Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
6 7 8 9 10 11 12
13 14 15 16 17 18 19

12.580 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Marcus Krone und Kristina Geßner
Foto: Thomas Dahl

„Es geht schlichtweg um alles“

06. Januar 2025

Regisseur Marcus Krone und Schauspielerin Kristina Geßner über „Am höchsten Punkt“ in der Orangerie – Premiere 01/25

Die Abschlussproduktion der Theaterakademie Köln basiert auf der Steglizer Schülertragödie von 1927: Der 18-jährige Paul Krantz und der 19-jährige Günther Scheller schlossen einen Mord- und Selbstmordpakt, bei dem sie und zwei weitere Menschen sterben sollten – darunter ein junger Mann, in den Scheller verliebt war. Während Scheller seinen Teil der Abmachung einlöste, entschied sich Krantz dagegen.

choices: Herr Krone, wo und wie hoch liegt der „höchste Punkt“?

Marcus Krone (MK): Sehr hoch und überall dort, wo es zu Extremsituationen kommt.

Sie versammeln die Figuren des Stücks auf einer Party in einem Landhaus. Derartige Treffen sind vorhersehbar. Es wird getrunken, vielleicht werden andere Drogen konsumiert. Es entstehen Begehren und Eifersucht, die Stimmung kippt. Was ist in Ihrer Inszenierung anders?

MK: Es geht nicht „nur“ um verletzte Gefühle, sondern um schlichtweg alles. Für diese Jugendlichen steht ihre Existenz auf dem Spiel. Es kommt eine Todessehnsucht auf. Die Situation eskaliert.

In der Ankündigung warnen Sie vor möglichen Triggern. Stichwörter sind Suizid, Mord, sexuelle Übergriffigkeit, Homophobie. Das ist täglich im Fernsehen und in den Sozialen Netzwerken zu sehen. Kann das noch erschüttern?

MK: Da hat sich seit den Aufführungen in der Antike von den Inhalten nicht viel verändert. Der Umgang mit den Stoffen ist jedoch anders und berücksichtigt eventuelle Gefahren für das Publikum. Damit wollen wir in keinster Weise Werbung machen, um das Interesse am Stück zu schüren. 

Als Vorlage für das Stück dient die Steglizer Schülertragödie aus den 1920er Jahren. Wie aktuell ist die Geschichte?

MK: Der öffentliche Umgang mit dem Thema sexuelle Orientierung war damals intensiv. In der Öffentlichkeit kam es schnell zur Vorverurteilung der Beteiligten in Täter und Opfer. Das entwickelte sich zu einer Hexenjagd und weist Parallelen zur Gegenwart auf, in der Menschen über soziale Netzwerke diffamiert werden.

Kristina Geßner (KG): Ich bin überrascht, wie aktuell das Stück ist. Gerade der Rauschfaktor und die zunehmende Gewalt bei jungen Menschen können sich auch in der heutigen Zeit so abspielen.

Die Ensemblemitglieder werden in Kürze ihre Ausbildungen an der Theaterakademie Köln (TAK) abschließen. Welche Stärken bringt so ein eher unerfahrenes Team mit?

MK: Eine totale Neugierde und Spiellust. Es ist eine große Freude für mich, das zu begleiten. Diese „Nichtroutine“ ist sehr spannend und erfrischend.

Wie steht es um die Berufsaussichten der Absolvent:innen?

MK: Gerade kommt es zu den Kulturkürzungen in der Freien Szene. Leichter wird es daher nicht. Man muss superaktiv sein, wenn man etwas erreichen will, also am besten noch in der Ausbildung Kontakte knüpfen und Bewerbungen schreiben.

Locken da Kurzauftritte in der Werbung mehr als klassische Spielrollen?

KG: Das kommt immer auf die Person an. Ich möchte mich breit aufstellen und auch als Sprecherin arbeiten. Dafür habe ich bereits einen Kurs belegt. Ich kenne auch Kolleg:innen, die in der Werbung tätig sind. Das ist vielleicht das schnellere Geld, aber für mich liegt der Fokus ganz klar auf der Schauspielerei.  

Welche unerwarteten Hürden mussten Sie nach der Ausbildung überwinden, Herr Krone?

MK: Die erste Hürde war für mich, überhaupt zum Vorsprechen eingeladen zu werden. Das war eine ganz ungewohnte, unangenehme Situation, in die ich erst hineinwachsen musste. Es war etwas vollkommen anderes, vor den vertrauten Dozierenden an der Schule zu sprechen.

Zwischen dem höchsten und niedrigsten Punkt liegt die Strecke. Welche Werte haben Sie dort gefunden?

MK: Der Kontakt zu anderen Menschen, zu den Kolleg:innen und zum Publikum hat mich immer beflügelt. Das gemeinsame Arbeiten mit anderen gibt mir wahnsinnig viel Kraft.

KG: Die Ausbildung ist mit mir stark persönlich verknüpft. Dabei sind die Themen „Loslassen“ und „Selbstvertrauen“ sehr wichtig gewesen. Das ist nichts Abgeschlossenes, sondern läuft weiter. Durch die Schauspielausbildung habe ich mich menschlich weiterentwickelt. Es geht darum, auch mal gegen seine Natur zu agieren und dabei neue Möglichkeiten zu entdecken.

Am höchsten Punkt | 31.1., 1., 6., 7.2. je 20 Uhr, 2., 8.2. je 18 Uhr | Orangerie Theater | 0221 952 27 07

Interview: Thomas Dahl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

September 5 - The Day Terror Went Live

Lesen Sie dazu auch:

„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24

Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24

„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24

Getanzter Privilegiencheck
Flies&Tales zeigen „Criminal Pleasure“ am Orangerie Theater – Prolog 09/24

Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24

Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24

Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24

Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24

„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24

Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24

Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23

Trauma und Identität
„Mein Vater war König David“ in Köln – Theater am Rhein 10/23

Premiere.

HINWEIS