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Bewegend statt bewegt: Filmplakate in Paris
Foto: Claudius Sowa

Jetzt schnelldrehend: das Filmplakat

02. November 2012

Displays ersetzen in Kinos das Papierplakat - Portrait 11/12

Wer sich in Kinoschaufenstern über das aktuelle Filmangebot informieren will, braucht neuerdings flinke Augen. Denn immer mehr Kinos setzen auch abseits der Kasse auf Displays. Bildschirme spielen digitale Plakate samt Trailern und Anfangszeiten ein, Kinobesucher werden bereits im Foyer flächendeckend mit bewegten Bildern bombardiert. Wo früher Papierplakate 24/7, also auch nachts, buchstäblich feststeckten, dekorieren sich ihre digitalen Nachkommen alle paar Minuten neu – und natürlich nur während des Kinobetriebs.

Veränderung der Kinofoyers
Das digitale Plakat ist die logische Folge diverser Marktentwicklungen. Zum einen hat sich die Filmdekoration im Kino seit den späten achtziger Jahren erheblich verändert, was jeder weiß, der sich an die sogenannten Aushangfotos erinnert, die jahrzehntelang gemeinsam mit dem Plakat in großen Schaukästen gerade unentschlossene Gäste zum Ticketkauf verführten. Mit dem Siegeszug der Multiplexe wurde die Materialkombi aus Plakat und Bildern obsolet, riesige Glasflächen und Snackbars nötigten der Filmwerbung an Geländern aufhängbare Vinylbanner, Mobiles oder Bodenaufkleber ab. Seit einige Kinoketten sich auch Indoor-Werbung bezahlen lassen, ist die Selbstverständlichkeit, neue Filme aus eigenem Antrieb möglichst schön anzukündigen, praktisch tot. Der dank meterhoher Wände mitunter waghalsige Beruf des Dekorateurs ist verschwunden, Kassenmitarbeiter rollen allenfalls Banner aus oder pressen A1-Plakate in enge Rahmen über dem Eingangsportal. Ausnahme sind Gottseidank die Filmkunstkinos, die weder das Wort Film noch das Wort Kunst mit den Ablenkungstaktiken Trailerbombardement und Krevettencocktail in Deckung bringen – und stattdessen lieber ein paar Motive und Informationen mehr aushängen oder stilbildende Poster zur zeitlosen Wanddekoration verwenden.

Computerdesign
Der Hauptgrund für das Misstrauen gegenüber statischer Filmwerbung liegt allerdings bei den Plakatmotiven selbst. Es ist kein Geheimnis, dass das Design zeitgenössischer Blockbusterplakate längst nicht mehr an die Brillanz früherer Zeiten anschließen kann und deswegen, wie es Hollywood-Aufsteller immer schon machten, mithilfe zuckender Blitze und lauter Geräusche um Aufmerksamkeit buhlt. Ein Blick auf den aktuellen Bond-Poster zu „Skyfall“ reicht, um festzustellen, dass das Computerprogramm Photoshop Plakatmaler wie Bob Peak, Renato Casaro, Richard Amsel oder Tom Chantrell kaum ersetzen kann. Besonders schlimm trifft es im Januar ausgerechnet Retrofan Quentin Tarantino, dessen „Django Unchained“ ein fürchterliches Hauptmotiv abbekommen hat – bezeichnenderweise von der Agentur, die in den achtziger Jahren das unvergessliche Artwork zu „Die rabenschwarze Nacht“ schuf. Solche Ödnis lässt man am besten alle paar Minuten verschwinden und wieder auftauchen, um Diskussionen über die Leistung der Kreativagentur klein zu halten und die eigentliche Marketingarbeit Trailern, Anzeigen, Presseberichten und Social-Media-Tools zu überlassen. Wo Filmplakate als wichtigstes Werbemittel vor Jahrzehnten möglichst eindringlich Aktion und Bewegung herstellen mussten, man denke an die kühnen Ganzkörperdarstellungen Casaros oder an die in Nebenmotiven arrangierten Explosionen und Prügelszenen der Bond-Filme, holen sich die oftmals nur aus langweiligen Headshots zusammengepixelten Plakate der Jetztzeit gerne viele Freunde, sprich Motivserien und handfeste Trailer, mit aufs Display, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen.

Werbemittel Nummer Eins
Nichtsdestotrotz: Das Filmplakat wird der unverwechselbare Icon eines Films bleiben. In einer zunehmend mit Bildern um sich werfenden Nachrichten- und Medienwelt werden sorgfältig arrangierte, über Jahre wirksame Artworks wichtiger denn je sein, wenn der Film nicht im Einerlei des täglichen Boulevard-Celebrity-Facebook-Unfugs untergehen soll. Das Plakat, ob bewegt oder nicht, muss zuallererst den Betrachter bewegen und zum Träumen bringen. Wer das Hauptplakat eines Films zukünftig in Ruhe studieren will, vertieft sich dann entweder in klassische Anzeigenwerbung oder besucht, paradoxerweise, das Internet. Einerseits listen dort diverse Liebhaberseiten die neuesten Filmplakate ohne ständigen Bildwechsel. Andererseits bestehen viele mit spärlichem Werbeetat ausgestattete Filmwebsites nur aus dem Plakatmotiv – weil sich der Verleih weitere Animationen nicht leisten wollte. Im Kino selbst, vor allem im Multiplex, wird das Betrachten eines Posters zunehmend ein Puzzlespiel sein. Wer vor Ort einen neuen Film erfassen will, braucht etwas, was Kinobesitzer bislang nur im Saal oder an der Kasse von ihren Kunden einforderten: Geduld.

Jules Lux

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