Drei Frauen, die ununterbrochen reden. Zwei Musiker, die mit Elektronik und alten Instrumenten einen Anflug von Melodie in den Strom der Worte streuen. Filmaufnahmen von einer Fahrt auf dem Highway und sensibel gezeichnete Illustrationen. Über sie wird die Geschichte der Roma Courash gesprochen, die ihre Kinder in Auschwitz verlor. Diese Passagen sind die zugänglichsten in der neuen Inszenierung des A.Tonal.Theaters in der Studiobühne.
„Die Sonne auf der Zunge“ lautet der Titel des Textes, den der Berliner Autor Werner Fritsch für das Ensemble von Jörg Fürst schrieb. Als chorischen Monolog sprechen Andrea Köhler, Alexe Limbach und Christine Stienemeier den Text. Sie besitzen viel Präsenz, allerdings verschränken sich die Stimmen der drei mit der verschlungenen, mythisch-theoretisierenden Diktion des Textes zu einem oftmals schwer verständlichen Klangteppich. Fritsch verwebt die antike Geschichte der Persephone, die von Hades entführt wird, bis Demeter, die Muttergöttin, ihre Tochter wieder freipresst, mit Textpassagen, die sich um Utopie und Geburt ranken. Zweimal muss der Text abgespult werden, um dem Publikum die Chance zu eröffnen, seinem inhaltlichen Fluss folgen zu können.
Ein anspruchsvolles Projekt, das durch die Musik von Norbert Rodenkirchen und Angela Koppenwallner eine geschmeidige und zugleich anregende Klanggestalt erhält. Das Theater beginnt sich derweil in seinen spielerischen Strukturen aufzulösen, um in einen Performance-Akt zu münden, der mit den Video-Einspielungen von Valerij Lisac zu einer tönenden Rauminstallation wird. Der Text bleibt derweil eigenartig hermetisch, folgt seiner speziellen gedanklich-lyrischen Struktur. Die Mixtur aus Mythos, philosophischer Reflexion und Erzählpartikeln möchte seine Rätsel offensichtlich nicht leichtfertig preisgeben. Eine sinnliche Einladung bietet er nur selten. Wenn Jörg Fürst mit seinen drei selbstsicher agierenden Schauspielerinnen und dem komplexen Bühnenarrangement auch um einen ästhetischen Körper ringt, an diesem Text beißt er sich die Zähne aus.
Sonne auf der Zunge I Regie: Jörg Fürst I A.Tonal.Theater I nächste Vorstellungen im Rahmen von Globalize:Cologne: Sa. 10.12./So. 11.12. 20.30 Uhr I Ufa-Filmpalast am Hohenzollernring
weitere Vorstellungen in der studiobühne im Januar I www.studiobuehnekoeln.de
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