Warum Gott ihn alleinlässt, weiß Hiob nicht. Ähnlich unwissend stehen der Schauspieler Bert Oberdorfer, die Sängerin Dalia Schaechter und die Pianistin Theresia Renelt vor der Frage, was die biblische Figur heute mit uns und ihnen persönlich zu tun hat. Aber sie können fragen. Und das tun sie auch, in einem von Dramaturg René Michaelsen inszenierten Stück am Theater im Bauturm, vom Haus vage als „Abend“ angekündigt.
Dieser Abend beginnt als Einpersonenstück, in dem Oberdorfer als Hiob seine Geschichte erzählt. Von der Wette, die Gott und der Satan über ihn abgeschlossen haben. Von den Strafen, die sie ihm aufhalsen und von denen er nicht weiß, warum sie ausgerechnet ihn treffen, der er doch stets fromm und anständig war. Und vom Zweifel am Glauben, der sich in die trauernde Seele einschleicht. Voller Wut und Frust fragt Oberdorfers Hiob gen Himmel, warum Gott ihn mit seinem Leid alleinlässt. Dass erst Renelt am Klavier und später Sängerin Schaechter musikalisch mit fragen, deutet darauf hin, was dieser Abend in Wahrheit ist.
Es ist ein Abend, an dem sich drei freundschaftlich verbundene Kollegen treffen, um zu diskutieren. Eine fast wohnliche Atmosphäre kommt auf, als Oberdorfer und Schaechter sich auf den Bösendorfer lehnen, während Renelt erzählt, warum sie ausgerechnet etwas aus Franz Schuberts Deutscher Messe spielen wird. Die Stärke des Abends liegt darin, dass die drei Künstler sich auf genau die Art mit dem alten Hiob auseinandersetzen, die ihnen am nächsten ist: mit und in ihrer Kunst.
So gibt „Hiob“ den Zuschauern alte Fragen neu gedacht mit – und das auf hohem künstlerischen Niveau: Oberdorfers sitzender Hiob ist voller Bewegung, das zumeist begleitende Klavierspiel Renelts fügt sich nicht nur dem Schauspiel fließend an. Sondern auch Schaechters Gesang, der sonst an der Oper Köln zu hören ist und bei Gustav Mahlers Kindertotenliedern glänzt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Mein Bild für den Bauturm ist der Fliegenpilz“
Das Leitungsteam des Theaters im Bauturm zu dessen 40-jährigem Bestehen – Interview 10/23
Waldblütenwehen der Seelen
„HNSL/GRTL“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 11/22
Wieder Mensch sein dürfen
„Das Tagebuch der Anne Frank“ im Leverkusener Erholungshaus – Theater am Rhein 05/25
Macheath als Clown
„Die Dreigroschenoper“ am Theater Bonn – Auftritt 05/25
Raus ins Leben?
„Draußen“ in der Kölner Stadthalle Mülheim – Theater am Rhein 05/25
Von Un-, Zu- und Glücksfällen
„Dosenfleisch“ am Schauspiel Köln – Prolog 05/25
„Das Stück wirbelt ganz schön was auf“
Schauspielerin Sonja Baum und Regisseur Martin Schulze über „Prima Facie“ am Theater im Bauturm – Premiere 05/25
Der Übermann
„Boys don‘t cry“ in der TanzFaktur – Theater am Rhein 04/25
Zwischen den Fronten
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
Zwischen Begierde und Tabu
„Spring Awakening“ am Jungen Theater Bonn – Prolog 04/25
Die Grenzen des Theaters
„Was ihr wollt“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/25
„Wir suchen Orte der Wut und Traurigkeit auf“
Dana Khamis und Judith Niggehoff vom Jugendclub Polylux über „Trauer//Fall“ am Schauspiel Köln – Premiere 04/25
Die Zukunft lauert im Egoisten
„Der ewige Spiesser“ am Theater der Keller – Auftritt 04/25
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Freiheit oder Ausgrenzung?
„Draußen“ im Jugendpark Köln-Mülheim – Prolog 03/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
Fixer im Dienst der Wahrheit
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/25
„Ich erwische mich dabei, Stofftaschentücher zu bügeln“
Regisseur Sebastian Kreyer und Schauspieler Daniel Breitfelder über „Der ewige Spiesser“ am TdK – Premiere 03/25
Spiegelbild der Wutbürger
„Kohlhaas (Can‘t Get No Satisfaction)“ am Schauspiel Bad Godesberg – Auftritt 03/25
Skurrile Denkanstöße
„Der Tatortreiniger“ am Bonner Contra-Kreis-Theater – Prolog 02/25
De Rach vun der Fleddermus
„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25
Das Ende der Herrlichkeit
„Der Fall Ransohoff “ am Orangerie Theater – Theater am Rhein 02/25
„Es geht einzig und allein um Macht“
Regisseur Volker Lippmann über „Fräulein Julie“ am Theater Tiefrot – Premiere 02/25
Überladenes Gezwitscher
Elfriede Jelineks „Am Königsweg“ und „Endsieg“ in Bonn – Theater am Rhein 02/25