Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Dosenfleisch“
Foto: Thomas Wenzel

Delirium der Sprache

28. April 2016

„Dosenfleisch“ in der Orangerie – Theater am Rhein 05/16

Ferdinand Schmalz ist ein Autor, wie ihn nur die unaufhörlich köchelnde Ursuppe österreichischer Sprachartistik hervorbringen kann. Seinen Wittgenstein hat er gefressen und unterfüttert damit seine extrem rhythmisierte, alliterierende, mit Doppeldeutigkeiten durchzogene, hochgezüchtete Sprache – die in seinem neuen Stück auf die triviale Realität des Verkehrs trifft. Auf die Autobahn, genauer gesagt. Die Welt ist alles, was der (Un-)Fall ist. Und das „Dosenfleisch“ ist nichts anderes als der zum Press-Fleisch verdichte menschliche Körper in einem crashenden Pkw. Schmalz versammelt an einer Raststätte einen philosophierenden Fernfahrer sowie den Versicherungsvertreter Rolf, der den beiden Betreiberinnen und Unfallprovokatorinnen Beate und Jayne auf die Schliche kommen will.

In der Orangerie sind mehrere Blechtonnen, einen Hochsitz für den Fernfahrer und ein Kühlschrank für die Leichen aufgebaut. Die Figuren werden von Regisseur Thomas Wenzel in Extreme aufgespreizt: Janosch Roloff spielt einen sehr verhuschten, manisch in Statistiken verlieben Rolf, Claudia Holzapfel flötet als monroehafte Barbiepuppe Jayne, während Anne K. Müller die Beate mit düster stampfender Brutalität spielt. Doch schon mit den ersten Worten von Felix Höfner als Fernfahrer ist klar, dass die Regie sich gegen die Musikalität des Textes eher wehrt. Sie versucht, trotz aller grotesker Zurichtung der Figuren den Boden der Raststätten-Tatsachen nicht vollends zu verlassen. Versucht, Haltungen für die Figuren zu finden, anstatt der Artistik der Sprache nachzugeben. So wird der Abend von Beginn an schwerfällig und mühselig. Die Verweise auf den Splatterfilm, auf Religiöses, das Spiel mit philosophischen Verweisen versanden im Zufälligen und Beiläufigen – Schmalzens Delirium der Sprache, ihr Berauschtsein von sich selbst, ihr unablässiges Bedeutungstremolo findet in der szenischen Deutung des Rose-Theegarten-Ensembles nicht nur keine adäquate szenische Entsprechung, sondern letztlich keinen Resonanzraum.

„Dosenfleisch“ | R: Thomas Wenzel | Mi 8.6., Do 9.6. 20 Uhr | Orangerie | 0221 32 78 17

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24

Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24

„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24

Getanzter Privilegiencheck
Flies&Tales zeigen „Criminal Pleasure“ am Orangerie Theater – Prolog 09/24

Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24

Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24

Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24

Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24

„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24

Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24

Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23

Trauma und Identität
„Mein Vater war König David“ in Köln – Theater am Rhein 10/23

Theater am Rhein.

Hier erscheint die Aufforderung!