Filme sind eigentlich kaum denkbar, ohne dass in ihnen auch Räume inszeniert werden. Das betrifft nicht nur das klassische Kammerspiel, das mehr als jedes andere Genre mit Theateraufführungen vergleichbar ist. Räume spielen in zahlreichen anderen filmischen Konstellationen wichtige Rollen, die nicht immer explizit ausformuliert sein müssen. Denn über das Zuhause einer Filmfigur kann unterschwellig jede Menge erzählt werden. Welcher sozialen Klasse gehört ein Charakter an, was verrät uns sein Wohnraum über dessen Eigenheiten, wie werden dort mitunter auch Geschlechterverhältnisse vermittelt? Im Mai startet im Filmforum die neue Ausgabe der Reihe Filmgeschichten, die in neun Programmen bis zum Jahresende wieder unter einem einheitlichen Motto steht: „Träume von Räumen – Wohnraum im Film“. Die Filme werden stets durch Filmkritiker oder -wissenschaftler eingeleitet und in ihren historischen Kontext gebracht. Von 1930 bis 2019 reicht dabei die Produktionszeit der Filme, die es mitunter zu großen Klassikern gebracht haben, oder eher Geheimtipps sind, die es zu entdecken lohnt.
Den Auftakt macht am 21. Mai Billy Wilders „Das Appartement“, in dem ein New Yorker Versicherungsangestellter (Jack Lemmon) seinen Vorgesetzten seine Wohnung zur Verfügung stellt, damit diese dort ihre Schäferstündchen mit ihren Geliebten abhalten können. Was es bedeutet, sein Zuhause unverschuldet zu verlieren und dadurch sozial abzusteigen, hat Slatan Dudow 1932 in „Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt“ unter die Lupe genommen. Der Film spiegelt die Auswirkungen der damaligen Weltwirtschaftskrise wider und hat knapp einhundert Jahre später wieder eine erschreckende Aktualität bekommen (18.6.). Dass Räume nicht immer nur ein Zeichen von Individualität sein müssen, sondern durch ihre Konformität und Sterilität auch etwas Erschreckendes haben können, wusste Jacques Tati bereits 1967, als er mit „Playtime –Tatis herrliche Zeiten“ eine Stadt der Zukunft beschrieb, in der seine eher altmodisch konzipierte Kultfigur des Monsieur Hulot zu scheitern droht (9.7.).
Das im September angesetzte Programm „Globale Nachbarschaft(en)“ vereint drei Kurzfilme aus den Jahren 1971 bis 1980, in denen auf dokumentarische Weise Siedlungen in München, Paris und der DDR vorgestellt werden, die von Menschen der unterschiedlichsten Nationalitäten geprägt sind – zumeist Gastarbeiter:innen, die sich in diesen ghettoähnlichen Wohnräumen trotz widriger Umstände Elemente ihres früheren Zuhauses bewahrt haben (10.9.). Die beiden neuesten Produktionen der diesjährigen Filmgeschichten, beide aus dem Jahr 2019, sind an den beiden Terminen im Dezember zu sehen. Am 3. Dezember ist das der mit vier Oscars ausgezeichnete südkoreanische Film „Parasite“ von Bong Joon Ho, der den gewitzten Aufstieg der Familie Kim im Haus der reichen Familie Park behandelt. Den Abschluss bildet am 17. Dezember der titelgebende Dokumentarfilm „Träume von Räumen“ von Matthias Lintner, der sich mit der Kleinen Bremer Höhe in Berlin beschäftigt, einem unsanierten Arbeiterquartier, das Künstlern, Punks und Rentnern als Refugium dient.
Filmgeschichten: Träume von Räumen | 21.5. - 17.12. | Filmforum NRW | 0221 22 12 44 98
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