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Hanna Frank (l.) und Lisa Fischer (r.)
Foto (Ausschnitt): Judith Vießmann

„Sexualisierte Gewalt kennt keine Uhrzeit“

25. Juli 2025

Lisa Fischer und Hanna Frank von Edelgard über den Neustart des Projekts – Interview 08/25

Edelgard unterstützt FLINTA*-Personen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Letztes Jahr stand das Projekt wegen finanzieller Schwierigkeiten vor dem Aus. Ein Gespräch mit Lisa Fischer und Hanna Frank von der Koordinierungsstelle.

choices: Nach längerer Pause könnt ihr wieder durchstarten – was ist passiert und was hat sich verändert?

Lisa Fischer (LF): Die Finanzierung war das große Problem. Edelgard hängt komplett von Fördergeldern ab – und bei der letzten Haushaltsrunde wurde fast alles gestrichen. Auch andere Frauenberatungsstellen in Köln waren betroffen, manche Projekte wurden sogar ganz eingestellt. Es war wirklich kritisch. Unser Karnevalsdienst im Februar konnte deshalb gar nicht mehr stattfinden. Zum Glück gab es viel Unterstützung und Solidarität, wie durch Petitionen und Demos, sodass die Finanzierung über den Haushalt der Stadt Köln am Ende wieder ermöglicht wurde. Unsere Trägerschaft ist vorübergehend bei der Diakonie Michaelshoven Soziale Hilfen gGmbH und dem Sozialdienst katholischer Frauen Köln e.V. (SkF, d. Red.). Hanna ist bei der Diakonie angestellt, ich beim SkF. Die Struktur hat sich also verändert – aber das Wichtigste ist: Wir können weitermachen.

Hanna Frank (HF): Die Unterstützung aus der Stadtgesellschaft war wirklich entscheidend. Die Menschen haben gezeigt, dass Projekte wie Edelgard gebraucht werden. Im Juni haben wir wieder loslegen können – in Teilzeit, mit neuen Strukturen. Und viele in der Initiative gegen sexualisierte Gewalt, aus der Edelgard hervorgegangen ist, arbeiten weiterhin ehrenamtlich. Ohne dieses Engagement könnten wir das alles gar nicht leisten.

Was sind aktuell eure größten Herausforderungen?

HF: Die Umstellung auf zwei Träger bringt neue Fragen mit sich: Wer ist für was zuständig? Wie läuft die Kommunikation nach außen? Dazu kommt: Über ein halbes Jahr lang lag das Projekt auf Eis. Jetzt müssen wir viel nachholen – Aktualisierung der Schutzorte-Map, die offenen Anfragen dafür, Materialien aktualisieren, Schulungen vorbereiten.

LF: Eine große Veränderung betrifft auch unsere Zielgruppe. Edelgard hat sich früher hauptsächlich an Frauen und Mädchen gerichtet – aber jetzt wollen wir das Angebot auf FLINTA*s ausweiten – also Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, Trans und Agender Personen. Das ist ein längerer Prozess. Wir wollen sicherstellen, dass unser Angebot inklusiver wird – und dass sich mehr Menschen angesprochen fühlen.

HF: Das betrifft auch unsere Schutzorte. Diese müssen wissen, dass sich die Zielgruppe verändert hat – und was das konkret bedeutet. Wir planen neue Schulungen, überarbeiten Materialien und stehen im engen Austausch. Es ist wichtig, dass sich alle sicher fühlen können, wenn sie zu einem der Orte kommen.

Was unterscheidet Edelgard von anderen Organisationen in diesem Bereich?

LF: Viele kennen Kampagnen wie „Luisa ist hier“, die sich vor allem an das Nachtleben richten. Edelgard funktioniert anders: Wir sind in der ganzen Stadt aktiv, mit bisher knapp 240 schützenden Orten – viele davon sind tagsüber geöffnet. Das können Kioske sein, Arztpraxen, Buchhandlungen oder soziale Einrichtungen. Gewalt kann überall passieren – und zu jeder Zeit.

HF: Und es geht nicht ausschließlich um Vergewaltigung, sondern auch beispielsweise schon um Catcalling und andere Formen von Übergriffen. Eine Sensibilisierung dafür trägt bei, dass sich unser Bild von sexualisierter Gewalt verändert. Unser Leitsatz lautet: „Wenn du dich belästigt fühlst, ist es Belästigung“. Uns geht es darum, eine erste Anlaufstelle zu bieten – in direkter Nähe. Die Orte sind geschult und wissen, wie sie Betroffene unterstützen und weitervermitteln können. Wir bauen keine eigenen Beratungsstrukturen auf, sondern ergänzen das Hilfesystem. Zusätzlich sind wir auf Veranstaltungen unterwegs – zum Beispiel an Karneval oder beim Summerjam – und bieten Informations- und Präventionsmaterial. Ziel ist immer: sichtbar machen, informieren, empowern.

Was habt ihr für die Zukunft geplant?

LF: Wir möchten eine zentrale Anlaufstelle für Prävention und Empowerment in Köln sein. Unsere Vision: mehr sichere Räume für alle Geschlechter. Dafür müssen wir auch über Machtstrukturen sprechen, über die Formen von Gewalt, die oft unsichtbar bleiben. Uns geht es nicht nur darum, viele Schutzorte zu haben, sondern auch um Qualität – gut geschulte Orte, die Haltung zeigen.

HF: Wir wissen auch, dass wir nicht alle Perspektiven mitbringen – wir sind zwei weiße Cis-hetero-Frauen. Deshalb ist es uns wichtig, Erfahrungen von marginalisierten Gruppen mitzudenken. Wir versuchen, Stimmen von queeren Personen, BIPoC und Menschen mit Behinderung einzubeziehen und von ihnen zu lernen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess – und wir sind offen für Austausch.

Wie kann man euch unterstützen?

HF: Unsere aktuelle Förderung läuft noch bis Ende 2026 – was danach kommt, ist derzeit offen. Unabhängig davon sind wir auch jetzt schon auf zusätzliche Unterstützung angewiesen – vor allem in Form von Spenden. Ein zweiter Bereich, der uns sehr wichtig ist: Wir freuen uns, wenn sich Organisationen in Köln melden, die sich vorstellen können, schützende Orte zu werden. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, ist das eine sehr konkrete Möglichkeit, unsere Arbeit mitzutragen. Und wir bauen gerade die Struktur für ehrenamtliches Engagement neu auf – insbesondere für mobile Einsätze. In der förderfreien Zeit Anfang des Jahres lag das alles etwas brach, aber jetzt wollen wir wieder loslegen. Wir arbeiten aktuell an einem neuen Leitfaden und prüfen, was wir anpassen müssen. Wer Interesse hat, kann sich gern bei uns melden. Insgesamt sind das unsere drei zentralen Bausteine: Spenden, schützende Orte und ehrenamtliches Engagement.

LF: Und nicht zu vergessen: Mund-zu-Mund-Propaganda.

HF: Absolut – gerade bei größeren Einsätzen wie Karneval. Unsere Nummer abspeichern, weitersagen, in die Freundeskreise tragen. Sichtbarkeit ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Denn am Ende betrifft das Thema uns alle. Auch wenn man nicht selbst betroffen ist – hinschauen, unterstützen und darüber sprechen macht einen Unterschied. Jede:r kann etwas tun.

Interview: Judith Viessmann

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