Das Spiel des Lebens heißt „Monopoly“. In keinem anderen Unterhaltungsformat wird die Essenz des Seins im Ringen um Grund und Boden dermaßen auf den Punkt gebracht wie hier. Die Maxime lautet: Bereichere dich auf Kosten anderer und treibe deine Mitmenschen in den Ruin. Es war lediglich eine Frage der Zeit, bis das Nö Theater den Stoff aufgreift, hebt sich das Kollektiv doch mit der kritischen Beleuchtung von Politik, Wirtschaft und Konsumgesellschaft hervor. Für die Inszenierung von „G wie Grüne Armee Fraktion“ erhielt das Team 2023 den Kölner Theaterpreis. Und nun ein Brettspiel. Im unspektakulären Bühnengewand entfaltet sich unter der Regie von Janosch Roloff eine hintergründige Mehrgenerationen-Saga, die Dreistigkeit mit horrenden Gewinnen belohnt, während Demut ein Leben lang auf der Verliererstraße parkt.
In einer sorgsam recherchierten Story um die wahre Schöpferin und spätere Nutznießer des Einkaufs- und Vermietungsvergnügens begegnen sich Dokumentation, Satire, Protestsong und Drama auf dem Los-Feld. Gemeinsam sorgen sie für einen amüsanten wie betrübenden Abendgang entlang schillernder Villen in Richtung sozialer Brennpunkte einer Stadt, in der kein Platz für Zögerer und Zauderer ist. Dramaturgisch klug komponiert, entwickelt sich das Stück aus einem Kammerspiel des 20. Jahrhunderts zur zeitlosen Weltenbühne monetärerBegierden. Die Charakterdarstellungen von Anne K. Müller, Julia Knorst und Yannick Hehlgans demonstrieren eine Schauspielkunst, die gerade durch Reduktion in den Bühnenraum ausstrahlt.
Zurück zum Spiel: Die Krise um Sieger und Gescheiterte im Mikrokosmos der Familie schießt „Monopoly“ in den Makrokosmos ganzer Nationen. Jener „vergnügliche Raubtierkapitalismus“, mit dem die Theatermacher das Werk beschreiben, offenbart sich als freie Wildnis, in der die Machtlosen den Hunger der Mächtigen speisen. Referenzen zu aktuellen Finanzskandalen, Korruptionsaffären und manipulierendem Lobbyismus begleiten die Aufführung wie ein Endlos-Newsticker im unteren TV-Bereich, dem man nach einem langen Arbeitstag kaum noch Aufmerksamkeit schenkt. Hochsensibel und stets empfangsbereit bleiben dagegen die Antennen der zylinderbekränzten Tycoons –etwa der Vermarktungsprofis des milliardenschweren, US-amerikanischen Spielwarenherstellers Hasbro, zu dessen Sortiment Monopoly gehört.
Das Nö Theater verweist zudem auf Elisabeth Magie, die 1904 eine Urvariante namens „The Landlord‘s Game“ patentieren ließ. Nach dem Bruch des Urheberrechtsdurch den damaligen Konzern Parker Brothers, der immens an dem Spiel verdient hatte, wurde Magie mit einem Scheck in Höhe von 500 Dollar abgespeist. Als Ironie der Geschichte erscheint in diesem Zusammenhang der eigentliche Sinn des Spiels, das die Gefahren eines monopolistischen Grundbesitzes und die drohende Verarmung der Landbevölkerung aufzeigen sollte. Unabhängig davon gibt es (in der deutschen Version) mit Theater- und Museumsstraße mindestens zwei Gründe, einen Trip in den berühmten Quader zu wagen. Bewusstseinserweiternd.
Nö Theater: Monopoly | 12., 13.9., 31.10. 20.30 Uhr, 14.9. 17 Uhr, 30.10. 19.30 Uhr | Kabarett-Theater Klüngelpütz | 01520 444 33 68
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