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Foto: Krafft Angerer

Parolen in Druckerschwärze

27. Februar 2024

„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24

Die Bürokratie hat wie immer das letzte Wort: Drei schmale Herren in Gestalt von Katharina Schmalenberg, Rebecca Lindauer und Lola Klamroth treten an einen Schreibtisch heran. Sie breiten Akten zum Fall Katharina Blum aus. Sind sie die Archivare oder juristische Revisoren? Die junge Frau hat den Journalisten Tötgens der „Zeitung“ erschossen, sich gestellt und gestanden. Der Grund für die Tat ist eine brutale Denunziationskampagne Katharina Blums durch die Zeitung. Vorausgegangen ist nämlich deren One-Night-Stand mit dem Wehrdienstverweigerer, der aber von der Polizei als Terrorist verdächtigt und beschattet wird. Sie verhilft dem jungen Mann zur Flucht und wird anschließend dazu verhört. Die Polizei leitet Infos an die Zeitung weiter, die dann ihre Hetzjagd anzettelt. Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von 1974 hatte einen realen journalistischen Hintergrund namens Bild-Zeitung, in deren Klauen nicht nur er selbst, sondern auch sein Sohn Raimund gerieten.

Bastian Krafts Inszenierung setzt diese Vorlage mehr als nur kongenial auf der Bühne um. Hinter dem Bürokratentrio sind drei übermanns- bzw. überfraushohe Leinwände aufgestellt, auf dem die Personen des Dramas im Video erscheinen: Katharina B., gleich in dreifacher Ausfertigung, der Kommissar, Staats- sowie Rechtsanwalt samt Ehefrau, ein Polizist, eine Stenographin. Der technische Clou der Abends liegt darin, dass die Figuren auf den Leinwänden (Video: Sophie Lux) das Verhör ausagieren, ihr Text aber atemberaubend lippensynchron von den drei Schauspielerinnen auf der Bühne gesprochen wird. Wobei die nächste Volte gleich noch darin liegt, dass Katharina Schmalenberg, Rebecca Lindauer und Lola Klamroth auch alle Figuren im Video verkörpern. Die Wirkung ist ungeheuer, gerade durch die Intimität der Verfremdung. Vor allem die Verhörsequenzen geben dem ersten Teil des Abends den Charakter einer Passion. Die drei Leinwände wirken wie ein Flügelaltar, in dessen Mitte die leidende, aber selbstgewisse Katharina zu sehen ist, die von ihren Häschern auf den Außenflügeln bedrängt wird. 

Taylos Swifts Song „Look what you made me do“ wird dann zum Puffer zwischen ersten und zweitem Teil. Die Dokumentation und Faktenpräsentation verwandelt sich allmählich in Kunst. Das Frauentrio bemalt nun die Leinwände mit Parolen, bewirft sie wie im Action painting mit Farbe, bemalt sie mit breiten Maler-Rollen: Alles in der Farbe Schwarz, also mit Druckerschwärze. Zugleich verdichtet sich die identifikatorische Aufspaltung: Katharina Schmalenberg, Rebecca Lindauer und Lola Klamroth verkörpern jetzt „nur“ noch Katharina Blum. Zugleich bricht die Realität der Fake News der Zeitung mit ungebändigter Wucht in Katharina Bs. Leben – ähnlich wie heute der verbale Müll in den sozialen Medien. Am Ende bringt Katharina den Journalisten zur Strecke – doch der todbringende Schuss verhallt in tiefster Bühnenschwärze. Totale Realität und totale Abstraktion fallen in eins: Wie in Ad Reinhardts berühmten „Black Paintings“ geht der Tod mit dem Ende der Kunst einher. Absolut sehenswert!

Die verlorene Ehre der Katharina Blum | R: Bastian Kraft | 2., 21., 31.3. | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

Hans-Christoph Zimmermann

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