Es gibt 266 Beiträge von Matt513
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06.08.2022
Abseits von allem Krach und Bumm Hollywoods hat Regisseur und Drehbuchschreiber Krasinski eine formidable Unterart des Endzeithorrors geschaffen. Nach der minimalen Exposition zu Beginn ist man schnell im Bilde - Lärm machen ist keine gute Idee, wenn eins der Aliens in der Nähe ist - bzw. Ferne. Denn ihre extrem ausgebildeten Hörorgane nötigen die Familie im Film zu aberwitziger Geräuschvermeidung.
Als Zuschauer übernimmt man dies schnell. Der Film entwickelt seine Drohkulisse über die kleinen Hintergrundgeräusche. Ton und Musik sind darauf zugeschnitten. In einem normalen Film, ohne obige Prämisse würde dies gar nicht beachtet. Aber hier leidet man auf der Kante des Sessels sitzend mit jedem noch so kleinen Geräusch mit den Charakteren mit, verflacht den eigenen Atem.
Das fast vollständig auf nur vier Familienmitglieder reduzierte Ensemble verleiht zusätzliche Intensität. Es sind starke Motive von Zusammengehörigkeit, Empathie und Liebe, die AQP sehenswert machen. Eine andere Gruppe von Charakteren, die weniger miteinander verbindet, und der Film würde weit weniger fesseln. Ihrer mißlichen Lage entsprechend müssen die vier teils recht intensiv in Gebärdensprache kommunizieren. Es fügt sich da passend ein, daß mit Millicent Simmonds eine der Darstellerinnen gehörlos ist. Man bekommt hier vermittelt, wie es sich anfühlt, wenn man familiäres Zusammenleben dauerhaft organisieren muß, ohne dabei sämtliche Sinne nutzen zu können.
AQP 2 habe ich auch gesehen. Für mich hätte es hier allerdings keine Fortsetzung der dann ja bereits bekannten Drehbuchidee gebraucht, zumal das Ensemble dort erweitert wird und von den außerirdischen Monstren, nun da man sie zur Genüge in diesem Film hier betrachtet hatte, dann auch nicht mehr soviel Schrecken ausgeht. Immerhin wird die Vorgeschichte bebildert. Ein dritter Teil soll 2023 erscheinen.
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06.08.2022
Meiner Meinung nach wäre der Film auch gut ohne etliche der darin auftretenden Figuren ausgekommen. Etwa komplett ohne die Geschichte um den von DiCaprio gespielten Rick Dalton. Zu den übrigen Handlungssträngen weist diese wenig Adhäsion auf.
Wobei man eh sagen muß, daß über den Lauf des Films viel in Bilder gesetzt wird, was die Handlung nicht wirklich voranbringt und deshalb ein wenig manieristisch wirkt. Der unspezifische Titel spiegelt dies auch perfekt wider.
Margot Robbie spielt Sharon Tate tadellos, zumindest nach dem, was von Tates Angehörigen dazu zu vernehmen war. Aber hier ähnlich; nämlich daß Tate im Film überhaupt vorkommt, wird einzig für das Setting des Endes benötigt, welches im übrigen dann im Tarantino-Universum brachial in Szene gesetzt wird. Für den Rest des Films ist ihre Präsenz verzichtbar. Und dann haftet ihren opulenten Szenen auf dem Boulevard oder im Playboy Mansion inklusive des Kurzauftritts von Steve McQueen, jener allerdings verblüffend von Damian Lewis verkörpert, einmal mehr der Ruch von Manierismus an.
Einzig Pitts Cliff Booth macht Freude. Jener hat vom Schicksal beruflich und privat reichlich aufs Maul bekommen. Und was hat dies mit ihm gemacht? Er ist ganz bei sich selbst, gleitet im Caddy dahin, ist mit seinem Dasein als Ricks Chauffeur tagsüber sowie nach Feierabend im Wohnwagen bei TV-Berieselung, Dosenbier und Tütenpasta zufrieden. Bei der Reparatur der Dachantenne rekapituliert er, wie er seinen letzten Job als Stuntman losgeworden ist; eben durch seine Haudrauf-Attitüde, die ihm ein ums andere Mal schon quergeschlagen ist. Schmunzelt drüber und sagt sich: Ist nur fair. Der hat sein Fett weg und fragt nicht nach Nachschlag. Der ganze Film diesem gefallenen Charakter gewidmet und dazu dann *dieses Ende*, das hätte was gehabt.
Vielleicht hat Tarantino hier einfach mal alles verarbeiten wollen, was ihm seit längerem schon zum Thema einfiel, ohne daß er in alledem einen wirklichen roten Faden etablieren konnte, weswegen ein Episodenfilm womöglich das bessere Format gewesen wäre.
Was seinem kommenden Werk guttun würde, wäre eine mal wieder wirklich starke, treibende Idee für ein Drehbuch, so etwa vom Kaliber Kill Bill.
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15.04.2022
Der Film, der George Lucas seinen Krieg* der Sterne für die Kinos ermöglichte. Alan Ladd Jr., damals in leitender Position bei 20th Century, erkannte nach Ansicht, daß es sich lohnte, auf den frischgebackenen Absolventen der Filmakademie sowie sein etwas ausgefallenes Skript zu setzen, ergo ihm die Ressourcen für eine große Filmproduktion beizustellen.
Gleichwohl ist diesem Frühwerk hier keinerlei Verwandtschaft zu dem späteren Megaerfolg anzumerken. Nicht nur vom gänzlich unterschiedlichen Sujet her. Zunächst mal ist American Graffiti eine kurze Episode jugendlicher Freunde, einige von Ihnen am Übergang zum nächsten, großen Lebensabschnitt. Das College ruft. Einige werden am nächsten Tag ihr bisheriges Dasein hinter sich lassen, manch einer mag sich von den vertrauten Verhältnissen nicht lösen. A propos Krieg* der Sterne nochmal; Dreyfuss' Curt, am ehesten die Hauptfigur des Films, wirkt wie eine Antithese zu Luke Skywalker. Während jener damit hadert, daß sein Onkel ihn nicht zu den Sternen fortlässt, würde Curt, ein notables Stipendium in der Tasche und begleitet von vielen guten Wünschen, am liebsten seine Abreise auf irgendwann verschieben.
Ferner besitzen Kameraführung sowie Schnittfolge etwas Traumwandlerisches. Häufige Totale und lange Schnitte lassen die abendlichen Szenen, wenn die Jugendlichen in ihren Autos durchs Städtchen cruisen und das Radio die Dialoge halb überdeckt, entrückt, fast wie Nouvelle Vague wirken. Einem Auto sticht man an der Ampel die Reifen platt, aber dessen Insassen lachen fröhlich. Eine Beifahrerin bekommt ein Getränk an den Kopf geworfen, trotzdem haben alle zusammen Spaß.
Man bekommt kein Abbild der Realität vorgeführt, sondern das Abbild eines idealisierten Abbildes der Realität. In Eyes Wide Shut läuft Cruise als Dr. Harford vor einer extra im Studio nachgebauten New Yorker Straßenecke, wodurch die Szene ähnlich surreal wirkt und dazu seinen unsteten Gemütszustand darin unterstreicht. Genauso verhält es sich hier mit Lucas' Charakteren. Ungewiß ist, was sich für manchen im nun anbrechenden Lebensabschnitt ergibt. Was wird sein, wenn ich alleine in der fremden Stadt bin? Wie wird es mit der Clique weitergehen? Wird mein Liebster auf dem College mich vergessen? Werde ich die hübsche Blonde im weißen Thunderbird nochmal wiedersehen? Kurzum, hat irgendwer eine Vorstellung, wie es nun weitergeht? Nö. Lucas war drauf und dran gewesen, sein nachfolgendes Weltraummärchen ähnlich gedreht ins Kino zu bringen; lange, distanzierte Totale, unspektakulärer Schnitt. Der epochale Erfolg wäre wohl ausgeblieben (u.a. der später preisgekrönte Schnitt eines Könners rettete ihn). Aber hier in American Graffiti passt es, denn den Zuschauer läßt es am emotionalen Schwebezustand der Charaktere teilnehmen.
Man muß Lucas' Entscheidung bewundern, in jenen depressiven Jahren solch einen federleichten Film über vergangene Tage zu machen. Vietnam, Watergate, die Ölkrise hatten Nordamerika in den frühen 70ern auf die Knie stürzen lassen. Dem folgend war der Blick des Kinos auf Politik und Gesellschaft ernüchternd, zynisch bis deprimierend. Für einen Newcomer, dessen erster Film THX1138 zudem bei den Sponsoren durchgefallen war, ging Lucas also schon ein gewisses Risiko ein. Was nichts gegen jenes war, das er mit seinem nächsten Film auf sich nahm.
Der Rest ist Geschichte. Aber das konnte die Kinowelt bei diesem 'Vorabend von 'was Großem' natürlich nicht ahnen :).
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*Psst, falls jemand aus St.Petersburg anruft, ich habe dieses Wort nie benutzt, OK?
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01.04.2022
Demenz, dieses tragische Lebensurteil, überzeugend und dabei auch begreifbar in bewegte Bilder zu setzen, dazu sind verschiedene Ansätze denkbar bzw. hat es bereits entsprechende Beispiele (hier vorliegend auch für die Bühne) gegeben.
Zeller macht dies besonders eindringlich: Ohne jegliche Vorwarnung nämlich läßt er den Zuschauer gewissermaßen am eigenen Leib erleben, wie sich ein Demenzkranker vorkommen muß. Der Film beginnt und beiläufig nimmt man Einrichtung und Raumaufteilung von Hauptfigur Anthonys Behausung zur Kenntnis, ebenso wie erste Begegnungen mit verschiedenen Personen. Die Begegnungen wiederholen sich und plötzlich schleichen sich Ungereimtheiten ein; dieser junge Mann dort, hieß der nicht eben noch anders, jene dort, stand sie nicht in anderer Beziehung zu Anthony? Und überhaupt, da war doch vorhin eine andere Einbauküche.. oder nicht? Der Blick aus dem Fenster, da war doch vorhin was anderes zu sehen.. oder? Man runzelt die Stirn; langsam steigt Unsicherheit auf, beginnt man an den eigenen Sinneseindrücken zu zweifeln - bis man versteht.
Für seine Darstellung hat Hopkins jeden Zentimeter seines Oscars verdient gehabt. Ich persönlich brauchte am Anfang etwas, bis ich das Bild von Dr. Lecter aus meinem Kopf 'raus hatte ;), zumal er hier auch minimal in Richtung eines, nennen wir's mal, manipulativen, alten Mannes spielt. Aber danach läuft er zu Höchstform auf. Über den Lauf des Films wird er zu einem hilflosen, weinenden Kind. Schon auf dem Set hatte Hopkins' überzeugendes Spiel zu Tränen gerührt. Und ich war ganz ergriffen. Demenz ist grausam; sie zerstört den Mensch besonders perfide. Als Außenstehender kann man nicht in den Kopf des Betroffenen blicken und somit kaum begreifen, was für ein fürchterliches inneres Gefängnis der Verlust der ratio bedeutet. Eigentlich ist der Film für solche, die es witzig finden, wenn alte Menschen tatterig werden, den Kontakt zur Realität verlieren. Vielleicht regt er zu mehr Empathie an.
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01.04.2022
Etliche Einträge in diversen Best-of-Kinomomente-Listen verweisen auf diesen Film, weswegen ich sehr neugierig, dann froh war, ihn endlich zu sehen zu bekommen.
Es ist nicht ganz klar, ob Anchorman eher eine Persiflage oder Hommage der goldenen Zeiten des US-Newsmagazin-Journalismus ist. Es ist schon alles ziemlich dick aufgetragen; von der opulenten Herrengarderobe, der passenden Haartracht dazu bis zu den zahlreichen Anzüglichkeiten, mit denen das andere Geschlecht im Job bedacht wird. Das waren wohl die Zeiten, in denen das Nachrichtengeschäft als Männersache angesehen wurde, Kolleginnen dagegen als Leichtgewichte (und Freiwild außerdem).
Ferrells Markenzeichen ist seine laute, aber glänzend vorgetragene Verbalkomik. Er ist im Herzen ein Clown. Diese spezielle Art, vor der Kamera auszuflippen, dürfte sich kaum passend synchronisieren lassen. Daher sollte man den Film gleich auf englisch schauen.
Schade, daß ihm kein schärfer geschnittenes Drehbuch zugrunde gelegt wurde. Zwar ist die Prämisse vielversprechend, dem Schürzenjäger Burgundy, abseits der Kamera unprofessionell und dem Alkohol zugetan, die neue Kollegin Corningstone, ambitioniert und mit eisernen Ellenbogen, gegenüberzustellen und ihn so in seiner ganzen Mittelmäßigkeit vorzuführen, Aber leider ist diese weibliche Hauptrolle nicht besser und auch nicht als durchgehend integer geschrieben. Für Applegate ist diese Vorgabe sicherlich ein Handicap; sie macht noch einigermaßen etwas draus.
Deswegen wollte sich bei mir hinterher kein Gefühl breitmachen, das lange Warten habe sich gelohnt.
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14.11.2021
Einen kritischen Film über soziales Trinken zu drehen, wäre aller Ehren wert gewesen. Besitzt in der westlichen Gesellschaft doch der Konsum von Alkohol einen ausgeprägten, ja zentralen Stellenwert: Das Glas gehört einfach dazu; das reinste Ritual.
Nach entfesselt saufenden Schülern bereits im Intro tritt bald Lehrer Martin auf, dem die Mühe der Selbstkontrolle vor seinen Schülern anzumerken ist. Man denkt, da könnte Alkohol im Spiel sein. Einen Fingerzeig liefert tatsächlich die abendliche Geburtstagsfeier im Kreise befreundeter Kollegen. Martin möchte eigentlich nichts trinken. Seiner Verfassung nach sollte er besser auch nicht, aber der Gruppenzwang ist stärker. Einige Augenblicke taumelt er am imaginären Rand, ringt mit sich und fällt dann doch hinein.
Ist das komisch? Fand ich nicht. Und saß in einer Herde angestrengt gackernder, feixender Kinobesucher und fragte mich, was die so amüsant daran finden, daß da einer die Kontrolle über sich verliert. Es ist dieses Phänomen im Kino schon seit längerem, dieses angestrengte Kichern an Stellen, die nicht wirklich lustig sind. Ich empfinde das als irritierend (so wie übrigens auch das Verhalten spät eintreffender Kinogänger, die nicht begreifen wollten, warum ich während einer Pandemie Wert auf den freien Platz Abstand lege, speziell wenn anderswo im Saal auch noch reichlich Platz wäre).
Daß Vinterberg sich dieses wichtigen wie ernsten Themas annimmt, ist also achtbar, die gewählte Umsetzung jedoch ungeeignet. Denn sein Film gerät im folgenden über weite Strecken zu einer fidelen Ode ans Saufen, wodurch man gar über sich hinauswachsen soll. 'Glaube ich nicht dran; den Exkurs über das Nervengift Alkohol klemm ich mir.
Fröhlich trifft man sich im Film, um das Level zu halten. Irritierten zunächst Wahrnehmungen diesseits der Leinwand, setzt der Film nach solidem Start dies fort. Das ist in der Realität einfach ein zu häufig tragisches Thema, als daß man das so darstellen sollte. Also bitte, es muß ja auch kein Lehrfilm mit erhobenem Zeigefinger sein. Auch wie eher beiläufig die Stolperer inszeniert sind, die Vinterbergs Figuren zunehmend in ihrem Umfeld nehmen, das bringt den Film erst recht nicht zurück in die Spur. Auch nicht, daß es einen erwischt. Das ist filmisch einfach nicht gut umgesetzt. Und als wenn das noch nicht gereicht hätte, hebt der Film danach noch einmal an und sein Ton dreht wieder in die andere Richtung So als ob er dem Zuschauer zurufen wollte: Tja, einen hat's erwischt; nun läßt uns wieder fröhlich sein.
Das Wort, das man sucht, lautet – genau, siehe oben.
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24.10.2021
Allenfalls ein paar Szenen lang darf Nabers neuer Film als Komödie bezeichnet werden, etwa wenn eine wilde Hatz mit PKW und Rodelschlitten ausgetragen wird. Und ach ja, weil sie denken, in Bayern so nicht aufzufallen, tarnen sich US-Agenten mit Lederhosen und Gamsbarthüten. Danke, episch :D. Angesichts der ansonsten hohen Qualität seines Films sieht man Naber diesen herrlichen Blödsinn gerne nach. Davon abgesehen bereits im Vorspann darauf hingewiesen wird, die ganze Geschichte sei -leider- wahr.
Also eher ein Anschauungsstück bundesdeutscher Behördeninkompetenz sowie, daraus geboren, politischer Strippenzieherei auf der internationalen Bühne. Wie gewohnt überzeichnet Naber nicht, sondern zieht nur die Konturen etwas schärfer nach. Soll heißen, das geht nichtmals als Satire durch. Seine Innenansichten des BND, eine Melange von Kompetenzgerangel, Eitelkeit, Leichtglaube und schierem Minderwertigkeitskomplex vor dem großen Bruder in Übersee halte ich schon für passend.
Die Wahrheit löst sich auf, und keinen kümmert's, heißt es sinngemäß im Film. Sog. Fakten sind von Interesse. Welche, das hängt von der Agenda ab, die damit befördert werden soll. Also macht man sie, maßgeschneidert gewissermaßen. Eindringlich dazu die echten Bilder vom UN-Sicherheitsrat, wo US-Außenminister Powell, Gott hab ihn selig, anno 2003 die wüste Geschichte von den weapons of mass destruction in die Kameralinsen der Welt und damit den Überfall auf den Irak als eine 'notwendige' Angelegenheit deklariert. Und man sieht, wohin, auf welche Bühne sich die Chose entwickelt hat, die einst im fernen Pullach ihren Anfang nahm.
Angesichts des irrationalen Verhaltens der Behörden gegenüber dem so gehandelten Kronzeugen für die Chemiewaffenproduktion (bekommt trotz allem am Ende den Pass), darf es keinen wundern, warum Deutschland, diesem vormals so bewunderten bis beneideten Land, aus manchem Kulturkreis so wenig Respekt entgegen weht.
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17.10.2021
Sprach man bisher über die Adaption von Frank Herberts epochalem Roman fürs Kino, mußten dafür genau genommen zwei Filme erörtert werden: Ein erster, welcher in den 70ern jedoch nie über die Projektierung hinaus kam, sowie der hier vorliegende von David Lynch, der quasi auf dem übriggebliebenen Sockel von ersterem errichtet wurde.
Alejandro Jodorowski, ein weiland mit sehr, nun ja, speziellen Kinowerken bekannt gewordener Regisseur hatte sich den Kopf gesetzt, aus dem Buch einen Science Fiction-Film zu bauen, bei dem der Superlativ Normalmaß sein sollte. Mußte der Versuch, Herberts intellektuellen, schwer zugänglichen Roman in Bilder zu setzen, per se schon als große Herausforderung bezeichnet werden, gingen Jodorowski in punkto Ensemble und Ausstattung schier die Gäule durch. Er glaubte, daß wenn man gerade 'die Besten' verpflichten würde (bzw. das, was er dafür hielt), müßte das Ergebnis doch automatisch bahnbrechend werden.
Pink Floyd sollten die Musik schreiben, exaltierte Herrschaften wie Orson Welles, Mick Jagger sowie Salvador Dalí (sic!) Rollen übernehmen. Für die künstlerische Ausgestaltung wurden renommierte Branchengrößen der phantastischen Kunst verpflichtet; Chris Foss, Jean Giraud (sehr bekannt als Moebius) und H.R. Giger. 'Ging alles runter wie Öl, bloß man weiß man ja, daß sich vermeintlich großartige Zutaten nicht automatisch zu etwas noch Großartigerem verbinden.
Bald wuchs Jodorowski, der Dune vorher nichtmals gelesen hatte, die Sache über den Kopf. Das Budget schmolz in der ausufernden Vorproduktion, ohne daß ein Meter Film zustande kam. Sein Drehbuch hätte ca. 14 Stunden Laufzeit ergeben. Die Financiers bekamen kalte Füße und zogen den Stecker. Jodorowskis Projektvision wird heute als „der großartigste Film, der nie gedreht wurde“ tituliert. Vielleicht gut so, denn in seinem Kern trägt er den Keim grandiosen Scheiterns.
Nämlich darf bezweifelt werden, ob es überhaupt jemals eine gute Idee war, Herberts Roman für eine horrend teure Kinoproduktion auszuwählen. Denn dieser ist nicht massentauglich und gilt seit jeher wegen multipler Erzählebenen, die u.a. politische, religiöse und ökologische Aspekte der Erzählwelt ausleuchten, als kaum verfilmbar. George Lucas machte Jahre später mit Star Wars alles richtig, als er stets den, nennen wir's mal, soziokulturellen Wiedererkennungswert fürs Publikum im Blick hatte. Diesen Anspruch hatte Herbert nie. Die Welten, die er schildert, sind prominent fremdartig, sein Buch entsprechend kaum leicht zu konsumieren. Immerhin vorhanden das universale Motiv von einem, der schwere Prüfungen bestehen muß und letztlich der ersehnte Messias wird, während eine bewußtseinserweiternde Substanz als wesentliches Handlungselement den Zeitgeist jener Jahre widerspiegelt, zumal auch Herbert zu der Zeit gewissen Pilzen zugetan war.
Nun denn – war die Idee, Dune fürs Kino zu adaptieren, aber in die Welt gesetzt. Und um den nächsten optimistischen Visionär abzuschrecken, dafür war der Nimbus, der das Buch umgab, zu groß. Dino de Laurentiis als neuer Filmrechteinhaber wagte mit Lynch im Regiesessel einen neuen, abgespeckten Anlauf. Statt Pink Floyd schrieben 'nur noch' Toto die Musik, traten u.a. 'nur noch' Sting statt Jagger, José Ferrer statt Dalí und Kenneth McMillan statt Welles an. Lynch verfasste ein Traktat für ca. 3 Stunden Laufzeit, brachte sein Stammensemble mit (u.a. Kyle MacLachlan, Freddie Jones, Jack Nance) und bewies im weiteren mit Prochnow, Steward oder v. Sydow insgesamt eine glückliche Hand. Wobei McMillan als Baron Harkonnen eine Sternstunde lieferte. Nicht richtig überzeugen konnte mich lediglich Ferrer. Für die Rolle des finsteren Imperators Shaddam IV wirkt er viel zu sympathisch.
Neues Team, gleiches Problem – die erwähnte Beschaffenheit seiner Romanvorlage nämlich. Lynchs Adaption wurde schon in Testvorführungen vor dem Kinostart sehr gemischt aufgenommen, was danach in aufreibende Auseinandersetzungen mit den Produzenten mündete, die ihm schließlich den Final Cut entzogen. Bis heute bedauert er, diesen Film gemacht zu haben. Mittlerweile hat Dune eine brettharte Fangemeinde, welche ihn, aller Sperrigkeit, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz, als valide Adaption anerkennen. Dazu zähle ich mich selbst auch. Mein Erleben von Herberts Buch ist eng mit Lynchs filmischer Vision verbunden, auch wenn z.B. der optische Mix aus k.u.k.-Monarchie und Jugendstil auf dem Heimatplanet derer von Atreides schon ein sehr sonderbarer ist. Teile dieser Staffage mögen Jahre später dem Cyberpunk-Genre als Vorbild gedient haben. Unglaublich, was für ein Aufwand für das Bühnenbild betrieben wurde (diese Nasriden-Ornamentik im Palast des Imperators; alles echte Kulissen!), zumal dieses nur ein paar Sekunden zu sehen ist. Weiter sehenswert, die kastenartigen Körperschilde der Atreiden..Ein ganz früher Spezialeffekt aus dem Computer, der sich optisch in den fremdartigen Look der gezeigten Welt einfügt.
Ebenso herrlich gelungen, die Heimatwelt der Harkonnen; eine technisierte Sado-Maso-Vorhölle mit etlichen Exponaten des typisch Lynch'schen Ekels (die zugenähten Ohren oder der hängende Kuhkadaver; huach!) oder auch das fahrbare Aquarium des Gilde-Navigators mit dieser herrlichen Raumpflegertruppe, die hinter ihm her putzt. Wirklich abgefahren.
Das opulente Bühnenbild mag Grund gewesen sein, daß anderswo (an der Tricktechnik!) gespart werden mußte. Alleine der Flug des Navigators, nachdem die Atreiden nach Arrakis aufgebrochen sind, hat bestenfalls das technische Niveau früher 80er Video-clips. Oder auch die Raumschiffe im Weltall allgemein; waren das überhaupt bewegte Bilder? Der narrative Fokus des Buchs liegt zwar nicht auf dem Schildern von solchen technischen Dingen, aber gleichwohl bricht hier die filmische Umsetzung natürlich schon ein. Lynch beklagte später auch, daß er manchen Spezialeffekt aus Budgetgründen nicht so realisieren konnte wie gewünscht.
Was gut gefällt ist, daß er sich trotz des ungewohntes Genres treu geblieben war. Für mich eigentlich das wichtigste. In Aspekten wie Regie, Kamera, Schnitt, Beleuchtung, Rhythmus und Inszenierung trägt Dune deutlich seine typische Handschrift. Ein kundiger Kinogänger würde vermutlich auch Lynch als Regisseur erraten, auch wenn er es vorher nicht wußte. In den Kampfszenen hingegen merkt man, daß diese definitiv nicht Lynchs gewohntes Metier sind. Dort ist die Regie teils wirklich dürftig. Aber wer erwartete sowas schon von ihm?
Rundherum alles andere als ein 'perfekter' Science Fiction-Film von einer Vorlage, die alles andere als ideal gewählt war. Mit alledem im Hinterkopf aber, sicherlich ein einzigartiges Werk.
***
Meinem Vorkommentator vielen Dank dafür, mich weiland daran erinnert zu haben, diesen seit Jahren auf meiner Festplatte schlummernden Torso endlich mal fertig zu schreiben. Und aktuell schließlich Moniseur Villeneuve, mich mit seinem jüngsten Film nochmals freundlich zu treten.
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11.04.2020
Es gibt Filme, die sind auf so unverwüstliche Weise gut, daß man sie sich auch angucken kann, selbst wenn man für deren Genre nichts übrig hat. Dieser hier, basierend auf einer historischen Romanreihe, ist von solchem Kaliber.
Eine Bemerkung vorneweg: Wer MaC langweilig fand, der fand Blade Runner vermutlich auch langweilig. Solche Filme leben von der überzeugenden Erschaffung der Erzählsphäre, in die die jeweilige Geschichte eingebettet ist, weniger von einem reißerischen Plot.
Peter Weir zeigt nicht bloß die Jagd auf einen französischen Freibeuter während der napoleonischen Kriege, was die Kommandanten wie Schach auf hoher See austragen (was dem Film schon Spannung, aber der eher hintergründigen Sorte verleiht). Kaum jemand zuvor machte sich die Mühe, derart ausgedehnt in die Eingeweide eines Segelschiffs zu blicken.
Weirs „Surprise“, so der Schiffsname des Jägers, ist geradezu ein einziger lebender Organismus. Das Miteinander der sozialen Klassen und Ränge im Kerzenlicht auf engstem Raum, das man so detailliert selten zu sehen bekam. Man wird hier jedes Mal wieder etwas Neues entdecken. Egal welcher Dienstgrad, die fein gezeichneten Charaktere bereiten einfach Vergnügen. Der sehr stimmige Film glänzt hier durch exzellente Regie, gepaart mit großartigem Schauspiel bis hin zu den Komparsen. Für Russell Crowe als Schauspieler habe ich normalerweise wenig übrig. Aber hier muß man sagen, Crowe ist! Captain! „Lucky Jack“ Aubrey! Punkt! Er füllt diese Rolle perfekt aus. Aubreys Umgang mit dem Schiffsarzt ist in mehrerer Hinsicht gegensätzlich. Doktor Maturin (prächtig: Paul Bettany) und Lucky Jack sind privat zwar Freunde, aber davon ab ist im Dienst der eine Wissenschaftler und Humanist, der andere Soldat sowie einem klaren Einsatzbefehl verpflichtet. Das bietet etliche Reibflächen, denen sich der Film in vielen Episoden widmet.
Über die gesamte Länge betrachtet, kommt Weir mit wenig Action aus. Aber die hat es in sich, wenn die Kontrahenten im Gefecht aufeinandertreffen. Flankiert vom überwältigenden Sound, wechseln Nahansichten verheerender Zerstörung mit geradezu idyllischen Darstellungen aus der Distanz. Letztere wirken wie zeitgenössische Gemälde von Seeschlachten; ein womöglich beabsichtigter Effekt.
Heute kaum denkbar, aber bei den begrenzten medizinischen Möglichkeiten damals, vor allem an Bord eines Schiffs, konnte ein einziger umherfliegender Holzsplitter Infektion, dann Amputation und schließlich gar den Tod bedeuten. Und Weir läßt wahre Stürme davon auf seine Figuren herniedergehen. Dokumentationen von historischen Schiffsgeschützen zeigen, daß Vorderladerprojektile nicht ausschließlich kugelförmig, sondern z.B. auch hantelförmig, Pakete kleinerer Geschosse, ferner mit Ketten verbundene Kugelpaare sein konnten. Es ging nicht nur darum, durch maximalen Schaden ein gegnerisches Schiff kampfunfähig zu schießen. Die Wirkung zersplitternden Holzes auf die Besatzung dürfte beim Beschuß willkommener Seiteneffekt gewesen sein. Daß Weir das so drastisch auf den Zuschauer losließ, ist womöglich Spielbergs Pionierarbeit in Saving Private Ryan zu 'verdanken'.
Der Film hatte das große Pech, bei den Oscars ausgerechnet gegen Die Rückkehr des Königs antreten zu müssen, in der Tolkien-Trilogie der erfolgreichste. Bei 10 Nominierungen gestand man Weir nur 2 Preise in Nebenkategorien zu. Ursprünglich war geplant, die Romanreihe fürs Kino in ein ganzes Franchise zu adaptieren. Aufgrund des relativ enttäuschenden Einspielergebnisses blieb es jedoch bei dem einen Film. Das ist sehr schade, wenn man bedenkt, wie wenig derart hochwertige, 'handgemachte' Filme mit einer solchen Finesse im Detail Hollywood überhaupt noch herstellt. Die Leute wollen halt lieber den vordergründigen Kick, das Effektgewitter aus dem Computer, hanebüchene Geschichten aus dem Comic-Universum oder wie Chris Hemsworth als Chris Hemsworth im bunten Kostüm auftritt.
PS: Stichwort Typecasting - Billy Boyd ist für mich Peregrin Tuk und wird es immer bleiben. Weswegen ich mich in diesem Film hier ständig gefragt habe, was denn der Hobbit da am Steuerrad macht.
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29.03.2020
Wie in anderen seiner Filme greift Chaplin hier große zeitgenössische Themen auf und bricht sie auf die Nahperspektive herunter. Wo viele Kommentatoren die Industrierevolution als großes, mithin segenspendendes Projekt begriffen, richtet Chaplin seinen Blick auf den Preis, den die einfachen Menschen für den Fortschritt zu bezahlen haben. Behilflich dabei ist ihm einmal mehr seine geniale Schöpfung, der kleine Tramp.
Jener findet sich buchstäblich in den Mühlen der Industrieproduktion wieder, wo der Mensch auf den bloßen Produktionsfaktor reduziert wird. Hatte es das vorher schon mal gegeben, Fließbandarbeit in einem abendfüllenden Film? Der Arbeitstakt ist hier Gesetz. Der Tramp, ein etwas gegen den Strich gebürsteter Kavalier mit dem Herzen am rechten Fleck, wird bald zum Korn im Getriebe der Maschinerie, die ein gelangweilter Industriemogul ohne Nachsicht hochtakten läßt. Irgendwann reicht's. Mit zwei Ringschlüsseln bzw. einer Ölkanne bewaffnet, führt der Tramp eine freche Clownerie auf und bringt den Laden gehörig durcheinander.
Neben diesen offensichtlichen Motiven fällt Chaplins Kritik an den Zuständen auch mal subtil aus. Als er, im Gefängnis gelandet, wegen guter Führung entlassen werden soll, bittet der Tramp inständig darum, bleiben zu dürfen. Er habe es doch gut hier. Also wie verzweifelt muß man sein, um den Knast dem Leben draußen vorzuziehen?
Die größere Bühne für die Geschichte ist der Widerhall der Weltwirtschaftskrise mit Motiven von Massenarbeitslosigkeit, Arbeiterrevolten und bitterer Armut (wobei letzteres ein wiederkehrendes in Chaplins Werk ist). Die Mechanisierung der Industrie konnte schließlich auch den Wegfall vieler Arbeitsplätze bedeuten. In einer wundervoll orchestrierten Szene sieht man sein komödiantisches Können. Von der Ladung eines vorbeifahrenden Lastwagens fällt eine (wohl) rote Markierungsfahne herunter. Der Tramp, stets das Gute im Blick, nimmt sie auf und läuft hinter dem Lastwagen her, wild gestikulierend und die Fahne schwenkend. Genau in diesem Augenblick biegt die Kolonne der protestierenden Arbeiter hinter ihm aus einer Seitenstraße ein, doch der Tramp hat nur Augen für den Lastwagen. So läuft er, die rote Fahne schwenkend, vor der Arbeiterkolonne her und wird von der Polizei als vermeintlicher Aufrührer verhaftet; bei der ganzen Abfolge schüttelt es mich jedes Mal vor Lachen.
Diese Szene brachte Chaplin in den Verruf, ein Kommunist zu sein (und dürfte den Weg markieren, an dessen Ende sein Verhältnis mit Hollywood zerrüttet war). Ich frage mich, wie paranoid man sein mußte, um anhand dessen einen solchen Verdacht zu formulieren. Nee, echt nicht. Und nebenbei, Chaplins Tramp mag mitunter anarchisch sein, ein Anarchist bzw. Umstürzler ist er deswegen noch lange nicht.
Wollte man so etwas überhaupt mal vermuten, dann, ja puh, dann wäre ja eher noch die Frühstücksmaschine anfangs in der Fabrik in Betracht gekommen. Denn sie dient einzig dem Zweck, noch mehr Produktivität aus dem Arbeiter durch Verkürzung der Essenszeiten herauszuholen, ihn so maximal auszubeuten.
Chaplins Film steht nicht nur für all dies, sondern ist außerdem auch in Teilen vertont, wobei er (im weitesten Sinn) nur den Autoritäten Stimme verleiht. So steht er für die 'modernen Zeiten' des Industriezeitalters mit ihren Herausforderungen für die Gesellschaft einerseits, markiert aber auch den Aufgang eines neuen Zeitalters im Kino (sowie das Ende des Stummfilms). Was jenes andererseits für die Stummfilmstars der Zeit bedeutete, wurde in anderen Werken bereits thematisiert.
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