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Foto: Bettina Stöß

Macheath als Clown

19. Mai 2025

„Die Dreigroschenoper“ am Theater Bonn – Auftritt 05/25

Die romantische Handlung, die Liebesgeschichte, das Musikalische: All das, so beklagte Bertolt Brecht in einem inszenierten Selbstgespräch im Jahr 1933, seien die zentralen Erfolgsfaktoren der „Dreigroschenoper“ gewesen. Und auf all das kam es ihm eigentlich nicht an. Vielmehr wollte Brecht mit subversiv-kritischem Blick der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten. „Ich hatte zu zeigen versucht, dass die Ideenwelt und das Gefühlsleben der Straßenbanditen ungemein viel Ähnlichkeit mit der Ideenwelt und dem Gefühlsleben des soliden Bürgers haben“, sagte er. An der Bonner Oper nimmt man darauf keine Rücksicht. Hausregisseur Simon Solberg inszeniert das Stück vielmehr ähnlich wie ein modernes Musical, mit tollen Kostümen, engagierten Sängerinnen und Sängern – und viel Klamauk. Zugegeben, das Ergebnis sorgt für gute Unterhaltung. Mehr aber auch nicht.

Allzu verwunderlich ist diese Entwicklung nicht. Solberg liebt die theatrale Komik, das gnadenlose Übertreiben und Karikieren, um den Kontrast zwischen Spaß und Ernst zu maximieren. Funktioniert immer und fordert allen Beteiligten nicht sonderlich viel ab, während es gleichzeitig das Publikum zum Lachen bringt. Ein Gewinn für alle – oder? In der „Dreigroschenoper“ trifft es nun jedoch ausgerechnet den Schurken Macheath, Mackie Messer persönlich. Er, der brutale Mörder und rigorose Anführer einer Verbrecherbande, wird in Bonn zum Clown. Daniel Stock treibt diese Rolle konsequent in jedes Extrem, von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt; nur sonderlich gefährlich oder tiefgründig wirkt er nicht. Erst gegen Ende, kurz vor Macheaths Hinrichtung, erhält er Nuancen, was unter anderem zu der „Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet“ führt, die Stock mit viel Gefühl umsetzt. Eigentlich schade, zumal andere Figuren die Balance viel souveräner wahren, darunter Özgür Karadeniz als herrlich verschlagener Bettlerkönig Jonathan Peachum. Dann wären da noch die Frauen, allen voran Julia Kathinka Philippi als erstaunlich reife und rücksichtslose Polly Peachum. Schon bei ihrer Hochzeit mit Macheath erweist sie sich eher als Punk-Göre denn als unschuldiges Liebesopfer und entwickelt sich trotz diverser Albernheiten zur knallharten Nachfolgerin ihres untreuen Gatten. Stark sind aber auch Marion Kracht als Pollys Mutter, Imke Siebert als Spelunken-Jenny mit einer eindrucksvollen Darbietung des „Salomonsongs“ sowie Maria Heeschen als Lucy Brown, die sich sogar an die aus der Uraufführung gestrichene weil anspruchsvolle „Arie der Lucy“ herantraut. Das Beethoven-Orchester unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr setzt Kurt Weills Musik dazu hervorragend um.

Nach gut 160 Minuten (inklusive Pause) ist das Publikum von der Darbietung des Ensembles restlos begeistert und bestens unterhalten. Angesichts der überzeugenden Ensemble- und Orchesterleistung ist das auch angemessen. Nur wäre es schön gewesen, wenn am Ende nach dem Fressen auch wirklich die Moral gekommen wäre – und nicht das Gelächter.

Dreigroschenoper | 29.5., 1., 8., 17., 19.6., 3., 9.7. | Theater Bonn, Opernhaus | www.theater-bonn.de

Thomas Kölsch

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