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Novembertag im Innenhof von raum13 in Köln-Mülheim
Foto: Rosanna Großmann

Welche Zukunft wollen wir?

20. November 2020

raum13 droht das Aus im Otto-und-Langen-Quartier – Spezial 11/20

Im raum13 befindet sich seit 2011 das „Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste“: Ein Ort, an dem spartenübergreifend kommuniziert wird; ein Modell für die Stadt der Zukunft. Doch wie lange diese skizzenhafte Installation weiter bestehen kann, ist derzeit eine Streitfrage. Der Besitzer der Gebäude im Otto-und-Langen-Quartier zwischen Köln-Deutz und Mülheim kündigte der Künstlerinitiative von Marc Leßle und Anja Kolacek vor einem Jahr. Diese suchten das Gespräch und wehrten sich gegen den Rausschmiss. Mittlerweile besteht eine Räumungsklage gegen raum13, am 4. Dezember ist eine Gerichtsverhandlung angesetzt, nach der mit einer Räumung bis Ende des Jahres zu rechnen ist.

Gottfried Eggerbauer, der den denkmalgeschützten Teil des Quartiers neun Jahre lang an die Initiative vermietete, äußerte sich zuletzt in der Kölnischen Rundschau kritisch zu den Entwicklungsbemühen und zum Finanzierungsverhältnis der Kölner Künstler.

„Auf unsere Gesprächsgesuche hat Herr Eggerbauer nicht mehr reagiert“, berichtet Anja Kolacek wenige Wochen vor dem drohenden Rausschmiss. „Seit Weihnachten 2019 haben wir keinen Kontakt mehr, und das, obwohl das Mietverhältnis immer sehr gut war. Wir erwarten eigentlich, dass wir uns alle zusammen an einen Tisch setzen: Verwaltung, Politik, Eigentümer, Initiative und die Stiftung Trias, die auch Interesse an der Unterstützung des Zukunftsmodells geäußert hatte.“


Marc Leßle und Anja Kolacek in der „Spielküche“, in der Zeitzeugen zur Historie
des Standorts interviewt wurden
Foto: Rosanna Großmann

Gebäude sollen von der Stadt angekauft werden

Möglich sei es auch, eigens eine Stiftung zu gründen. Doch die Umstände im Quartier sind äußerst kompliziert, um nicht zu sagen verfahren. Die Gerchgroup, eine Entwicklungsgesellschaft, Gottfried Eggerbauer, ein privater Unternehmer, und NRW.URBAN, die Entwicklungsgesellschaft des Landes, besitzen jeweils drei Anteile des Areals. Grundstücksgrenzen verlaufen mitten durch die 150 Jahre alten Gebäude. Von 1869 ist der Bestand, in dem Nikolaus August Otto und Eugen Langen ihre Werke betrieben. Es ist das letzte zusammenhängende Industriegebiet auf Kölner Stadtgebiet. Die Gebäude, von denen aus mit dem Gasmotor die Motorisierung in die ganze Welt startete, wurden von der Initiative in die moderne Stadtplanung organisch miteinbezogen.

Man könnte meinen, dass der Stadt etwas daran läge, dieses Projekt zu unterstützen und von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen – denn der Besitzer Eggerbauer will das Grundstück veräußern. Tatsächlich soll die Kölner Gesellschaft „moderne stadt“ bereits einen zweistelligen Millionenbetrag geboten haben. Doch ein privater Investor habe drei Millionen Euro mehr in die Hand genommen.

„Das Gebäude muss in öffentliche Hand“, konstatiert Marc Leßle vom raum13. „Hier sollen Kultur, Kunst, Soziales, Arbeit und Wohnen miteinander verbunden werden. Auf Augenhöhe zu kommunizieren, ist jedoch unmöglich, wenn in der Stadt stets alles von privaten Investoren weggekauft und zugebaut wird.“ Direkt nebenan klafft bereits eine große Baugrube; ein Stück die Straße hinab entstehen die Wohnungsprojekte „Coloneo I“ und „Coloneo II“.

Zeit wird knapp für die Initiative

Was Kolacek und Leßle für das Quartier planen, ist eine „hypermoderne“ Herangehensweise an die Stadt der Zukunft. „Die Stadt verändert sich rasend“, kommentiert Kolacek die urbanen Fortschritte. „Neue Wohn- und Arbeitsformen sind nun immer an die Klimafrage geknüpft, welche zwingend mit der Mobilität zusammenhängt. Gerade an diesem Ort, der uns vor anderthalb Jahrhunderten den Verbrennungsmotor brachte, soll die Veränderung beginnen. Das Thema hier lautet: ‚Otto gibt zurück.‘“

Die unter anderem mit Begrünung und Öffnung der Räume zu realisierenden Pläne des Modellquartiers wurden sogar bereits vom Rat beschlossen. „Wir wissen gar nicht mehr, an wen wir uns wenden sollen. Wir wollen Bewegung in die Ämter bringen, doch man kommt einfach nicht zusammen.“

Deutlich steht das Künstlerduo derzeit unter Druck – und man merkt auch, wie viel ihnen an dem Gemeinschaftsprojekt liegt. Immer wieder kamen Architekten, Künstler, Wissenschaftler, Denkmalpfleger, Projektentwickler und Stifter in ihren Räumen zusammen, dem ehemaligen Verwaltungstrakt der Klöckner-Humboldt-Deutz (heute Deutz AG). Zuletzt im Frühjahr zur „Zukunfts Werk Stadt“, die den urbanen Nutzungsmix als Vorbild für die zukünftige Entwicklung europäischer Metropolen sieht. Kolacek und Leßle appellieren seit dem überraschenden Erhalt der Kündigung an Politik und Stiftungen. Am 17. November wurde eine Solidaritätsanzeige veröffentlicht, unter die über 100 Kölner Institutionen, Prominente und Künstler ihre Signatur gesetzt haben.

Normalerweise ist die begehbare Installation an der Deutz-Mülheimer-Straße für Interessierte frei zugänglich. Derzeit fallen die Räumlichkeiten jedoch auch in den Bereich der staatlich beschränkten Kultur – mit Ungewissheit, ob in diesem Jahr überhaupt wieder geöffnet werden kann. Die Zukunfts Werk Stadt hat jedoch ein Buch zusammengestellt, das das Projekt, Nutzungs- und Finanzierungskonzepte umfassend vorstellt und das online einsehbar ist.

raum13 | Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste | raum13.com

Rosanna Großmann

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