Wäre Calle Fuhr ein Tier, dann wohl am ehesten ein Maulwurf. Der Regisseur und Schauspieler, vor allem durch Rechercheprojekte mit Magazinen wie „Dossier“ bekannt, liebt das Buddeln und Wühlen, die Suche nach Informationen und das Aufdecken von Verbindungen. „Für mich ist es ein Privileg, solche Stücke realisieren zu können“, sagt er. „Ich will immer und immer wieder nachfragen können, wenn ich etwas nicht verstehe, und inzwischen bin ich in der glücklichen Situation, genau dies tun zu können.“ Jetzt holt Fuhr seine Produktion „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ ans Schauspiel Köln, wo er seit Beginn der neuen Spielzeit Hausautor und -regisseur ist. Darin arbeitet er die Geschichte des österreichischen Immobilien-Tycoons auf, gegen den in mehreren Ländern Anklagen wegen Betrugs, Insolvenzvergehen und organisierter Kriminalität bestehen.
Alles kann und will Fuhr in seinem Stück nicht aufarbeiten. „Mehr als zwei Stunden kann ich so ein komplexes Thema weder dem Publikum noch mir als Schauspieler zumuten“, sagt er. „Ursprünglich hatten wir eine reine Textfassung von drei Stunden Länge – das hält niemand aus. Insofern mussten wir zwangsläufig verkürzen und verdichten. Aber ich glaube schon, dass die Menschen hinterher mit etwas mehr Verständnis rausgehen und sich angesichts der ungeheuerlichen Vorgänge etwas weniger ohnmächtig fühlen.“ Als Kabarettist sieht Fuhr sich dabei explizit nicht. „Mein Ziel ist es nicht, das Publikum zum Lachen zu bringen“, betont er. „Ich versuche auch nicht, das Geschehen satirisch zu überzeichnen. Ich sehe meine Aufgabe vielmehr darin, möglichst viel zu erklären und sichtbar zu machen.“ Was scheinbar zu sehr unterschiedlichen Reaktionen führt: „Ich habe einmal im Saarland in einem geschlossenen Kaufhof-Gebäude gespielt, vor einem Teil der ehemaligen Belegschaft“, erinnert er sich. „Das war schon eine besondere Atmosphäre. Bei der Universität St. Gallen, an der ja vor allem Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften gelehrt werden, war das anders: Da hat man förmlich gespürt, dass die Moralfrage dort normalerweise nicht gestellt wird.“
Schauspiel Köln: Aufstieg und Fall des Herrn René Benko | 3. (P), 27.10., 8.11., 29.4. je 19.30 Uhr, 12.10. 18 Uhr | Dauer: 80 Minuten | Schauspiel Köln | www.splkln.de
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