Wenn Körper in Ruhe zwei Stunden auf Körper in Aktion starren, sitzt man bestenfalls im Kino. Für die Bewerbung dieses Erlebnisses verheißungsvolle Bilder und Posen zu finden, abseits einer ideenlosen Anhäufung unterschiedlicher Motive, war die große Kunst der amerikanischen Illustratorin Joann Daley. Daley, am 27. September 1934 in Detroit geboren, malte in der Umbruchzeit der 1980er einige der abwechslungsreichsten und modernsten Filmplakate Hollywoods.
Zwei Äxte, die in Kissen und Spiegel schlagen. Mit ihren effektvollen Motiven zu „Friday the 13th“ und „Prom Night“ gelingt Joann Daley 1980 der Durchbruch – und sie wird quasi über Nacht von der Kinderbuchillustratorin zur „Horror Poster Queen“. Gleichzeitig macht die Polizistentochter mit ihrem Ronald-Reagan-Portrait im Playboy und frechen Glückwunschkarten der Firma Paper Moon auch Mainstream-Hollywood auf sich aufmerksam. Ihre muskulösen Bauarbeiter, die mit Presslufthämmern Herzen in den Asphalt meißeln, führen Daley zu ihrem wohl meistgesehenen Bild: dem Plakat zu „Rambo: First Blood Part 2“.
Ähnlich wie ihr nur ein Jahr jüngerer Kollege Renato Casaro, der in Europa eine eigene „Rambo“-Version erfindet, hegt die kalifornische Malerin eine Abneigung gegen Nebenmotive, Brustportraits und unnötige Hintergrundbilder. Ihre knapp 100 Entwürfe für Dramen, Teenagerkomödien, Action- und Horrorfilme stemmen sich folglich mit bestechend klaren Airbrush-Motiven gegen die überfrachteten Spektakelplakate der 1970er Jahre und die stark mit Schraffuren und Umrandungen arbeitenden Illustrationen der männlichen Kollegen John Solie, Drew Struzan oder Richard Amsel. Da ihre Signatur „Joann“ fast von sämtlichen Filmplakaten wegretuschiert wird, ist Daleys Name jedoch nur Insidern und Bücher- und Postkartenkäufern ein Begriff.
Neben ihrem verstörenden „Eyes and Bodies“-Konzept mit weit aufgerissenen, großen Augen und kontrastierenden Ganzkörperabbildungen erfindet Daley herausfordernde Action-Posen, schockierende Schattenwesen und verschwindende, überlappende oder mutierende Gesichter, bringt Poesiealbum-, Postkarten- und Zettelcollagen auf die Plakate, zoomt Rücken, Hände und Hälse an, malt Glassplitter und Risse sowie hyperrealistische Stoffstrukturen, Schilder und 3D-Schriften. Große Gesichtsportraits versieht sie sogar mit kleinen Härchen und Poren, Körperhaut bildet sie in weichen Übergängen mit glänzenden Muskelsträngen ab. Zeitgleich mit Drew Struzan etabliert Daley 1981 ein neues Posterkonzept für Ensemble-Komödien, das nicht nur viele verschiedene Gesichter, sondern auch deren Körper in möglichst komischer Aktion zeigt. Blitzschnell beantwortet sie im selben Jahr die nackten Frauenbeine des Bond-Posters „For Your Eyes Only“, Bill Golds Startschuss für unzählige „Headless Women“-Kampagnen, mit einer ebenfalls freizügigen, aber ungemein sensiblen Darstellung Kristy McNichols für „The Night the Lights Went Out in Georgia“. Daleys erster Bleistift-Entwurf sieht sogar vor, die junge Schauspielerin ruhig sitzend abzubilden – revolutionär angesichts der sonst üblichen stehenden, liegenden oder knienden Frauenposen.
Auch in der Herstellung ihrer Kunstwerke ist die Designerin erfinderisch. Detailreiche Illustrationen konzipiert sie zunächst auf riesigen Pauspapieren, malt dann erst eine Schwarzweiß- und anschließend eine Farbversion. Bei Retuschen und Bildmontagen arbeitet sie erstmals Knicke, Regentropfen und Brandlöcher ein. Für Twentieth Century Fox kreiert sie zwischen 1982 und 1985 mehrere originelle Motive zu den gänzlich unterschiedlichen Komödien „The King of Comedy“, „Reuben, Reuben“ und „Porky’s Revenge“. Die Bandbreite ihrer Ideen bringt sie bis zu den wichtigsten Werbeagenturen und Kampagnen für „Fast Times at Ridgemont High“, „Superman III“ und „The Dark Crystal“.
Daley gelingen über die Jahre einige einzigartige, freche Portraits und „Schnappschüsse“ von Jerry Lewis, Chuck Norris, Kim Basinger, Bernadette Peters, Tom Conti, Jamie Lee Curtis, Christopher Reeve, Chuck Mitchell, Lesley Ann Warren, Carol Burnett und Robert De Niro. Ihre größten Erfolge im Filmgeschäft feiert die Malerin im Alter von knapp 50 Jahren mit ihren Artworks für die Fox und die unabhängige Firma Avco Embassy sowie mit ihren weltweit verwendeten Entwürfen zu „Creepshow“, „Scanners“ und „Porky's Revenge“. Ihre besonders beim Teenagerpublikum ankommende Malweise lässt sie ab 1984 auch zur Pionierin im Home Entertainment werden. Mit Gouachefarben, Spritzpistole und Buntstiften fabriziert sie für das Genre-Label Lightning Video, Teil der frühen Videofirma Vestron, fotorealistische Cover für Female-Revenge-Thriller wie „Vendetta“ und ältere, hochgelobte Fernsehspiele der Jimmy-Carter-Zeit wie „The Acorn People“.
Daleys Schaffen steht damit exemplarisch für den Umbruch der 1980er Jahre: Das Home Entertainment löst ganze Genres aus der Kinoauswertung heraus und vernichtet zahllose „Second-Run“- und Vorstadttheater, der Computer beendet gleichzeitig die Arbeit der Pinselartisten Tinseltowns. Laut einem Artikel in der Los Angeles Times, der sich 1993 dem Ende des gemalten Filmplakats widmet, verdient Daley 1988 160.000 Dollar mit ihren Plakatentwürfen, fünf Jahre später, im Zuge der immer wichtiger werdenden Computertechnik, aber nur noch 30.000 Dollar.
Bis in die späten 1990er Jahre reicht die einzige Frau unter Hollywoods klassischen Illustratoren weiter Kampagnenvorschläge ein und malt, neben ein paar allerletzten Horrorpostern, dann Superhelden-Karten, leidenschaftliche Liebespaare für Romanserien, Albencover, Motorradkalender und Werbeanzeigen. Für Verlage und Magazine fertigt sie Portraits von Filmlegenden wie Marlene Dietrich und Bodybuilder-Prominenten wie Kiana Tom. Die Darstellung Dan Quayles als Braveheart und das Cover zu Tess Gerritsens frühem Krimi „Keeper of the Bride“ zeigen noch einmal die ganze Spannbreite ihres Könnens. Von Malibu und Silver Lake zieht Joann Daley zusammen mit ihrem Ehemann und Manager James Costello in den kalifornischen Küstenort Oxnard, wo sie am 8. November 2005 stirbt. Ihr letztes Atelier hat sie bezeichnenderweise in Oxnards Hafenviertel Hollywood, auf der dortigen Peninsula Road.
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