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Geben und Nehmen


POLITIK-LABOR – Ein Thema, drei Schwerpunkte: Aufmacher, Interviews, Europa-Artikel, Glosse und Lokaltexte aus Köln, Wuppertal und dem Ruhrgebiet

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Composing: Robert Michalak
 

Geben und Nehmen / Welche Gesellschaft wollen wir?
Intro (Link zur Langfassung)

Wer will schon als gierig gelten? Es ist selbstverständlich, dass selbst Konzerne ihr Profitstreben adeln, indem sie ihre gesellschaftliche Verantwortung hervorheben. Demnach zockt noch der letzte Spekulant zum Wohle aller, erweist sich Nächstenliebe als Motor des Kapitalismus – der doch Solidarität und Ökosysteme zerstört. Tatsächlich sind nicht die Motive einzelner Menschen ausschlaggebend für kapitalistische Verheerungen. Sondern es sind finanzpolitische Regeln, die Profitwachstum um jeden Preis fordern. Diese Regeln sind zwar menschengemacht und zu überwinden – das wird aber nicht erreicht, indem man über die Geisteszustände ihrer Verteidiger spekuliert; sogar dann nicht, wenn der Vorwurf der Gier zutrifft. Indes, wer als gierig bezeichnet wird, kontert gerne ebenfalls gleichsam psychologisch mit dem Vorwurf des Neids – als könnten nur unreife Menschen enthemmtes Profitstreben kritisieren. Im Monatsthema GEBEN UND NEHMEN gehen wir diesem Streit nach.

Geben und Nehmen / Welche Gesellschaft wollen wir?
Teil 1: Mehr als haben

Wachsen oder untergehen sind die Alternativen für Unternehmen in sämtlichen Branchen. Engst damit verbunden sind bestehende Monopole, gegen die kaum noch anzukommen ist, sowie die täglichen Gewinnerwartungen von Aktionären, die an dem Geschäft, mit dem sie „im Schlaf“ ein Vermögen machen, in der Regel keinen Anteil nehmen. Für bessere Chancen- oder Verteilungsgerechtigkeit sind schnell Maßnahmen ausgesprochen, keineswegs aber beschlossen oder umgesetzt. Stattdessen werden Profite weiterhin privatisiert, Schäden hingegen genauso vergesellschaftet wie wiederholt die Rettung ausgerechnet jener „gierigen“ Unternehmen. Welche Marktmechanismen stehen einer fairen Wirtschaft entgegen? Gegen welche lässt sich am ehesten etwas tun? Wie „bescheiden“ kann eine Wirtschaft überhaupt sein?

Geben und Nehmen / Welche Gesellschaft wollen wir?
Teil 2: Mehr als aufrecht gehen

Mit der Stammesgeschichte des Menschen lässt sich scheinbar alles erklären: dass Frauen schlecht einparken können oder die „Kernfamilie“ eine „natürliche“ Ordnung ist. Die Forschung betont dagegen, dass die Evolution die Individuen einer Population mit unterschiedlichsten Eigenschaften versehen hat, die sich je nach äußeren Umständen unterschiedlich bewähren können. Nach einem Gen(komplex) für Gier zu suchen, ist müßig – materielle Bedingungen, die gieriges Verhalten fördern, lassen sich hingegen bestimmen. Die Versuche, eine Gesellschaftsordnung zu naturalisieren, gehen offenbar nicht auf. Gibt es Beispiele für Gesellschaften, die die kompetitiven und karitativen Potentiale einer Bevölkerung ausgewogener nutzen?

Geben und Nehmen / Welche Gesellschaft wollen wir?
Teil 3: Mehr als das Ich

Die Überzeugung, sich nicht bescheiden zu müssen, scheint zunehmend verbreitet, sei es beim Hamstern von Toilettenpapier, beim Belegen zweier Parkplätze, bei der regelmäßigen Kreuzfahrt oder bei der alltäglichen Diskussion um Sozialhilfe oder Kindergeld. Dazu reihen sich Weltwirtschaftskrisen, eine Pandemie, ein kriegsbedingter Preisschock und ein Klassismus, der mittlerweile sogar die Mittelschicht existentiell bedroht. Ist es nun paradox oder konsequent, wenn eine auf Ungleichheit zielende Politik, rechte Parteien und Demokratieverächter, umso mehr Zuspruch erfahren? Kann es genug sein, wenn andere wenigstens noch weniger haben als man selbst? Warum lassen sich Konkurrenz und Neid so viel leichter motivieren als Solidarität (die es freilich auch gibt!) – auch an der Wahlurne?

Geben und Nehmen / Welche Gesellschaft wollen wir?
Teil 4: Europa gestalten – Vorbild Spanien

Eine Industriegenossenschaft, die zum zehntgrößten Unternehmen Spaniens avanciert ist – das ist keine sozialistische Märchengeschichte, sondern die Mondragón Corporación Cooperativa (MCC). Den Arbeiter:innen gehören Unternehmensanteile und sie gestalten ihr Unternehmen aktiv mit – mit dem Anspruch, soziale und ökologische Interessen zu berücksichtigen. MCC wurde 1956 offiziell gegründet und befindet sich seitdem in den Händen ihrer Arbeiterschaft. Damit gelten diese als assoziierte Kleinproduzenten:innen und profitieren direkt von den Unternehmensgewinnen. Darüber hinaus will MCC nachhaltiger werden. Laut dem Jahresreport 2022 werden zu 80 Prozent erneuerbare Energien bezogen.

Geben und Nehmen / Welche Gesellschaft wollen wir?
Teil 5: Glosse – Die Reichen sind geizig und die Armen neidisch. Klare Sache?

Neid und Geiz sind zwei Seiten einer Medaille. Oder waren es Geiz und Gier? Ja, stimmt, so herum war es. Denn wer besitzt, der mag geizig und gierig sein, während Neid denjenigen vorbehalten ist, die zu faul sind, gierig zu sein, und zu schlecht mit Geld umgehen können, als dass sie glaubwürdigen Geiz an den Tag legen könnten. Denn wären sie geizig und gierig, wären sie ja nicht arm und würden nicht voller Neid unverschämt und unverhohlen fordern, von unsereins beschenkt zu werden. Dabei sind wir, wohlgemerkt, nicht zwingend geizig und gierig. Mein Konzern ist zum Beispiel äußert freigiebig. Die letzten Bonuszahlungen ans Management waren nicht vertraglich zugesichert. „Ach Wolfgang“, habe ich zu meinem Chef gesagt, „das ist doch echt nicht nötig“.

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