Zeit der Kannibalen
Deutschland 2014, Laufzeit: 93 Min., FSK 12
Regie: Johannes Naber
Darsteller: Sebastian Blomberg, Devid Striesow, Katharina Schüttler
>> www.zeitderkannibalen.de
Große und noch größere Haie
Matt513 (266), 27.05.2014
Die gestrige Ansicht könnte leicht den bisherigen Höhepunkt des laufenden Kinojahrs markiert haben. Man weiß kaum, was man hier mehr hervorheben soll: Schüttler/Striesow/Blomberg in bestechender Form oder das ausgezeichnete Drehbuch. Ein derart gutes Skript in einem deutschen Film habe ich lange nicht erlebt. Stefan Weigl trifft es genau; keine einzige Minute erscheint zuviel.
Wer sich in der Branche ein wenig auskennt, kann ermessen, wie scharf Weigls Charakterstudie ist, nur in feinen Nuancen die Realität leicht überhöhend, die Konturen gewissermaßen scharf zeichnend: In ihren eigenen Sphären kreisen die Alphatiere Öllers (Striesow) und Niederländer (Blomberg); ersterer eine Sozialruine, letzterer geradezu hinreißend paranoid. In ihre Business-Abläufe und -Rituale wie in Watte gepackt, von der Gier geblendet, vollkommen von sich selbst eingenommen. Vielleicht genau deshalb dann seltsam unfit, wenn es schließlich ans Eingemachte geht. Ihr Chauvinismus wird konterkariert durch die neue Kollegin (Schüttler), die sich bei aller Glattheit einen Rest an Moral und Berufsethik bewahrt hat.
Unternehmensberater sprechen in ihrer Analyse zwar gerne vom Wert des Mitarbeiters (vulgo 'Humankapital'), sind aber nicht selten weit davon entfernt, für dessen Belange als Individuum genügend Empathie aufzubringen, wie für jene aller anderen Menschen außer sich selbst überhaupt. Im Film (spielt in der Dritten Welt) äußert sich dies in unverhohlenem Sexismus und Rassismus. In Öllers'/Niederländers Wahrnehmung vor Ort ist quasi jeder ein Lakai, austauschbar, käuflich, keinen Respekt verdienend; der Mensch als Ressource, den man nach Belieben als solche behandeln kann. Bewegen wollten sie mal was, doch dann fraß sie der Kapitalismus. 'Fand ich treffend; eben darum macht es aber auch betroffen.
Und aller Eloquenz, den geschliffenen Formen und dem ganzen Check-in-Mile-high-Kram zum Trotz - wenn's hart auf hart kommt, erwachen im Menschen urzeitliche Instinkte. Und dann sind auch Berater plötzlich wieder ganz Höhlenmensch und gehen aufeinander los bzw. fallen übereinander her. Ebenso erhellend.
Bei allen Lachern, die sich im ersten Teil quasi von selbst aus dem Weltbild dieser vermeintlich allwissenden Spezies ergeben, ist das eine sehr schöne Studie über die menschliche Ignoranz im allgemeinen sowie im manchmal schwierigen Dialog zwischen den Kulturen. Guter Einfall für den Schluß, was anderes ginge kaum.
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24