Lichtprojektionen durchbrechen die Dunkelheit auf der Bühne und verleihen der Szenerie um die Schauspieler:innen herum eine mystische Atmosphäre. Janine D‘Aragona steht auf einem großen Gerüst, während Peter Stephan Herff am Boden umhergeht – ein starkes Bild mit einem großen Gefälle, das gleich zu Anfang zeigt, worum es geht: Macht.
Markolf Naujoks Inszenierung von Ödön von Horváths Roman „Jugend ohne Gott“ (1937) über persönliche Verantwortung in einem totalitären System ist nicht nur eine gelungene literarische Adaption. Sie ist ein Weckruf. Eine Lehrerin (im Original ein Lehrer) unterrichtet eine Generation von Jugendlichen, die Gehorsam und Rassenideologie verinnerlichen. Obwohl – oder gerade weil – diese den Ersten Weltkrieg nicht erlebt haben, sind sie von Kriegshelden fasziniert. Sie sind orientierungs- und empathielos, Zivilcourage ist für sie ein Fremdwort. Ein Mord im Zeltlager wird zum Wendepunkt. Er stellt die Charaktere vor die Entscheidung: Bin ich laut oder leise? Bringe ich mich in Gefahr oder schweige ich, obwohl Unschuldige leiden?
Naujoks nutzt Musik, Licht und Nebel nicht nur als atmosphärische, sondern als dramaturgische Mittel, die den inneren Kampf der Figuren verstärken. Besonders bemerkenswert ist die Wandelbarkeit der beiden Schauspieler:innen, die mühelos zwischen verschiedenen Rollen wechseln. Angesichts wiederkehrender Muster in der Geschichte erinnert das Stück daran, dass Reflexion und Zivilcourage keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Entscheidung sind. Eine eindringliche, bedrückende und hervorragend gespielte Inszenierung, die einen noch lange nach Verlassen des Theaters beschäftigt.
Jugend ohne Gott | 8., 9., 10.4., 10., 11., 13., 14.5. | Comedia Theater | www.comedia-koeln.de
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