Es gab viel Ärger in der Tanzszene, als Anja Kolacek und Mark Leßle mit ihrer Kompanie raum13 von der Stadt auserkoren wurden ein "Tanzhaus Interim" in den − für ein vollwertiges Kölner Tanzhaus − angemieteten Räumen in Köln-Mülheim zu starten. Ob berechtigt oder unberechtigt sei dahingestellt, nach dem Ende des Interim-Projektes und der Beerdigung aller Tanzhauspläne durch die Stadt, starten die beiden Tanzschaffenden in Deutz nun ein Projekt, das getrost als größenwahnsinnig zu bezeichnen ist – und zwar im besten Sinne: "Deutzer Zentralwerk Der Schönen Künste" haben sie ihre neue Errungenschaft auf dem Gelände der ehemaligen Deutz Ag-Hauptverwaltung getauft, welches sie mit privaten Mitteln nun für eine erste Premiere am 18. Juni herrichteten. Neben intakten Büroflächen und großen Räumen, die sich hervorragend als Probebühnen eignen, findet sich auch ein Endzeitszenario riesiger, zerfallender Fabrikhallen auf dem Gelände, die jedes Bühnenbild alt aussehen lassen und ob ihrer Größe und Ramponiertheit Ehrfurcht einflössen. Klar: Würde die Stadt im großen Stil einsteigen, so könnte man sich hier einen herausragenden Tanz-, Theater- und Kunstort vorstellen. So bleibt zunächst nur das beherzte Engagement im Sinne von: Als Künstler sollte man sich seinen Größenwahn erhalten! Man kann den beiden "Deutz-Pionieren" an dieser Stelle nur ein dickes toi, toi, toi, viel Durchhaltevermögen und jede Menge tatkräftige Mitstreiter wünschen und gespannt sein, wie sie die neuen Räume auch in der kommenden Spielzeit mit hochwertigem Programm füllen.
Ansonsten ist man ja als Kölner Theatergänger qualitätsmäßig im Moment auf Rosen gebettet: Karin Beier wird auch in ihren letzten beiden Spielzeiten am Kölner Schauspiel nicht locker lassen, den Kölnern Großstadttheater beizubringen. Höchste Spannung für die neue Spielzeit verspricht jedenfalls weiterhin die Frage ihrer Nachfolge.
Die freie Szene hingegen brilliert im Moment vor allem durch ihre Festivals: africologne (theater im bauturm), GLOBALIZE:COLOGNE (Freihandelszone), IMPULSE (Kultursekretariat NRW) und theaterszeneeuropa (Studiobühne) tragen den lange Zeit vermissten nationalen und internationalen Input in die hiesige Szene. Sie machen aber auch einmal mehr die Begrenztheit der Kölner Infrastruktur deutlich, auf die Kolacek und Leßle in Deutz ja ihre eigene Antwort versuchen. Liest man in der Tagespresse, dass die Stadt Köln jährlich 135.000 Euro ausgibt, um Kampfhunde, die nicht mehr bei ihren Herrchen bleiben können oder dürfen, unterzubringen, und vergegenwärtigt man sich im Gegenzug die Zahlen der städtischen Finanzierung freier Kölner Theaterprojekte (150.000 pro Jahr), so weiß man, welchen Stellenwert die Stadt ihren freien Theaterschaffenden einräumt: Es wird in der neuen Spielzeit mehr denn je darum gehen, für eine Erhöhung der Mittel zur Kunstproduktion zu kämpfen, weil jede beherzte Initiative zur Erschließung neuer Orte und zur Anbindung der hiesigen Szene an nationale und internationale Strömungen zum Scheitern verurteilt ist, wenn nicht professionell produziert und aufgeführt werden kann.
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