Huber, Foto: Frank Brenner

Männerdominierte Welt

Einige Zuschauer merkten beim Publikumsgespräch an, dass auffällig wäre, dass in „Ein schöner Ort“ keinerlei moderne Technologie vorkomme, wie man sie heute eigentlich gewohnt sei – kein Internet, keine Smartphones. Für Huber war diese Entscheidung einfach, denn „moderne Technologie kann ich nicht schön in einem Film darstellen, und ich habe auch noch keinen Film gesehen, dem das gelungen ist.“ Deswegen lesen ihre Figuren Zeitung oder hören Radio, um sich über die aktuelle Lage in der Welt zu informieren. Da im Film Hühner und Eier eine zentrale Rolle einnehmen, wurde die Vermutung laut, dass diese auf symbolische Weise eingesetzt wären. Dies entkräftete Huber allerdings, da sie sich für die Hühner entschieden habe, weil diese sehr visuell und konkret seien. Außerdem wären es auch mysteriöse Tiere, die auf jeden Zuschauer anders wirken würden. Dass insbesondere die männlichen Figuren im Film nicht besonders gut wegkommen, sei kein Zufall. Rivadeneira kommentierte das mit den Worten: „Eine Irritation über die männlichen Figuren ist durchaus beabsichtigt, denn es geht im Film auch um männliche Dominanz.“ Huber ergänzte, dass Musik, Bücher und Politik über viele Jahrzehnte hinweg stark männerdominiert waren, was sie und viele aus ihrer Generation sowohl im Positiven als auch im Negativen stark beeinflusst habe. Dass die von Jannik Mioducki gespielte Rolle Wolf nun aber dermaßen negativ rüberkommt, sei ein Stückweit Hubers Schnitt geschuldet. Im Drehbuch sei die Figur nämlich noch deutlich feiner ausgearbeitet gewesen. Vieles davon sei dann im Schnitt verlorengegangen, in dem Huber ihr Ego überwinden und sich von Einstellungen und Szenen trennen musste, um die Geschichte zu verdichten.


Publikumsgespräch in der Aula der KHM, Foto: Frank Brenner
Frank Brenner

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