Theater waren immer schon Orte, die neueste technische Tools und Gimmicks im Sinne der Ästhetisierung einsetzten. Das gilt für Bühne, Licht oder Ton, das gilt genauso für die Digitalisierung oder nun auch für die KI, die allerdings Folgen haben werden. Beispiel: Das Cloning von Stimmen wird Veränderungen für die Schauspieler:innen mit sich bringen. Die Gruppe Spiegelberg hat sich für ihre neue Produktion „Loop“ nun intensiv mit KI und ihren Folgen für das Theater auseinandergesetzt: „Wir haben die KI von Beginn an“, so Günes Aksoy, „sehr bewusst eingesetzt: Wie haben damit recherchiert, Skripte geschrieben, Videos geschnitten – wir haben also mit Sprach-, Sound-, Video und Foto-Tools gearbeitet – und all das ist kein Hexenwerk“. Doch die Gruppe geht die Frage grundsätzlicher an: Ziel sei, so Marlene Meissner, eine Antwort auf die Frage, wie das Theater der Zukunft als Erfahrungsraum aussehen könnte, wenn man das Digitale und Analoge nichtals gegensätzlich begreift.
Spiegelberg beantworten diese Frage aber nicht selbst, sondern delegieren sie frech ans Publikum: „Die Zuschauer:innen durchlaufen mit begleitenden Performer:innen vier verschiedene Stationen“, erzählt Marlene Meissner, „und kreieren eine eigene kleine Performance innerhalb der Performance – sie werden dazu also angeleitet, selbst Kunstschaffende zu sein.“ Orientiert hat sich Spiegelberg dabei, so Günes Aksoy, an der Struktur der Heldenreise, wie man sie aus Mythen, Romanen und Filmen kennt.
Pro Vorstellung werden ca. 40 Zuschauer:innen einen Parcours durchlaufen, der ihnen konkrete Aufgaben stellt: So wird es darum gehen, Text, Bühnenbild und Sound für eine Performance zu entwickeln; an einer anderen Station wiederum soll diese Performance dann auch wirklich umgesetzt werden. Das klingt einerseits ein wenig nach dem Beuysschen Kunstverständnis, andererseits will Spiegelberg einen neugierigen und unvoreingenommenen Zugang zur dieser neuen Technik propagieren: „Wir wollen dazu animieren, KI spielerisch auszuprobieren, um über die Aneignung zu einem Grad der Selbstermächtigung zu kommen, der nicht nur von Angst geprägt ist“, sagt Marlene Meissner. Ein Experiment, das so spielerisch wie ironisch die Frage stellt, ob KI letztlich Kunstschaffende ersetzen und Nicht-Kreative zu kreativ Schaffenden machen kann.
Loop | R: Spiegelberg | 4. (UA), 5., 6., 7., 25., 26., 27. 28.4. | Orangerie Theater | 0221 952 27 09
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24
Getanzter Privilegiencheck
Flies&Tales zeigen „Criminal Pleasure“ am Orangerie Theater – Prolog 09/24
Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24
Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24
Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24
„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24
Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24
Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23
Trauma und Identität
„Mein Vater war König David“ in Köln – Theater am Rhein 10/23
Die extremste Form des Protests
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Prolog 10/23
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24