Kinobesitzer sind im Grunde Facility-Manager mit Publikumsexpertise. Sie schließen ihre Theater auf und zu – und müssen neben den eingekauften Filmen, die mittlerweile nicht mehr als Filmrollen, sondern als Datenpaket ins Haus kommen, Räume und Sitze pflegen, Plakate und Buchstaben aufhängen, Getränke und Snacks einräumen, Reparaturen durchführen, schnell durchfegen, dann natürlich Tickets verkaufen und, im besten Fall, die Filmvorführung überprüfen und ihr Publikum freundlich begrüßen und wieder verabschieden.
Die nervöse Zeit spielt für sie – denn angesichts eines wirklich guten Programms, das derzeit angeboten wird, von „In die Sonne schauen“ über „Die Rosenschlacht“ bis zu den kommenden Herbsthighlights, schrumpft das angeblich schicke Allein-zu-Hause-Gucken zu dem, was es ist: einer letztlich traurigen Alternative.
Ist es nicht komisch, Filme aufgrund ihrer vielfältigen sozialen Interaktionen zu mögen – und dann nicht in ein Kino gehen zu wollen, um diese Interaktionen im entsprechenden Rahmen zu sehen? Was nützen riesige Werbewände für Streamingproduktionen in U-Bahnhöfen, wenn sie uns zuraunen: „Das ist eine tolle Serie. Schau sie dir möglichst sofort alleine zuhause an!“ Im Ernst?! Dass diese Plakate, etwa für die Netflix-Serie „Wednesday“, dann mitten in der Stadt als „weinende Außenfläche“ Effekte zeigen und zur Mini-Kinovorstellung werden, ist eigentlich Werbung fürs Kino. „Bleib lieber hier in der Stadt und geh mal wieder ins Kino!“
Fragt man Filmfans, warum sie sich bestimmte Filme kaufen oder nochmal ansehen, dann verbinden viele diese Filme mit einem Kinoerlebnis. Die Film-Podcasts und -Talks des Internets platzen vor Retro-Momenten. Selbst die Streamingserien spielen mit Kinoinhalten der Vergangenheit – und haben begründete Angst vor der plötzlichen Bedeutungslosigkeit. Ein paar Wochen spricht man von einer Serie, dann ist sie durch. So wie früher ein aktueller Kinofilm – nur dass Kinofilme, auch die, die man nicht besucht hat, länger im Gedächtnis bleiben. Von manchen hat man nur ein Plakat oder den Titel im Gedächtnis, hat nur einen Trailer oder ein einzelnes Bild gesehen. Aber sie gingen durch einen Ort, den man Kino nennt – und werden durch diesen Ort, an dem seit Jahrzehnten jeden Tag gehämmert, durchgefegt und dekoriert wird, unsterblich.
Das Drumherum eines Films, an dem viele unterschiedliche Menschen abseits des lauten, egozentrischen News-Alltags mitgearbeitet haben, zählt sehr wohl. Und Filme sind und bleiben Geschenke, die man nicht heimlich zu Hause auspacken sollte.
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