Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.632 Beiträge zu
3.854 Filmen im Forum

„Schwesterherz“
Foto: Presse

Alles auf Anfang

19. Dezember 2025

Lebensfragen aus weiblicher Perspektive – Vorspann 01/26

Nun beginnen wir also das Jahr 2026. Das erste Viertel des neuen Jahrtausends liegt bereits hinter uns. Wer erinnert sich noch an die „Y2K-Panik“, als viele glaubten, die Welt, wie wir sie kannten, würde mit dem Jahr 2000 untergehen? Es wurden zahllose Prognosen aufgestellt, von denen manche tatsächlich einzutreten scheinen – etwa die allumfassende Digitalisierung. Zudem sorgte die Einführung digitaler Projektoren für Unruhe. Viele prophezeiten das Ende der Filmkunst, sollten Filme nicht mehr auf Film, also auf klassischem Zelluloid, gedreht werden. Heute entstehen über 90 Prozent aller Filme digital und die alte Tradition, Geld für das Erlebnis im dunklen Kinosaal und auf der großen Leinwand auszugeben, steht inzwischen in Konkurrenz zu Streamingdiensten wie Netflix. Filme lassen sich heute bequem auf dem Smartphone anschauen –dennoch zieht es uns immer wieder ins Kino. Denn dort erleben wir Geschichten intensiver, werden stärker berührt und mitgerissen.

Roger Ebert, der berühmte Filmkritiker, schrieb in seinen Memoiren „Life Itself“: „Filme sind wie eine Maschine, die Empathie erzeugt. Sie lassen uns mehr über die Hoffnungen, Wünsche, Träume und Ängste anderer Menschen erfahren und helfen uns, uns mit denen zu identifizieren, die diese Reise mit uns teilen.“ Das Kino ist ein Ort für die großen Fragen des Lebens. Gewalt gegen Frauen ist eine davon: Wie gehen Frauen und Mädchen, die Missbrauch und Übergriffe erlebt haben, Jahre später mit diesen Erfahrungen um? Die #MeToo-Bewegung hat diese Schwierigkeiten enttabuisiert, Frauen klagen heute an, Täter werden – manchmal – bestraft. Doch was geschieht im Inneren, wie geht das Leben für Betroffene weiter? Filme wie „Sorry, Baby“ und „Small Town Girl“ widmen sich auf unterschiedliche Weise den Folgen solcher Traumata. Die Täter sind Väter, Söhne, Brüder – von Frauen. Wie reagiert eine Frau, wenn sie erfährt, dass ihr geliebter Bruder ein Vergewaltiger ist? In ihrem Debütfilm „Schwesterherz“ geht Sarah Miro Fischer dieser Frage nach.

Während Männer auf der Leinwand oft als Helden inszeniert werden, wie mein Kollege im letzten Vorspann erläuterte, reflektieren Frauenfiguren zunehmend ihr Leben und ihre Erfahrungen. In „Mother‘s Baby“ behandelt Johanna Moder, ob Mütter ihre Wunschbabys immer lieben – auch jene, die im Labor entstehen. In „Bon Voyage – Bis hierher und noch weiter“ (Regie: Enya Baroux) setzt sich eine 80-Jährige mit ihrem eigenen Tod auseinander und möchte diesen selbstbestimmt und vorbereitet erleben. In ihrem Langfilmdebüt „Madame Kika“ erzählt Alexe Poukine ohne den männlichen voyeuristischen Blick von einer jungen Frau, die nach dem frühen Tod ihres Mannes sich und ihre Kinder mit Sexarbeit über Wasser hält.

Es ist schwere Kost zum Jahresbeginn, die zum Nachdenken, Mitfühlen und vielleicht auch zum Handeln anregt. Mehr Mitgefühl – das wäre doch ein guter Vorsatz für das neue Jahr. Im Dezember ziehen wir dann erneut Bilanz. Für 2026 wünsche ich allen: Good Luck. Have Fun. Don‘t Die. So heißt auch der neue Film von Gore Verbinski, der eine Welt am Abgrund zeigt (Kinostart im März). Abgrund klingt nicht gerade nach Fun, aber wenn wir alle mehr Empathie, Mitgefühl und Menschlichkeit zeigen, kann 2026 ein gutes Jahr werden. Im Kino sowieso.

Tina Adomako

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Neue Kinofilme

Avatar: Fire and Ash

Lesen Sie dazu auch:

Heldenspektakel
Männerrollen auf Leinwand – Vorspann 12/25

Raus aus dem Schmuddelwetter
Tiefgründige Filme im No!vember – Vorspann 11/25

Schnappatmung von rechts
Wenn Filme Haltung zeigen – Vorspann 10/25

Weinende Wände
Das Filmtheater als Begegnungs- und Spielstätte – Vorspann 09/25

Drama, Baby?
Das Arthouse und der Schenkelklopfer – Vorspann 08/25

Sommergefühle
Leichte Kino-Kost im Juli – Vorspann 07/25

Fortsetzung folgt nicht
Serielles Erzählen in Arthouse und Mainstream – Vorspann 06/25

Der Filmfrühling ist angebrochen
Die erste Jahreshälfte startet mit bedeutenden Filmfestivals – Vorspann 04/25

Schlechte Zeiten?
Merz im März und ernste Kost im Kino – Vorspann 03/25

Gute Zeiten
Wie lang darf ein Film sein? – Vorspann 02/25

Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25

Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24

Film.