„Wir sind im Exil“ erklärt Anja Kolacek rund 25 Menschen, die sich zum vorerst letzten Sonntagsspaziergang von raum13 in der Deutz-Mülheimer-Straße versammelt haben. Ein Jahr ist seit der Räumung der gemeinnützigen GmbH aus dem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Klöckner-Humboldt-Deutz AG (KHD) vergangen. Zuflucht gewährt den Exilanten an diesem sonnigen Nachmittag der Fröbel-Kindergarten in der kernsanierten Villa Charlier, die ebenfalls einst der KHD gehörte.
Der heutige Spaziergang, der über das alte Industrieareal führt, findet unter dem Motto „Hope – Courage – Schönheit“ statt. Diese seien die Elemente, die die es braucht, um die Zukunft lebenswert zu gestalten, sagt Kolacek, die 2007 mit Marc Leßle raum13 gründete. 2011 initiierten sie das Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste auf dem ehemaligen Gelände der weltweit ersten Gasmotorenfabrik und machten das ihnen zur Verfügung gestellte Areal der Öffentlichkeit zugänglich.
„Ein Musterquartier für die Stadt der Zukunft“
Das spartenübergreifende Stadtkunstprojekt will mit seiner Arbeit nun eine Skizze für eine zukunftsweisende Stadtplanung liefern, die sich aktiv mit der Frage auseinandersetzt: Wie wollen wir leben? „Wir möchten ein Musterquartier für die Stadt der Zukunft entwickeln“, sagt Leßle. Das Ziel ist ein gemeinwohlorientierter Stadtteil, der Bestehendes erhält, eine vielseitige Nutzung erlaubt und kulturelle Vielfalt und soziale Integration fördert. „Wir sind ein Sprachrohr für eine Idee, die sich über Jahre entwickelt hat. Dahinter stehen zig Stiftungen und Privatpersonen, die nur darauf warten, dass es hier losgehen kann“, ergänzt Kolacek. Noch brauchen sie jedoch Geduld.
Die jüngere Geschichte des Ortes sei ein Paradebeispiel für eine Stadtentwicklung, die von Immobilienspekulation geprägt wurde, so Leßle. „Wie auf einem Monopoly-Feld“ sei hier verfahren worden. Aufgrund der weiterhin steigenden Bodenpreise ist es für Investoren oft lukrativer, die Grundstücke ungenutzt liegen zu lassen. Die Folge: braches Bauland und leerstehende, zum Teil denkmalgeschützte Industriegebäude, deren Verfall aufgrund mangelnder Instandhaltung inzwischen auch durch Vandalismus beschleunigt wird. „Das passiert, wenn es nicht genutzt wird und wenn man auch nicht mehr weiß, wem es eigentlich gehört“, sagt Leßle zu einer Spaziergangsteilnehmerin, die sich vorbeugt, um durch eine eingeschlagene Glastür zu schauen.
„Eigentlich ist schon alles da“
Noch stehen die Bauten aus Stahl und Ziegelsteinen und könnten als Basis für den Wiederaufbau und die Neugestaltungen dienen. „Eigentlich ist schon alles da“, sagt Kolacek, als die Gruppe den rückwärtigen Teil der Produktionshallen erreicht. „Diese ganzen amorphen Formen sind aus künstlerischer Sicht wunderschön.“
Auch der politische Wille scheint bereits da zu sein: Im Januar hat die Stadt alle Nutzen und Lasten der ehemaligen KHD-Hauptverwaltung übernommen und sie damit vor privaten Investoren geschützt. Zudem gibt es fraktionsübergreifend Rückhalt für die Pläne von raum13. Allerdings hapert es noch an der Umsetzung. Es sind vor allem strukturelle Hürden, die den Wiedereinzug derzeit noch verhindern.
Zudem wünschen sich Kolacek und Leßle von der Stadt den Kauf weiterer Flächen des Areals. „Ein historisch so herausragender Ort sollte der Gesellschaft gehören und nicht Einzelnen, die über dessen Entwicklung entscheiden”, sagt Kolacek. Deswegen haben sie auch ein Konzept für das gesamte Otto-Langen-Quartier vorgelegt. Die Zielvorgaben müssen jedoch von der Stadt selbst formuliert werden und über die Tische verschiedener Dezernate gehen. Dazu bedarf es vieler Verhandlungen, Kraft und Zeit.
Doch es gibt auch Zuversicht. Das Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste konnte in der Vergangenheit bereits die Museums- und die Theaternacht in das Areal ziehen. Das Projekt habe damit schon ein Stück Stadtentwicklung geleistet, findet Kolacek. „Wir hoffen, dass diese Graswurzel nun weiterwächst!“
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