„Was bleibt übrig“, fragte 1984 der früh verstorbene Filmjournalist Serge Daney anlässlich einer riesigen Belmondo-Werbekampagne zu „Die Glorreichen“, „wenn das Filmplakat kein frontal vor ihm stehendes Publikum mehr hat und seine Darsteller und Macher tot sind?“ Dass das Kino immer nach Neuem hechelt, ist eine Binsenweisheit. Umso trauriger ist, dass die Vermittlung von Filmgeschichte, dem, was Daney die Geschichte zwischen den Körpern nannte, hierzulande zunehmend wieder den Kinos selbst überlassen wird. Das Fernsehen zeigt Filmklassiker nur noch nachts oder auf Spartenkanälen, Festivals fördern den Nachwuchs, Filmfans programmieren Trash-Reihen. Immerhin nehmen in Köln zunehmend mehr Kinos wieder mal Repertoirefilme ins Programm, etwa zu den Kölner Kino Nächten, an Silvester oder im Rahmen sorgfältig oder zufällig kuratierter Reihen wie „Der komische Film“ oder „Der Lieblingsfilm“.
Am Tag von Jerry Lewis‘ 89. Geburtstag rufen Bernhard Gugsch und Ansgar Thiele vom Förderverein Filmkultur Bonn e.V. nun eine neue monatliche „Filmclub“-Reihe ins Leben, die anhand prägnanter Beispielfilme buchstäblich durch die Zeit reist, von den Anfängen des Stummfilms bis zur Nouvelle Vague und zum New American Cinema, und sich ganz den jeweiligen kinematografischen Wagnissen der Epochen verschrieben hat. „Es geht nicht um das Schwelgen in musealer Kino-Vergangenheit, als vielmehr um einen frischen Blick auf innovative Erzählformen der Filmgeschichte, die manchen zeitgenössischen Film vergleichsweise alt aussehen lassen.“ Mit 35mm- und 16mm-Kopien will der Filmclub an die Tradition der Studentenkinos und Cinematheken anschließen und zugleich ein Signal senden, dass das Kino gerade auch mit seiner Geschichte punkten kann. Zugleich will die Reihe die Mutigen belohnen, die sich zu allen Zeiten quer stellten. Wie sagte es Jerry Lewis einmal zu Eckhart Schmidt, als der in Los Angeles nach einer Definition der Traumfabrik suchte: „Hollywood ist ein riesiger Schminktisch, an dem nur ängstliche Leute sitzen.“
Der Filmclub im Kino in der Brotfabrik startet am Montag, 16. März um 19 Uhr mit einem Stummfilmprogramm aus Werken unter anderem von Georges Méliès, James Sibley Watson, Melville Webber und Luis Buñuel. Nächste Termine: Mo. 20.4. 19 Uhr („L'age d'or“, OmU), Mo. 18.5. 19 Uhr („Ich kämpfe um dich“, OV)
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