Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Ein Faulenzer,, wie er im Buche steht: „Chapeau Claque“ von Ulrich Schamoni
Foto: © Ziegler Film

Streuner, Gammler und Slacker

25. Februar 2016

Filme aus über 80 Jahren widmen sich dem „Müßiggang“ – Festival 03/16

Seit dem Frühjahr 2015 präsentiert das Filmforum NRW seine ganz eigenen „Filmgeschichten“. In drei zusammenhängenden Reihen geht das Programm drei unterschiedlichen Lastern nach. Den Anfang machte das „Spiel“ gefolgt vom „Geld“. Wenn es mit den ersten beiden Aspekten gut läuft, könnte man sich genüsslich dem „Müßiggang“ hingeben, es geht aber auch ohne Geld. Wie unterschiedlich das aussehen kann, erforscht die Reihe nun in ihrer dritten Staffel. Die Zusammenstellung ist wieder erfrischend unbeschränkt, umspannt über 80 Jahre Filmgeschichte, verschiedene Genres, wechselt von Mainstream zu Autorenfilm und streift auch Experimente.

Das Naheliegendste ist nicht unbedingt verkehrt: Und so startet die finale Staffel mit Fellinis „Die Müßiggänger“ (Do 10.3. 19 Uhr) von 1953, der eine Clique unentschiedener Kleinstadtbewohner am Anfang ihres Erwachsenenseins beobachtet. Es folgt mit Robert Siodmaks und Edgar G. Ulmers „Menschen am Sonntag“ (So 20.3. 15 Uhr) ein Blick in die Stummfilmzeit (der Film wird mit Klavierbegleitung vorgeführt): Der Film begleitet ganz unspektakulär die Vergnügungen zweier junger Frauen mit zwei Männern, die sich für einen Tag am See verabreden. Ein leichtes, sinnliches Vergnügen, ganz untypisch für seine Zeit und von dokumentarischer Anmutung, ist der Film noch ganz unberührt von dem Schrecken, der kurz darauf Deutschland ergreifen wird. „Tausendschönchen“ (Do 14.4. 19 Uhr), ein tschechischer Experimentalspielfilm von 1966, zeigt hingegen zwei junge Frauen, die die Welt lustvoll vorführen, attackieren, zerlegen: Anarchie! Eric Rohmers ein Jahr später entstandener Film „Die Sammlerin“ (Do 12.5. 19 Uhr) beobachtet zwei junge Männer und eine Frau, die in einer Villa am Meer die Zeit totschlagen und umeinander herum kreisen. Einem zeitgenössischen Kritiker erschien der Film „wie von einem anderen Stern, aus einer anderen, späteren Zeit“. Ein Blueprint des Slackerfilms ist May Spils‘ wiederum ein Jahr darauf entstandener Film „Zur Sache, Schätzchen“ (Do 9.6. 19 Uhr) von 1968 – offenbar eine gute Zeit für Müßiggänger. Wie Werner Enke um Uschi Glas scharwenzelt, ist unvergesslich und der Film ein großer Fundus für coole Sprüche. Es schließt sich ein weiterer deutscher Gammlerfilm an: Ulrich Schamoni stellte uns 1974 als Regisseur und Hauptdarsteller einen Privatier in einer Villa vor, der demonstrativ und ohne sein Domizil zu verlassen in den Tag hinein lebt und sich damit den Zwängen der Gesellschaft entzieht („Chapeau Claque“, Do 25.8. 19 Uhr). Auch Jim Jarmuschs Protagonist in seinem Debüt „Permanent Vacation“ (Do 8.9. 19 Uhr) von 1980 entzieht sich der Gesellschaft, allerdings nicht räumlich: Er streunt durch das Brachland eines desolaten New Yorks. In John Hughes‘ erfolgreicher Teeniekomödie „Ferris macht blau“ (Mi 5.10. 19 Uhr) treffen sich 1986 auf höchst unterhaltsame Art Anarchismus und Hedonismus, Widerstand und Lebenslust. Mit „The Big Lebowski“ (Do 10.11. 19 Uhr) von den Coen-Brüdern wird dann an einen etwas lakonischen und fatalistischen Tonfall aus den 90er Jahren erinnert, den Paolo Sorrentino mit seinem bildgewaltigen Film „La Grande Bellezza“ (Do 8.12. 19 Uhr) von 2013 als Abschluss der Reihe elegant fortführt.

Alle Vorführungen werden begleitet von Einführungen von Filmkritikern und -historikern, sämtliche Filme werden im originalen Filmformat gezeigt. Das Schulkinoprogramm „Schule des Sehens“ ergänzt die Reihe um ein didaktisches Modul, für das einige der genannten Filme, aber auch andere, kindgerechte Filme für Schulklassen ausgewählt wurden.

Filmgeschichten: Müßiggang | 10.3.-8.12. | Filmforum NRW | www.filmforumnrw.de

Christian Meyer

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24

Der Atem des Films
Das Festival „Edimotion“ holt die Monteure des Films ins Rampenlicht – Festival 10/23

Grenzüberschreitende Geschichten
Filmforum NRW mit eigener Filmreihe „Grenzgänge“ – Reihe 04/23

Von wegen: No Future!
Das Afrika Film Festival blickt nach vorne – Festival 09/22

Eins, zwei, drei
Filmforum eröffnet den nächsten Zyklus der „Filmgeschichten“ – Reihe 05/22

Vom Kolonialismus zum Postkolonialismus
18. Afrika Film Festival blickt auf Historie und Gegenwart – Festival 09/21

Tabula rasa
Eine Reihe zu filmischen Manifesten – Reihe 04/20

Erkundung der Kinolandschaft
Eine Filmreihe widmet sich den „Mythen der Wildnis“ – Festival 03/19

Radikaler Kunstvermittler
Filme von James Scott zur Ausstellung Hockney/Hamilton – Festival 02/19

Spuren in die Gegenwart
Filmreihe blickt auf Pogromnacht in Köln und ihre Folgen – Kino 11/18

Kino-Kontinent
Zehn Tage für den afrikanischen Film – Festival 09/18

Zukunft des Kinos
ifs-Begegnung „Film und Kunst nach dem Kino“ im Filmforum – Foyer 04/18

Festival.

Hier erscheint die Aufforderung!