Außer dem Breitbildvideo ist nichts auf der Bühne, eine Fläche aus monolithischen Blöcken bildet die Szenerie. Dort also wird sich der Mord abspielen, in dem es im gleichnamigen Theaterstück von Hanoch Levin geht. Und es wird einer dieser unerklärlichen Gewaltexzesse sein, von denen der Krieg sich ernährt und an denen die Menschen vorsätzlich zerbrechen. Was kann das leisten im Rahmen der Jüdischen Kulturtage im Rheinland?
Die israelische Regisseurin Dedi Baron konzentriert sich auf die Figuren im Spiel die den jahrhundertelang eingeschliffenen Mechanismen nicht entkommen können. Drei blutjunge israelische Soldaten schleppen hier ihr Opfer an die Rampe der Blöcke, ein fast totes Stück Fleisch, das nach seinem Vater bettelt, blutjunges palästinensisches Fleisch, das dennoch genüsslich-widerlich ins Jenseits befördert wird, mit rohen Sprüchen und roher Gewalt. Nur einem scheint das auch wirklich Spaß zu machen, die anderen beiden machen heroisch mit. Dies ist keine Metapher auf ein Mitläufertum, dies ist ein Zitat auf reale Tatbestände, wer erst einmal in der Gewaltspirale steckt, der hat keinen Anspruch mehr auf Rechtfertigung. Selbst als der Vater des Jungen auftaucht, müssen sie das Machtgehabe aufrecht halten, lügen. Und eine Antwort auf die Frage nach dem Warum kann natürlich auch niemand mehr beantworten, hinterher. So funktioniert menschliche Geschichte seit den Anfängen, ein kleiner Junge erklärt das im Video perfekt. Die Kinder werden es nicht verstehen und lachen, die Enkel werden darüber nichts mehr wissen. Genau. Der singende Soldat im Hintergrund jedenfalls füllt stoisch weiter Munition in die Schnellfeuergewehre.
Wenn der Frieden kommt, werden wir Nachbarn und gemeinsam feiern. Das gilt für die Soldaten, aber nicht für den trauernden Vater, der auch um die letzten Worte seines Sohnes betrogen wurde. Eine ästhetische Herangehensweise gibt es da nicht mehr, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Was sollte denn auch anders sein? Leise tönt das Spiritual „Motherless Child“ im Hintergrund, die feste Welt löst sich auf. Drei Jahre später sitzt der Hass immer noch tief in den eigentlichen Verlierern und schlägt eben dort zu, wo er nicht nur nicht erwartet wird, sondern wo er selbst wieder ein neuer Katalysator wird – auf einer Hochzeit. Es wird die zweite plakative Szene, die wunderbar spielfreudig in Szene gesetzt und doch irgendwie von der Regie tiefengereinigt wirkt. Das junge Paar freut sich auf die Hochzeitsnacht, die Gäste sind weit, da ist der Vater wieder da, mit Pistole. Es kommt wie es kommen muss: Der Bräutigam wird erschossen, die unschuldige Braut vergewaltigt und anschließend auch erschossen. Wieder muss ein Vater sich entsetzen, wieder kann die kommende Spirale nicht aufgehalten werden. Am Ende rollen wieder Köpfe. Irgendwie macht sich Hanoch Levin, der 1999 im Alter von 55 Jahren an Krebs starb, das alles ein wenig einfach, selbst sein wohl nicht überwindbarer Pessimismus bleibt ohne innere Stärke. Und selbst wenn Dedi Baron versucht, die Mechanismen zu verallgemeinern und deutsche Lieder aus den 30ern intonieren lässt (Comedian Harmonists), Levin war definitiv kein Shakespeare.
„Mord“ | R: Dedi Baron | Mo 13.4., Fr 17.4. 19.30 Uhr, So 26.4. 18 Uhr | Schauspiel Düsseldorf | 0211 36 99 11
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