1917
Großbritannien, USA 2019, Laufzeit: 119 Min., FSK 12
Regie: Sam Mendes
Darsteller: George MacKay, Dean-Charles Chapman, Mark Strong
>> upig.de/micro/1917
Flitzpiepens like us
Matt513 (266), 07.08.2022
Nach Nolans Dunkirk scheint mir dies der nächste Versuch eines Regisseurs der jüngeren Generation zu sein, seinem Portfolio den 'Großen Kriegsfilm' hinzuzufügen. Und ähnlich wie bei ersterem ließe sich auch hier formulieren - dumm, daß man damit so spät dran ist und die großen, entscheidenden Episoden bereits in Bilder gesetzt sind.
Eine andere Erklärung dafür, warum es nun ausgerechnet das Jahr 1917 sein mußte, will mir leider nicht einfallen. Es wirkt beliebig. Hey Sam, wenn schon diese Epoche, dann keine Lust verspürt, über Verdun oder die großen Gemetzel an der Marne oder Somme einen epischen Film zu drehen?
Ich kann nicht sagen, daß der Film viel in mir aufwühlte. Dafür ist er in großen Teilen einfach zu hanebüchen inszeniert. Die Mission geht los für die zwei wackeren Korporäle und sehr effektvoll geht der Blick über die beiden hinweg in die aufgerissene, von Stacheldrahtverhau und Gräben zerteilte Ebene zwischen den Fronten. Ich muß zugeben, diese an sich unspektakuläre Szene stellte mir sofort die Nackenhaare hoch. Initial gelingt es Mendes, durch diese Perspektive den Zuschauer auf die gefährliche Tour mitzunehmen. Durch die vermeintlich schnittfreie Kamerafahrt dagegen nicht; solch ein Gimmick lenkt eher vom wesentlichen ab und ist NB: im Falle der Schützengräben dann auch keineswegs neu gewesen. Nach ein paar Schritten verletzt sich einer die Hand. Noch ein paar Schritte weiter und man kommt an einer Leiche mit geöffnetem Brustkorb vorbei, aus dem justament eine Ratte entfleucht (Zufälle gibt’s). Damit nicht genug, beim Sich-Niedersetzen landet die -verletzte- Hand des einen genau in jener offenen Brusthöhle (Zufäl.. ach, das schrieb ich bereits). Weiter geht’s und überall sind dekorativ Leichen drapiert. Nach gelungenem Start rutscht Mendes binnen Minuten auf billiges Geisterbahn-Niveau ab. Das schafft nirgends Schrecken oder Schauer, sondern ist einfach nur doof. Weil er also kein großes Thema finden konnte, beschränkt er sich auf das Triviale.
Je länger die Reise geht, desto mehr dämmert es einem, daß da nichts Spannendes passiert. Erinnert sich einer an die Szene mit dem Scharfschützen im oft zitierten Saving Private Ryan? 'Brachte die Handlung auch nicht wirklich voran, aber was für ein prächtiger Nagelbeißer das mittendrin war! Kubrick sprach von den unversenkbaren Fixpunkten, die einen guten Film ausmachten. Wo sind die in 1917?
Gemütlich geht der Wanderausflug weiter, nunmehr im vormals durch die Deutschen okkupierten Terrain; also nicht daß man dort besondere Vorsicht walten lassen müßte. Ein Fest für jeden zurückgelassenen Heckenschützen, wie sie dort schön nebeneinander herstapfen. Dann das Flugzeug. Ich würde mal sagen, die Chance, daß einem auf freiem Feld ein landender Flieger derart in die Quere kommt, dürfte sehr nahe Null sein. Alleine von daher macht die Szene kaum Sinn. Sowas passiert bestenfalls in Videospielen. Anstelle dann im rechten Winkel dazu, laufen sie in der Verlängerung der Flugbahn davon. Und wie die ganze Szene letztlich ausgeht, geschenkt. Speziell wenn man daran denkt, wessen vitales Interesse es war, den Auftrag erfolgreich auszuführen. Da verhält man sich einfach anders, sorry. Was hatten sie dort verloren, warum sind sie ob der wichtigen Mission nicht großräumig dran vorbeigelaufen? Vorher genauso, warum schon hatten sie den Bunker untersucht? Gab es im britischen Expeditionskorps eigentlich auch Soldaten oder waren das alles so Flitzpiepen wie diese beiden? Und die sollen die glorreichen Truppen unseres *schnüff* geliebten Kaisers (*er lebe hoch, hurra!*) besiegt haben?
Es ist ja möglich, daß Mendes die Unerfahrenheit junger Soldaten im Krieg darstellen wollte, was durchaus eine Ergänzung zum bestehenden Kanon des Genres gewesen wäre. Aber das Wie finde ich ungeeignet, plakativ; kurzum, es ist zu wenig gekonnt umgesetzt. Noch eine der Szenen am Schluß, wo es nächtens durch die brennende Stadt geht, mit reichlich Büchsenlicht für feindlichen Beschuß, was fast einen haarsträubenden Showdown heraufbeschwört; ich erspar's mir. Kein Mensch geschweige denn Soldat, der halbwegs daran interessiert ist, am Leben zu bleiben, würde da so naiv durchtapsen.
Es kam mir auch nicht wie ein regelrechter Kriegsfilm vor. Es sind ja quasi keine Kampfhandlungen zu sehen. Das bißchen Piff-paff in der zweiten Hälfte kann man kaum gelten lassen. Am Ende kratzt man sich am Kopf und weiß nicht, was es sein sollte, das man gerade gesehen hat. Würde ich zu der Epoche etwas empfehlen müssen, wäre es neben Wege zum Ruhm dann auch Im Westen nichts Neues.
Technisch brillant
Raspa (392), 28.01.2020
Im Gegensatz zu meinen Vor-Kritikern hat mich dieser Film nicht wirklich gepackt, vielleicht mit Ausnahme der Szene ganz am Ende, als der junge Corporal den Bruder seines Freundes trifft.Natürlich ist es bewundernswert, wie Mendes es zusammen mit seinem grandiosen Kameramann schafft, die Handlung scheinbar in einer einzigen Einstellung zu präsentieren. Aber genau das wirkt auch irgendwie künstlich, vielleicht gerade weil es so sehr authentisch wirken soll. Otello 7788 findet, es sei der zweitbeste Kriegsfilm nach "Saving Private Ryan". Spielbergs Film ist in seinen ersten 20 oder 30 Minuten unvergleichlich in der Darstellung der unfassbaren Brutalität einer Schlacht, danach war er für meinen Geschmack etwas zu sehr amerikanisches Heldenepos. Zweifellos aber ein großes Werk. Der beste Film über den Krieg, vielleicht gerade wegen seiner beschränkten technischen Mittel und seiner Schwarz-Weiß-Ästhetik bleibt für mich jedoch "Wege zum Ruhm" von St. Kubrick aus dem Jahre 1957. Darin werden die "Masters of War" ( Dylan ) auf eine Weise desavouiert, wie es seitdem kein anderer Film mehr erreicht hat.
Es ist gut möglich, dass andere Besucher sich durch "1917" stärker erschüttert fühlen. Insofern rate ich durchaus zum Anschauen und dazu, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Von "real" bis "surreal"
woelffchen (597), 20.01.2020
Ein sehr bemerkenswerter Spielfilm über eine kurze Episode im 1. Weltkrieg. Spannend, hautnah und grausam. Da kann man sehen, welche Auswirkungen die Phantasien machthungriger Monarchen und korrupter Politiker – damals, vor über 100 Jahren - für den einfachen, pflichtbewußten Mann an der Front mit sich brachten. Als „surreal“ empfanden wir die Nachtszenen, die das Grauen des Krieges aber nur noch weiter verstärkten. Fazit: Pflichtfilm für jeden Politiker.
Der große Krieg
otello7788 (554), 17.01.2020
Wenn man in Frankreich von " La Grand Guerre" redet, meint man dort den Ersten Weltkrieg. Spätestens nach den 119 Minuten von "1917" weiß man warum. 2 Stunden folgt man gefühlt in Echtzeit den beiden Soldaten durch die Frontlinie. Zumeist mit Steadycam in extrem subjektiver Einstellung gefilmt. Dadurch wird man in den Film förmlich gesogen. In einen Alptraum aus Verwüstung, Leichen und Gewalt. Einer der Filme, bei denen man froh ist, dass es den Nachspann gibt, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren.
JEDER, der Krieg für eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln hält, sollte zum Besuch des Films gezwungen werden. Das Grauen ist unfassbar.
Der zweitbeste je gemachte Kriegsfilm nach "Saving Private Ryan".
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