Tanz kann genauso politisch sein wie das Sprechtheater. Das gilt umso mehr für den Choreograf Serge Aimé Coulibaly. „Wenn man in einem Land geboren ist und aufwächst, wo die politische Situation einen so großen Einfluss auf jeden kleinsten Bereich des Alltags hat, wird das Inszenieren zu einem politischen Akt“, so sagte er einmal. Gemeint ist sein Heimatland Burkina Faso. Vor zwei Jahren spiegelte er in „Nuit Blanche à Ouagadougou“ die Atmosphäre kurz vor dem Sturz des Regimes von Präsident Blaise Compaoré. Im Rahmen des africologneFestivals ist sein neues Stück „Kalakuta Republik“ zu sehen, das an den nigerianischen Komponisten, Musiker und politischen Aktivisten Fela Kuti erinnert. Coulibaly erkundet in dieser Performance für sieben Tänzer, was politisches Engagement bedeutet und wie Afrika im Kontext einer globalisierten Welt mit künstlerischen Mitteln zu positionieren ist. Das africologneFestival findet zum vierten Mal statt und zeigt 13 Produktionen u.a.aus Burkina Faso, der Republik Kongo und Uganda. Neben Gastspielen formuliert auch das Rahmenprogramm u.a. mit dem ganztägigen Dialogforum „Demokratisierung in Afrika – alles nur Theater?“ den politischen Anspruch von africologne.
Schon wesentlich länger am Start ist die Theaterszene Europa, das bi-nationale Festival der Studiobühne. Seit dreißig Jahren treffen in Köln Gruppen aus europäischen Nachbarländern auf einheimische Compagnien. Als vor drei Jahrzehnten alles begann, entschied sich die damalige Leitung um Studiobühnenchef Georg Franke für Polen als erstes Gastland. Anlässlich des Jubiläums erinnert die neue Ausgabe an dieses Datum und bereitet auch diesmal wieder den Boden für eine Begegnung polnischer und deutscher Künstler. Auch unter dem heutigen Leiter Dietmar Kobboldt wird die Tradition fortgesetzt, dass die Gruppen nicht nur zu ihrem Gastspiel anreisen, sondern während des gesamten Festivals in Köln bleiben, gemeinsam Workshops veranstalten und sich austauschen. In Zeiten europäischer Renationalisierungstendenzen liegt schon in diesem Format ein politischer Anspruch.
Ebenfalls im Juni findet das Impulse Theater Festival statt. Es konzentriert sich ausschließlich auf die freie Szene des deutschsprachigen Raums und lädt die zehn bemerkenswertesten Produktion nach Mülheim an der Ruhr, Düsseldorf und Köln ein. Frei bedeutet hier nicht nur frei von den Zwängen des Stadttheaters, sondern auch von den Konventionen des Narrativen, von den formalen Traditionen des Genres, aber auch von den Zuschreibungen der Bedeutung. Die diesjährige Ausgabe der Impulse wird die letzte unter der Leitung von Florian Malzacher sein. Von 2018 bis 2020 wird Haiko Pfost für Auswahl und Programm zuständig sein. Pfost hat von 2007 bis 2013 das Koproduktionshaus brut Wien geleitet und sich danach als freier Kurator u.a. für Manifesta 11 oder das Theaterspektakel Zürich einen Namen gemacht.
africologneFestival| div. Spielorte | 14.-24.6. | africologne.org
theaterszene europa | Studiobühne Köln | 3.-10.6. | studiobuehnekoeln.de
Impulse Festival | Köln, Mülheim a.d. Ruhr, Düsseldorf | 22.6.-1.7. | festivalimpulse.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mit allen Wassern gewaschen
Franziska Werner wird neue Leiterin des Festivals Impulse – Theater in NRW 07/24
„Brisante politische Inhalte, lustvoll präsentiert“
Leiter Haiko Pfost über das Impulse Theaterfestival 2024 in Köln, Düsseldorf und Mülheim a. d. Ruhr – Premiere 05/24
„I am present but I don‘t exist“
West Off 2023 in Bonn, Köln und Düsseldorf – Prolog 11/23
„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23
Metaebene der Clowns
„Clowns“ in der Studiobühne – Theater am Rhein 07/23
„Offen für experimentelle Formen und alles Neue“
Dietmar Kobboldt geht als Leiter der Studiobühne in den Ruhestand – Premiere 07/23
Neues Bild von Afrika
African Futures Cologne 2023 bietet ein reichhaltiges Programm – Prolog 05/23
„Wir können in Köln viel bewegen“
African Futures-Projektleiterin Glenda Obermuller – Interview 05/23
Perforierte Sprachgrenze
Die Studiobühne zeigt „Total“ – Theater am Rhein 05/23
Bedrohliche Fürsorge
„(S)Caring“ an der Studiobühne Köln – Auftritt 05/23
„Aufhören, Wunden zu schlagen“
Direktoren des africologneFestivals im Interview – Interview 05/23
Spätes Licht
Studiobühne zeigt „Nachttarif“ – Theater am Rhein 04/23
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24