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Foto: Stefanie Althoff

De Rach vun der Fleddermus

17. Februar 2025

„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25

Muss die Geschichte der Johann Straußschen „Fledermaus“ umgeschrieben werden? Nicht ganz, aber das Kölner Selbstbewusstsein fordert seinen Beitrag ein: Schließlich soll kein Geringerer als Jacques Offenbach den „Walzerkönig“ dazu überredet haben, sich auf Operette zu verlegen. Offenbach stammt bekanntlich aus Köln und dürfte eine ordentliche Prise Humor vom Rhein an die Seine exportiert haben. Durch den überwältigenden Erfolg seines „Orpheus in der Unterwelt“ in Wien gelangte die „Opera Bouffe“ (französische Form der Operette) an die Donau.

Wenn wir jetzt die Realität nach guter Kölscher Manier ein wenig aufpudern, könnte man sagen: ohne Köln keine Strauß-Operette. Immerhin darf auch historisch korrekt festgestellt werden: Die „Ur-Fledermaus“ in Gestalt des Schwanks „Das Gefängnis“ – später vom Duo Meilhac/Halévy zum Lustspiel „La Réveillon“ weiterverarbeitet – stammt von Roderich Benedix, der ab 1842 lange Jahre in Köln als Autor und Theatermann tätig war.

Der eigentliche Grund, sich heute der „Fledermaus“ anzunehmen, liegt für die Kölner Bühnenspielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg natürlich im 200. Geburtstag von Johann Strauß (Sohn), der in diesem Jahr nicht nur in Wien hohe Wellen schlagen wird. Seit mittlerweile 151 Jahren stellen sanges- und theaterlustige Männer alljährlich ein „Divertissementchen“ (von franz. „divertissement“, übers.: Zeitvertreib) auf die Bühne, das in Köln schon im 19. Jahrhundert berühmt war und inzwischen Kultstatus genießt.

Mit Humor und Hintersinn

Dass nur Personen mit Männerstimme mitmachen, ist nicht reaktionärer „Anti-Wokismus“: Die bunte Theatergruppe ist eine Untergliederung des seit mehr als 180 Jahren bestehenden Kölner Männer-Gesang-Vereins. Dessen mehr als 200 aktive Mitglieder widmen sich der Vielfalt des Chorsingens von geistlicher Musik über klassische Männerchöre bis zu Pop- und Musicalgesang. Etwa die Hälfte macht jedes Jahr mit, wenn es das „Zillche“ gibt – jene oft parodistische Theaterunterhaltung, die genau so lang wie die „Fledermaus“ ihr Publikum mit Humor und Hintersinn zur Fröhlichkeit verführt.

Jetzt also zum ersten Mal Strauß Erfolgsoperette „op Kölsch“ und in einer geschickten Bearbeitung von Regisseur Lajos Wenzel. Die Kölner Oper räumt willig für 30 Tage ihre Bühne im Staatenhaus, bis die Serie der Aufführungen am Tag vor Aschermittwoch endet. Die 30.000 Karten, so der „Baas“ (das ist der Vorsitzende) der Spielgemeinschaft, Simon Wendring, waren innerhalb von zwei Wochen ausverkauft. Wenzel, seit 2023 Intendant des Theaters Trier, aber lange mit Köln verbunden, hat die „Fleddermuus“ ins Köln der 20er-Jahre verlegt – eine Folie, die dem Kontrast von bürgerlicher Anständigkeit und orgiastischem Rausch, von Tanz auf dem Vulkan und Katzenjammer den nötigen Glanz verleiht, ohne sich in zahnlosem Historismus oder bemühter Vergegenwärtigung zu verlieren.

Dieses spezielle Nachtgetier flattert am Original entlang, orientiert sich aber an unverkennbar Kölschen Eigenheiten. Vor allem ist die Vorgeschichte aufgewertet: Der böse Streich, den Eisenstein einst seinem Freund Falke spielte, wird in drei Szenen genüsslich auserzählt. Da wird der zur Nüchternheit verpflichtete Prinz Karneval (Falke, hier Mätes I.) von seinem Düsseldorfer (!) Kumpel Anton Adler (Eisenstein) so blamiert, dass er das hohe Amt und seine Verlobte Marie (ohne Parallele im Original) verliert.

Anspruchsvolle Probenarbeit

Ein Jahr später nimmt dann die „Rache einer Fledermaus“ ihren Gang, eingefädelt und in ihrem Sinne gelenkt von zwei Schwestern, Amalia und Emma Frosch, beides Kölner Originale und weder um Tatkraft noch um flotte Sprüche verlegen. Gegen geballten Kölner Mutterwitz hat Adler-Eisenstein keine Chance: Der Katzenjammer im alten Kölner „Arrest- und Correctionshaus“ Klingelpütz ist vorprogrammiert. Am Ende ist nicht der Champagner an allem schuld – in Köln trinkt man schließlich die Biervariante „Kölsch“ – sondern der „Nubbel“, eine Strohpuppe, die als Sündenbock dient und am Ende des Karnevals verbrannt wird.

Vorher wird jedoch nach allen Regeln saftig aufgedreht: Lajos Wenzel lässt seine Darsteller – sämtlich Liebhaber, keine Profis – auf der Schneide zwischen drallem Gaudi und gezügelter Komik agieren. Bei sichtlichem Vergnügen an den Travestierollen sind Ausrutscher in die platte Übertreibung selten – und wenn, dann gewollt überzogen. Den riesigen Chor baut er so geschickt auf der atmosphärisch bezaubernd gestalteten breiten Bühne (Tom Grasshof, Licht Andreas Grüter) des Staatenhauses auf, dass er in statischen Szenen keine „Löcher“ reißt. Die Szene bleibt im Fluss, ohne dass die Bewegung bemüht wirkt. Dass die Bühnencoups auf den Punkt gelingen, zeugt von der anspruchsvollen Probenarbeit, die den Darstellern seit September zwei Abende pro Woche ihrer Freizeit abgefordert haben. Chapeau!

Dirigent Bernhard Steiner – in Wien geboren und seit 2001 Leiter des Männer-Gesang-Vereins – führt die Bergischen Symphoniker und die Bigband Westwood Slickers nicht allein für die unsterblichen Strauß-Evergreens unter seinem Stab. Aus dem Hintergrund der Bühne – und daher hin und wieder mulmig – klingen im Arrangement von Thomas Guthoff die bekannten Melodien an, werden aber flugs umgeleitet und münden in Ohrwürmer von der Oper bis zum Schlager, immer wieder gewürzt von bekannten Kölner (Karnevals-)Liedern. Das macht nicht nur den Mitklatschern riesig Spaß: Der Kenner amüsiert sich, wenn er in der einen Überleitung ein Motiv aus Zellers „Vogelhändler“ erkennt oder wenn im „Klingelpütz“ auf einmal Verdis „Nabucco“-Gefangenenchor zitiert wird.

Kölsche Melodie und kölsches Milieu

Alle Darsteller zu nennen wäre gerecht, würde aber Seiten füllen. Dass allesamt Kölsch sprechen, versteht sich von selbst und ist für den Nicht-Kölner herausfordernd. Aber Melodie und Milieu der Sprache gehören einfach dazu; ohne sie wäre ein „Divertissementchen“ undenkbar. Johannes Fromm und Manfred Schreier texten die Lieder mehr oder weniger lose an die originale „Fledermaus“ angelehnt um. Da sind dann „all am höppe“ und „danze hin und her, krütz un quer“ …

Das fließt wie geölt, wenn Wolfgang Semrau und Simon Wendring als resolute Schwestern Frosch mit ihrem eierlikörophilen Damengeschwader „Schwadschnüss“ die Fäden ziehen. Das klinget so herrlich, wenn Stubenmädchen Kätchen alias Manuel Anastasi träumt, dass sich „em Danz de Welt driht, wann och nor för eine Naach.“ Das passt auch auf den angemessen steifen Herrn Adler aus Düsseldorf (Jürgen Nimptsch) und seine Gattin Rosa (Dirk Pütz), die ihm beim Ball des Schokoladenfabrikantenerben (Jan Faßbender) als ägyptische Prinzessin den Kopf verdreht und „dat Öhrche“ abluchst. Und es trifft auch auf alle anderen zu, etwa Rainer Wittig als unglücklichem Karnevalsprinzen Mätes, Markus Becher als seine Verlobte Marie oder den strengen Festkomiteepräsidenten des Karnevals, Christian Manthe. Kurzum: „De Rach vun der Fleddermuus“ ist ein Fest, das man sicher nicht vergisst.

Für den Kölner Männer-Gesang-Verein ist das Strauß-Jubiläum damit nicht abgefeiert: Unter dem Titel „Alles Walzer!“ geht der Chor 2025 auf Tournee mit Originalwerken für Männerchor von Johann Strauß und mit Bearbeitungen seiner beliebten Melodien: Nach zwei Konzerten in der Kölner Philharmonie am 22. Juni folgt am 14. September ein Auftritt in der Hamburger Laeiszhalle. Am 18. Oktober serviert der Chor dann in Wien im Musikvereinssaal „Schampus für Schani!“ gemeinsam mit dem Orchester der Volksoper Wien.

De Kölsche Fledermaus | 18., 19., 20., 21., 26., 27., 28.2., 2., 4.3. | Oper Köln | www.oper.koeln

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Werner Häußner

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