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Tim Mrosek
Foto: Daniel Burgmüller

„Andere Realitäten schaffen“

28. November 2024

Dramaturg Tim Mrosek über „Kaputt“ am Comedia Theater – Premiere 12/24

Bei seinem Gastspiel am Comedia Theater zeigt die Studiobühneköln den Abschluss ihrer Trilogie „Words don‘t come easy“ über Sprache und ihre politischen Folgen: „Kaputt“ behandelt das Ende des Kapitalismus. Ein Gespräch mit Dramaturg Tim Mrosek.

choices: Herr Mrosek, was ist kaputt in „Kaputt“?

Tim Mrosek: Kurz gesagt: alles. Das Stück spielt an einem Nicht-Ort, bezieht sich aber auf unsere soziale und politische Gegenwart. Als wir recherchierten, war Trump noch nicht wiedergewählt, die Ampel noch „intakt“ und VW hatte seine Arbeiter:innen-feindlichen Pläne noch nicht vorgestellt. Kaputt war aber schon einiges. Es droht auch das irreparablen Schaden zu nehmen, was bisher als funktionierende Demokratie wahrgenommen wird. Von dieser Annahme aus entwickelt sich die Handlung. Die Figuren stellen die Fragen unserer Zeit: Kann es ein Ende des Kapitalismus geben? Wird es zum Kapitalismus ohne Demokratie kommen?

Können wir die Gegenwart reparieren?

Die Frage ist, ob bestimmte Zustände wiederhergestellt werden sollten oder ob es nicht ratsamer im Sinne einer universalistischen und humanistischen Perspektive wäre, andere Realitäten zu schaffen.

In „Kaputt“ treffen sich fünf Personen auf einem „Friedhof der Heimatlosen“. Sie wollen ans „Ende“ weiterreisen. Ist jener Ort zwingend für einen Neuanfang?

Ob das Ende ein Ort ist, wissen die Figuren selbst nicht. Und ob da ein Neuanfang möglich ist, noch viel weniger. Um manche Dinge neu zu gestalten, muss anderes ein Ende finden. Das fällt uns offensichtlich sehr schwer.

Die Produktion ist der Abschluss der Trilogie „Words don‘t come easy“. Nach „Dreckstück“ und „Total“ in 2021 und 2023 nun „Kaputt“. Das unsaubere Objekt ist demnach komplett zerstört. Was bleibt dann noch übrig?

Es freut mich, dass Sie erkannt haben, was sich aus den drei Produktionstiteln ergibt. In allen drei Produktionen geht es um Sprache und ihre politischen Auswirkungen, vor allem ihre verletzenden und zerstörerischen. Was jetzt übrig bliebe, wäre die Schönheit der Sprache zu feiern und achtsam zu kommunizieren.

Ist es für das Verständnis des dritten Teils wichtig, die ersten beiden gesehen zu haben?

Die drei Teile stehen jeweils für sich, können aber auch im Zusammenhang betrachtet werden. Ich würde gerne alle drei Abende in einer Woche hintereinander zeigen, bezweifle aber, dass dies bei den Kürzungen, die bundesweit im Kulturbereich drohen, möglich ist. 

Die Ankündigung zum Drama und seine Aufführung an der Comedia deuten eine gewisse Heiterkeit an. Braucht es den Humor, um die „Katastrophe Mensch“ begreiflich zu machen?

Wir sind sehr froh, bei den Kolleg:innen der Comedia spielen zu können, würden das aber viel lieber in der Studiobühneköln tun, die leider nach wie vor kein eigenes Haus hat. Was die „Katastrohe Mensch“ angeht – um einmal den Songtext (des Songs „Antimanifest“, Anm. d. Red.) von … But Alive zu zitieren: „Ich bin für einen Humor, der den Wahnsinn kompensiert.“ Ein Leben ohne Humor, Ironie und durchaus auch Zynismus ist nicht auszuhalten. Allerdings reicht das nicht. Über so etwas wie die mittlerweile 1,5 Milliarden Euro für die immer noch nicht abgeschlossene Sanierung der Oper im Vergleich zu angedrohten Kürzungen in der unterfinanzierten Freien Szene mag Mensch zwar aus Notwehr lachen, die dahinterstehenden Vorgänge müssen aber mit größter Ernsthaftigkeit von der Stadtgesellschaft betrachtet werden.

Der Abgesang auf die Zivilisation und ihre oftmals ungerechten Systeme hat in den bildenden und darstellenden Künsten Tradition. Doch so etwas verbraucht sich. Wie vermeiden Sie das im neuen Stück?

Ich glaube nicht, dass sich das verbraucht. Vielmehr braucht es das immer wieder. Ein nihilistischer Ansatz kann künstlerisch anspruchsvolle Früchte tragen, was unlängst unsere Freund:innen von Analog mit ihrer Produktion „Save the planet – kill yourself“ eindrucksvoll bewiesen haben. Es kommt darauf an, zu welchem Zeitpunkt welcher Zustand der Zivilisation wie betrachtet und künstlerisch kommentiert wird.

Eine abschließende Frage: Welches Kaputtmachen haben Sie in ihrem Leben bisher am meisten genossen? 

Das gelegentliche Zerstören von Gegenständen kann durchaus kathartische Wirkung entfalten.

Kaputt | P: Tim Mrosek, Comedia Theater, Studiobühneköln | 5. (P), 6., 7., 8.12., weitere Termine im Februar 2025 | Comedia Theater | 0221 88 87 72 22

Interview: Thomas Dahl

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