Spätestens seit dem Zeichentrickfilm „Beauty and the Beast“ ist der uralte Stoff von der Erlösung eines unglücklichen Ungeheuers durch die Liebe eines schönen Mädchens weltbekannt. Auch in der Musik begegnet uns das Märchen, das im Frankreich des 18. Jahrhunderts seine moderne literarische Form erhielt. Unter dem Titel „Zémire et Azor“ etwa hat André-Ernest-Modeste Grétry den Stoff zu einer Oper verarbeitet; Philip Glass schrieb zu „La belle et la bête“ die bezaubernde „minimal music“.
Der Schriftsteller Henry James hat das Biest, das drohend im Dschungel lauert, in einer seiner geheimnisvollen Kurzgeschichten tief in den seelischen Abgründen des Menschen entdeckt. Die Erlösung allerdings scheitert: James schildert einen Mann, der überzeugt ist, in sein Leben werde eines Tages etwas so Gefährliches wie Faszinierendes einbrechen. Eine flüchtige Bekannte früherer Tage scheint das Geheimnis zu kennen und wartet mit dem Mann gemeinsam auf das drohende Ereignis. Doch die Frau scheint mehr zu wissen als er selbst. Als sie stirbt und ihn allein lässt, ohne das Geheimnis enthüllt zu haben, beginnt die wahre Furcht vor dem Biest …
Die Oper Köln bringt „die mysteriöse Geschichte als multimedialen, offenen Musiktheaterabend auf die Bühne, an dem Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Bühne und Publikum verschwimmen“. Jean Pavans, als Übersetzer des Gesamtwerks von Henry James ins Französische vertraut mit Leben und Werk des Schriftstellers, hat im Libretto der 90minütigen Oper auch autobiographisches Material über James verarbeitet. Gilt doch „Das Biest im Dschungel“ als literarischer Spiegel der Beziehung von James zur Schriftstellerin Constance F. Woolson, die sich 1894 in Venedig aus einem Fenster stürzte und deren Tod ihn zeitlebens verfolgte.
Der Musik der Uraufführung stammt von Arnaud Petit. 1959 geboren, gehört er zu den profiliertesten französischen Komponisten der Gegenwart. Petit studierte unter anderem bei Luciano Berio und Pierre Boulez und setzt sich seit langer Zeit mit der Verbindung von bewegtem Bild und Klang auseinander. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf der Gestaltung experimenteller, dramatischer Formate. Die musikalische Leitung hat GMD François-Xavier Roth. Für die szenische Produktion sind Frederic Wake-Walker und Anna Jones verantwortlich.
La bête dans la jungle– Das Biest im Dschungel | 14.4. (P), 16., 20., 22., 27., 30.4. | Oper Köln | 0221 28 400
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24
Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24
„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24
Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
Verpasstes Glück
„Eugen Onegin“ in Bonn und Düsseldorf – Oper in NRW 02/24
Täuschung und Wirklichkeit
Ein märchenhafter Opern-Doppelabend in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/24
Unterschätzte Komponistin?
„Der schwarze Berg“ an der Oper Dortmund – Oper in NRW 01/24
Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24
Der unfassbare Gott
Oper Bonn zeigt Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ – Oper in NRW 12/23
Unheimlich ungelebte Geschichte
„Septembersonate“ an der Rheinoper Düsseldorf – Oper in NRW 11/23