Paul-Georg Dittrich ist ein Regisseur der Extreme: Von ihm sind grandiose Abende zu vermelden, aber auch schreckliche Premieren, in denen nur auf seine Kosten kam, wer überbordende Fantasie und unbändige Lust am Assoziativen schätzt. Dittrichs „Ariadne auf Naxos“ 2018/19 in Halle war überwältigend gelungen; sein „Tannhäuser“ 2022 in Essen gedanklich zum Zerreißen gespannt, „Orfeo ed Euridice“von Christoph Willibald Gluck faszinierend psychologisch aufgefächert. Auch in Köln hat Dittrich mit Alexander von Zemlinskys „Der Zwerg“ eine brillante Arbeit vorgestellt. Doch wer etwa Richard Strauss‘ „Elektra“ in Münster gesehen hat, kennt den vergeblichen Kampf um den roten Faden und das Zerfleddern eines Stoffes in der Wut der Impressionen.
So wird man in Köln nicht erwarten dürfen, dass Dittrich mit Wagners „Ring des Nibelungen“ gängige Erwartungen erfüllt. Intendant Hein Mulders wagte also viel, als er den neuen „Ring“ einem Regisseur mit unkonventionellen, experimentierfreudigen künstlerischen Ambitionen anvertraute. Vielleicht nicht der schlechteste Weg: Die im Sommer 1876 erstmals im Bayreuther Festspielhaus gespielte Tetralogie ist in den letzten Jahrzehnten an großen Häusern und kleinen Bühnen dermaßen auserzählt worden, dass ein neuer Ansatz willkommen erscheint.
Im Herzen von Dittrichs theatraler Handschrift – so die Webseite der Oper Köln – „kreist der Gedanke, dass ohne Konflikte kein Theater existieren kann. Dass Theater ein Ort des Widerspruchs sein muss, weil nur so erst ein Dialog zwischen Menschen entstehen kann.“ Im „Rheingold“ will sich Dittrich „auf die Suche nach dem kindlichen Ursprung der Welt“ begeben und untersuchen, was geschieht, „wenn die freie, noch unbelastete Fantasie in einer machtbesessenen Gesellschaft instrumentalisiert wird“.
Entfalten wird sich Dittrichs „Rheingold“-Regie auf einer Bühne von Pia Dederichs und Lena Schmid, mit den unvermeidlichen Videos, geschaffen von Robi Voigt, und Kostümen Mona Ulrichs. Marc Albrecht leitet das Gürzenich-Orchester. Jordan Shanahan (Wotan), Bettina Ranch (Fricka), Daniel Schmutzhard (Alberich), Mauro Peter (Loge) und Adriana Bastidas-Gamboa (Erda) versprechen Wagner-Gesang auf der Höhe heutigen internationalen Standards. Am 29. März 2026 folgt mit „Die Walküre“ der zweite der vier „Ring“-Teile.
Das Rheingold | 26. (P), 29., 31.10., 2., 6., 8., 14., 16.11. | Oper Köln | 0221 22 12 84 00
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