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Sefa Küskü
Foto: Markus J. Bachmann

„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“

11. November 2024

Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24

Am 7. Februar 2005 wird die Deutsch-Kurdin Hatun Sürücü von ihrem Bruder an einer Bushaltestelle in Berlin-Tempelhof erschossen, weil sie ihr Kopftuch abgelegt und eine Lehre begonnen hat. Die Stückentwicklung „In Liebe“ des Freien Theaterensembles C.t.201 greift den Mord an Sürücü auf und setzt sich mit Hass und Hoffnung auseinander. Ein Gespräch mit Regisseur Sefa Küskü.

choices: Herr Küskü, Ihre neue Regiearbeit „In Liebe“ setzt sich mit Hass auseinander. Ist Hass zum kleinsten gemeinsamen Nenner der Menschen geworden? 

Sefa Küskü: Ich will menschliche Emotionen zeigen – und Hass ist definitiv eine der extremen davon. Manchmal wirkt es so, als wäre Hass der kleinste gemeinsame Nenner, weil er laut und ständig präsent ist. Aber ich denke nicht, dass das der Kern des Menschseins ist, sondern vielmehr der Wunsch nach Verständnis, Nähe und Liebe. 

Wie gelingt es Ihnen angesichts von Hass und Gewalt, ein Stück über Hoffnung zu entwickeln? 

Für mich ist Theater ein Raum voller Möglichkeiten, in dem wir die menschlichen Erfahrungen erkunden können. Es ist nicht leicht, ein Stück über Hoffnung zu erarbeiten, wenn die Welt von Leid und Verzweiflung geprägt ist. Aber ich verstehe Hoffnung nicht als das Gegenteil von Verzweiflung – sie ist ein Akt des Durchhaltens. Ich möchte auf der Bühne zeigen, dass wir den Schmerz nicht ignorieren, sondern ihn spürbar machen müssen. Deshalb erzähle ich Geschichten, in denen die Figuren kämpfen – mit sich selbst, mit ihrer Umgebung und ihren Umständen. Ihre Hoffnung muss hart erkämpft werden. Es geht darum, den Zuschauern einen Raum zu bieten, ohne von der Verzweiflung erdrückt zu werden. Hoffnung bedeutet für mich, das Potential zur Veränderung zu erkennen. 

Welchen Stellenwert haben Politik und Religion in der Inszenierung? 

Sie spielen eine subtile, aber prägende Rolle. Die Themen, die wir im Stück behandeln, sind oft tief in kulturellen und religiösen Kontexten verwurzelt. Wir wollen diese Aspekte nicht überbetonen, aber sie sind Teil der Geschichten, die wir erzählen.

Der im Stück behandelte sogenannte „Ehrenmord“ an Hatun Sürücü liegt fast 20 Jahre zurück. Was hat die Gesellschaft in dieser Zeit gelernt?

Der Mord an Hatun Sürücü hat seinerzeit großes mediales Interesse erregt und eine größere Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Doch das ist bei weitem nicht genug. Es muss viel mehr darüber gesprochen werden. Es ist wichtig, Geschichten wie die von Hatun weiterhin zu erzählen. Das sollte nicht nur in einem Theaterkontext geschehen, sondern auch in der breiten Gesellschaft.

Die Premiere findet am Orangerie Theater statt, das in der Idylle des Volksparks mitten in der Südstadt liegt. Ist der Kontrast zur Tragödie so gewollt?

Das Orangerie Theater ist ein Ort, an dem es um gesellschaftlichen Dialog, Solidarität und die Freiheit der Kunst geht. Aus diesen Gründen passt „In Liebe“ gut dorthin.

Der Titel ist in den Ankündigungen kleingeschrieben. Eine bewusste Symbolik? 

Im Prozess der Entwicklung passiert selten etwas zufällig. Was für eine künstlerische Symbolik die Gestaltung des Titels hat, überlasse ich gerne der Interpretation der Zuschauenden.

Sie besetzen das Stück mit lediglich zwei Darstellerinnen. Der Mörder von Hatun und seine Mithelfer waren Männer. Wie erklärt sich deren Abwesenheit?

Die Geschichten der Männer sind für unsere Arbeit nicht relevant für das Stück. Vielmehr geht es darum, den Frauen die Stimmen und den Raum zu geben. Deshalb habe ich mich bewusst für die Besetzung mit zwei Darstellerinnen entschieden. Als jemand, der selbst Teil marginalisierter Gruppen ist – queer und migrantisch – ist es mir überaus wichtig, nicht gehörten Stimmen eine Plattform zu bieten.

Wie gelingt es, die Täter angesichts ihrer Verbrechen nicht zu hassen?

Ich halte es nicht für sinnvoll, meine Energie auf die Täter zu konzentrieren. Stattdessen setze ich mich lieber aktiv mit Hatuns Erfahrungen und denen anderer Frauen auseinander, die in ähnlichen Situationen sind. Es ist mir wichtig, den Fokus auf die Betroffenen und ihre Geschichten zu legen. Hass ist eine lähmende Emotion.

In Liebe | 21., 22., 23.11. je 20 Uhr, 24.11. 18 Uhr, weitere Termine in 2025 | Orangerie Theater | 0221 952 27 07

Interview: Thomas Dahl

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