Das zweitägige Symposium der Dokumentarfilminitiative „Work in Progress“ widmet sich am 15. und 16.1. im Filmhaus Köln der Arbeitswelt. Wie wandelt sich die Arbeit? Wie nehmen wir sie wahr? Was kann das Medium Film zeigen, was sonst verborgen bleibt? Mit dabei ist die Filmemacherin Katharina Pethke, die ihre zwei Werke „Anophtalmus“ (2005) und „In Dir muss brennen“ (2009) vorstellen und diskutieren wird.
Frau Pethke, in Ihrem Film „In Dir muss brennen“ geht es um die schöne neue Arbeitswelt, die oftmals Freiheit verspricht und Burn-out liefert. Aus welcher Situation heraus ist der Film 2009 entstanden?
Ja, der Film ist wirklich schon über 16 Jahre alt! Wahnsinn. Und trotzdem hat sich eigentlich noch weiter verschärft, was ich damals schon bemerkt habe: Immer mehr Menschen sind verunsichert, erschöpft und ausgebrannt. Ich habe mich gefragt, woran das liegt und bin schnell auf die entgrenzte Arbeitswelt gekommen: Arbeit ist ja kulturell an sich schon ein ideologisch besetzter Begriff, im Sinne von „Arbeit gibt den Menschen einen Wert“ – vermeintlich! –, der dann wiederum mit Gegenwert in Form von Geld belohnt wird. Aber seit der New Economy in den 90ern ist nun auch hinzugekommen, dass Arbeit außerdem „Spaß“ machen und dem Leben einen „Sinn“ geben soll. Dieser Anspruch ist durch flache Hierarchien bis in die einfachsten Tätigkeiten gelangt. Die Idee dahinter: Wenn es meine „Leidenschaft“ ist, diese Arbeit zu tun, dann mache ich das natürlich gern – wenn es drängt – auch nach dem Feierabend. Und es drängt ja eigentlich immerzu. Kein Wunder, dass wir alle so erschöpft sind: Es ist niemals Pause.
Es gibt diesen Moment, wenn man nach Hause kommt, die Tür schließt – und die Arbeit eigentlich hinter einem liegt. Das ist aber ein Trugschluss, wie Sie in Ihrem Film recht eindrücklich zeigen.
Richtig. In den vergangenen Jahren ist dann noch hinzugekommen, dass Social Media einen wichtigen Teil unseres „Miteinanders“ bestimmt. Da geht es viel um Selbstoptimierung: Der ideale Mensch – so dürfen wir den verschiedenen Algorithmus-Bubbles entnehmen – steht um 5 Uhr auf, macht dann Workout, Morgenroutine, trackt seine Kalorien und hat einen Job, der glücklich macht und in dem er alles gibt. Sehr viel davon ist mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung versehen. So auch, wenn Menschen sich von all dem verunsichert fühlen oder nicht wissen, wie sie da mithalten sollen. Und da kommt das Thema meines Films ins Spiel: Es gibt mittlerweile unzählige Coaches, die schnelle Abhilfe versprechen. „24 Stunden Waldcoaching“ oder Klopftechniken versprechen, „schnell“ wieder funktionabel zu werden, um weiter machen zu können bei diesem Wettbewerb. Das fand und finde ich interessant und habe es in einen Film gebracht.
Nun haben sich mit Home-Office-Möglichkeiten und Teilzeitmodellen scheinbar neue Freiheiten entwickelt. Wie sehen Sie diese Entwicklungen in Bezug zu Ihrem dokumentarischen Essay von damals?
Die Entgrenzung ist noch eklatanter geworden – eine Unterscheidung von Privat- und Arbeitsleben gibt es in der Form nur noch eher selten. In meinem Film gibt es am Anfang einen Coach, der anderen Menschen beibringt, wie sie sich besser präsentieren können und glaubwürdiger vermitteln, wie leidenschaftlich sie sind. Eben dieser Coach geht dann am Ende des Films zu einem anderen Coach, weil er merkt, dass er die nötige Leidenschaft für seine Kurse immer schlechter vermitteln kann. Die Spirale der Selbstverbesserungstaktiken zeigt sich hier in ihrer Absurdität. Am Ende lässt der eine den anderen einfach stehen mit den Worten: „Ich sehe da einen Widerspruch, über den Du jetzt mal nachdenken kannst“ – und lässt ihn damit allein.
Ihr letzter Film „Reproduktion“ (2024) widmete sich der Arbeitswelt von einer anderen Seite – der der Mütter, die oftmals eben nicht in diese Arbeitswelt zurückkehren können. Sie betrachten drei verschiedene Generationen. Konnten Sie echte Fortschritte feststellen?
Die Care-Arbeit – also das, was unsere Gesellschaft im Kern ausmacht – findet bei all diesen New Work-Themen so gut wie gar keine Beachtung. Das auf sich selbst bezogene Ich steht bei all der Selbstoptimierung im Vordergrund. Kein Wunder, dass das Kümmern nicht gesehen wird, denn es wird nicht mit „Wert“ bedacht: weder ideellem noch monetärem. Care-Arbeit bleibt verborgen und schlussendlich unsichtbar, denn die, die diese Arbeit leisten, haben gar keine Kraft und Zeit, sich dagegen zu wehren. Es wird in letzter Zeit oft von der sogenannten Teilzeitfalle gesprochen, die eine haarsträubende Rentensituation und verschiedene Abhängigkeiten mit sich bringt – und dies passiert leider oft den Frauen. Es wurde in den vergangenen Jahren viel debattiert und es ist eine gewisse Sichtbarkeit entstanden, aber verbessert hat es sich eigentlich nicht.
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