Es ist schon erstaunlich: „Columbo“ ist keine der typischen US-Krimiserien, die einem ansonsten im Fernsehen in Hülle und Fülle begegnen. Das lässt sich schon an den ersten Minuten einer jeden der 69 Folgen festmachen, denn „Columbo“ hat weder ein einheitliches Logo, noch einen einheitlichen Vorspann oder gar eine durchgehende Erkennungsmelodie. Und trotzdem wurden die Krimis um den schusselig wirkenden Inspektor in über 80 Länder verkauft und zählen auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung zu den Evergreens der Fernsehlandschaft, insbesondere in Deutschland, wo kaum eine Woche vergeht, in der Peter Falk in der Rolle seines Lebens nicht ermittelt. Es lässt sich leicht festmachen, weshalb die Krimireihe trotz der fehlenden Standards so erfolgreich werden konnte. Das liegt natürlich zu einem Gutteil an Falks einnehmender Interpretation der Titelrolle, aber sicherlich auch daran, dass dieser „Columbo“ ein Underdog ist, der sich im Kreis der Reichen und Schönen bewegt, ohne richtig dazuzugehören – und deswegen dem Publikum viel Identifikationspotenzial liefert.
Nicht nur darin unterscheidet sich der von Richard Levinson und William Link für ein Theaterstück in den frühen 60er Jahren erfundene Ermittler von seinen medialen Vorgängern. Bei klassischen Krimis hatte der Zuschauer die Möglichkeit, mitzuknobeln. Wer für den Mord verantwortlich zeichnet, wurde erst auf den letzten Seiten oder in den letzten Minuten des so genannten „Whodunnits“ enthüllt, wenn der Inspektor hinter die Lösung der Ereignisse kommt. Nicht so bei „Columbo“. Hier wird das Publikum in fast jeder Episode schon in den ersten Minuten Zeuge, wie der Mörder seine Tat begeht. Der Reiz beim Zusehen besteht bei dieser Serie darin, dem cleveren Inspektor bei seiner Ermittlungsarbeit zuzuschauen, während sich die Schlinge immer enger um den Hals des Täters zusammenzieht. 1967 löste Peter Falk in „Mord nach Rezept“ seinen ersten Fall. Dass die Adaption des Theaterstücks von Levinson/Link in Serie gehen würde, konnte damals noch keiner ahnen. Hauptdarsteller Falk hatte nämlich nicht die geringste Lust, sich mit minderwertigen Drehbüchern und allzu kurzen Drehzeiten herumzuschlagen. Auch 1971, als man mit „Lösegeld für einen Toten“ einen zweiten Versuch unternahm, das Konzept seriell auszuschlachten, weigerte sich Falk zunächst standhaft. Erst, als ihm zugesichert wurde, dass die einzelnen Folgen in Spielfilmlänge und mit angemessenen Budgets realisiert würden, ließ er sich breitschlagen. Bis 1978 sollte er in sieben Staffeln in den berühmten beigen Regenmantel schlüpfen, Zigarren paffen und in den ungünstigsten Momenten noch mal ins Haus des Mörders platzen, um diesen mit einer scheinbar nebensächlichen Banalität aus der Reserve zu locken. Nach elf Jahren Pause begann schließlich 1989 sogar eine zweite Phase in der Geschichte der Serie, die dann in etwas loserer Abfolge bis ins Jahr 2003 noch vierundzwanzig weitere Episoden hervorbringen und „Columbo“ endgültig zum Kult stempeln sollte.
Armin Block und Stefan Fuchs sind leidenschaftliche „Columbo“-Fans, denen es 1998 auch ohne aktive Mithilfe von Peter Falk gelungen war, ein Standardwerk über die Serie zu verfassen, das selbst international seinesgleichen suchte. Mit dem gedruckten Buch gelang es ihnen dann sogar, doch noch bis zu Peter Falk durchzudringen. Für die Neuauflage ihres „Columbo“-Führers, den sie nun um alle nach 1998 produzierten Folgen ergänzt und mit zahlreichen zusätzlichen Fotos bestückt haben, konnten sie deswegen auch auf ein Interview mit dem schrulligen Hauptdarsteller zurückgreifen. Diese neue Ausgabe wurde als handliche Paperback-Version realisiert und ist in dieser Form für jeden ernsthaften Fan der Krimiserie unverzichtbar. Mit Sachverstand und kritischer Distanz beschreiben die beiden Autoren darin nicht nur jede einzelne Episode, sondern liefern den Lesern auch noch eine Fülle an Hintergrundinformationen und biografischen Details, die bis in die Besetzungen der deutschen Synchronsprecher reichen. Über die Produktionshintergründe erfährt man einiges durch Gespräche, die Block und Fuchs mit William Link und nun eben Peter Falk geführt haben, darunter auch so manche Kuriosität, die man nicht für möglich gehalten hätte. In abschließenden Kapiteln widmen sich die Autoren dem beruflichen Werdegang von Peter Falk sowie kurz seiner großen Leidenschaft, der Malerei, und ergänzen diese biografischen Angaben mit vollständigen Listen von Falks weiteren Film- und Fernsehrollen. Auch diese Neuauflage hätte dem am 24.6.2011 verstorbenen Schauspieler sicherlich ein Lächeln ins verkniffene Gesicht gezaubert.
Filmbuch: „Columbo: ‚Oh, Moment, da ist noch eine Kleinigkeit …’“ | Armin Block und Stefan Fuchs | Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin 2011 | 22,95 € | ISBN 978-3-89602-767-2
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