Sichtlich erfreut stehen Bettina Montazem und Thomas Hackenberg vom Urania Theater vor einem vollen Saal. Mit der neuen Talkreihe „Sauerstoff Demokratie“ will das Theater einen Raum schaffen, in dem Streit neu gedacht wird. Den ersten Teil haben Montazem und Hackenberg gemeinsam kuratiert. Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, ist für ein Gespräch mit Publizist Jörg Bong über das Politische im Karneval und das Bewahren der Demokratie zu Gast. Montazem betont, dass der Dialog nicht nur im Digitalen stattfinden soll – daher auch der niedrige Ticketpreis von einem Euro. „Was bewegt Menschen in ihrer Biografie, sich für Demokratie einzusetzen?“, diese Frage soll im Laufe des Abends beantwortet werden.
Das Gespräch zwischen Kuckelkorn und Bong erweist sich als sympathisches und unterhaltsames Miteinander, wendet sich aber bald ernsten Themen zu: Wie geht man mit extremen Rechten um? Wie bewahren wir die Demokratie? Kuckelkorn setzt sich für die Aufarbeitung des Kölner Karnevals unter der NS-Diktatur ein. Hierfür erhielt er die Rosl-Rutkowski-Medaille vom Karnevalsverein Kölsche Kippaköpp. Mit Blick auf heutige Zeiten sei es wichtiger denn je, politische Vorräume zu schützen, meint Bong. Sprache und Begriffe sollten nicht den Rechten überlassen werden. Beide sehen im Kölner Karneval ein wichtiges, zutiefst demokratisches Gut. „Vielleicht mache ich nichts anderes als das zu tun, was alle Jecken immer singen“, stellt Kuckelkorn fest, als er über sein Engagement im Festkomitee spricht. Eine Neuausrichtung des vereinsinternen Wertesystems ist ihm ein besonderes Anliegen. Denn: „Karneval ist damals NS-Propaganda geworden.“ Daher sei es derzeit von großer Bedeutung, wachsam zu bleiben und stetig zu überprüfen, welche Werte den Karneval prägen. Nach der Pause antwortet Kuckelkorn auf Fragen und Anmerkungen des Publikums. Auf die Frage: „Was ist für Sie persönlich der Sauerstoff der Demokratie?“, sagt er, das sei für ihn die freie Meinung, das Miteinander und die Diskussionen im Alltag. Vor allem sei Demokratie aber eine Frage der Haltung.
Der Abend endet mit Musik: Bettina Montazem singt gemeinsam mit ihren zwei Töchtern ein Karnevalslied und lädt anschließend zu Falafel und Kölsch ein. Gerade die bevorstehende Neuwahl am 23. Februar gibt Anlass, sich mit Streitkultur und Politik zu befassen. Aber auch abseits dessen werden Formate, die wie dieses den Dialog fördern, in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltung immer wichtiger.
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