Dune - Der Wüstenplanet (1984)
USA 1984, Laufzeit: 135 Min., FSK 12
Regie: David Lynch
Darsteller: Francesca Annis, Kyle MacLachlan, Virginia Madsen, Silvana Mangano, Jürgen Prochnow
Ein, zwei, mehrere :) Filme
Matt513 (266), 17.10.2021
Sprach man bisher über die Adaption von Frank Herberts epochalem Roman fürs Kino, mußten dafür genau genommen zwei Filme erörtert werden: Ein erster, welcher in den 70ern jedoch nie über die Projektierung hinaus kam, sowie der hier vorliegende von David Lynch, der quasi auf dem übriggebliebenen Sockel von ersterem errichtet wurde.
Alejandro Jodorowski, ein weiland mit sehr, nun ja, speziellen Kinowerken bekannt gewordener Regisseur hatte sich den Kopf gesetzt, aus dem Buch einen Science Fiction-Film zu bauen, bei dem der Superlativ Normalmaß sein sollte. Mußte der Versuch, Herberts intellektuellen, schwer zugänglichen Roman in Bilder zu setzen, per se schon als große Herausforderung bezeichnet werden, gingen Jodorowski in punkto Ensemble und Ausstattung schier die Gäule durch. Er glaubte, daß wenn man gerade 'die Besten' verpflichten würde (bzw. das, was er dafür hielt), müßte das Ergebnis doch automatisch bahnbrechend werden.
Pink Floyd sollten die Musik schreiben, exaltierte Herrschaften wie Orson Welles, Mick Jagger sowie Salvador Dalí (sic!) Rollen übernehmen. Für die künstlerische Ausgestaltung wurden renommierte Branchengrößen der phantastischen Kunst verpflichtet; Chris Foss, Jean Giraud (sehr bekannt als Moebius) und H.R. Giger. 'Ging alles runter wie Öl, bloß man weiß man ja, daß sich vermeintlich großartige Zutaten nicht automatisch zu etwas noch Großartigerem verbinden.
Bald wuchs Jodorowski, der Dune vorher nichtmals gelesen hatte, die Sache über den Kopf. Das Budget schmolz in der ausufernden Vorproduktion, ohne daß ein Meter Film zustande kam. Sein Drehbuch hätte ca. 14 Stunden Laufzeit ergeben. Die Financiers bekamen kalte Füße und zogen den Stecker. Jodorowskis Projektvision wird heute als „der großartigste Film, der nie gedreht wurde“ tituliert. Vielleicht gut so, denn in seinem Kern trägt er den Keim grandiosen Scheiterns.
Nämlich darf bezweifelt werden, ob es überhaupt jemals eine gute Idee war, Herberts Roman für eine horrend teure Kinoproduktion auszuwählen. Denn dieser ist nicht massentauglich und gilt seit jeher wegen multipler Erzählebenen, die u.a. politische, religiöse und ökologische Aspekte der Erzählwelt ausleuchten, als kaum verfilmbar. George Lucas machte Jahre später mit Star Wars alles richtig, als er stets den, nennen wir's mal, soziokulturellen Wiedererkennungswert fürs Publikum im Blick hatte. Diesen Anspruch hatte Herbert nie. Die Welten, die er schildert, sind prominent fremdartig, sein Buch entsprechend kaum leicht zu konsumieren. Immerhin vorhanden das universale Motiv von einem, der schwere Prüfungen bestehen muß und letztlich der ersehnte Messias wird, während eine bewußtseinserweiternde Substanz als wesentliches Handlungselement den Zeitgeist jener Jahre widerspiegelt, zumal auch Herbert zu der Zeit gewissen Pilzen zugetan war.
Nun denn – war die Idee, Dune fürs Kino zu adaptieren, aber in die Welt gesetzt. Und um den nächsten optimistischen Visionär abzuschrecken, dafür war der Nimbus, der das Buch umgab, zu groß. Dino de Laurentiis als neuer Filmrechteinhaber wagte mit Lynch im Regiesessel einen neuen, abgespeckten Anlauf. Statt Pink Floyd schrieben 'nur noch' Toto die Musik, traten u.a. 'nur noch' Sting statt Jagger, José Ferrer statt Dalí und Kenneth McMillan statt Welles an. Lynch verfasste ein Traktat für ca. 3 Stunden Laufzeit, brachte sein Stammensemble mit (u.a. Kyle MacLachlan, Freddie Jones, Jack Nance) und bewies im weiteren mit Prochnow, Steward oder v. Sydow insgesamt eine glückliche Hand. Wobei McMillan als Baron Harkonnen eine Sternstunde lieferte. Nicht richtig überzeugen konnte mich lediglich Ferrer. Für die Rolle des finsteren Imperators Shaddam IV wirkt er viel zu sympathisch.
Neues Team, gleiches Problem – die erwähnte Beschaffenheit seiner Romanvorlage nämlich. Lynchs Adaption wurde schon in Testvorführungen vor dem Kinostart sehr gemischt aufgenommen, was danach in aufreibende Auseinandersetzungen mit den Produzenten mündete, die ihm schließlich den Final Cut entzogen. Bis heute bedauert er, diesen Film gemacht zu haben. Mittlerweile hat Dune eine brettharte Fangemeinde, welche ihn, aller Sperrigkeit, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz, als valide Adaption anerkennen. Dazu zähle ich mich selbst auch. Mein Erleben von Herberts Buch ist eng mit Lynchs filmischer Vision verbunden, auch wenn z.B. der optische Mix aus k.u.k.-Monarchie und Jugendstil auf dem Heimatplanet derer von Atreides schon ein sehr sonderbarer ist. Teile dieser Staffage mögen Jahre später dem Cyberpunk-Genre als Vorbild gedient haben. Unglaublich, was für ein Aufwand für das Bühnenbild betrieben wurde (diese Nasriden-Ornamentik im Palast des Imperators; alles echte Kulissen!), zumal dieses nur ein paar Sekunden zu sehen ist. Weiter sehenswert, die kastenartigen Körperschilde der Atreiden..Ein ganz früher Spezialeffekt aus dem Computer, der sich optisch in den fremdartigen Look der gezeigten Welt einfügt.
Ebenso herrlich gelungen, die Heimatwelt der Harkonnen; eine technisierte Sado-Maso-Vorhölle mit etlichen Exponaten des typisch Lynch'schen Ekels (die zugenähten Ohren oder der hängende Kuhkadaver; huach!) oder auch das fahrbare Aquarium des Gilde-Navigators mit dieser herrlichen Raumpflegertruppe, die hinter ihm her putzt. Wirklich abgefahren.
Das opulente Bühnenbild mag Grund gewesen sein, daß anderswo (an der Tricktechnik!) gespart werden mußte. Alleine der Flug des Navigators, nachdem die Atreiden nach Arrakis aufgebrochen sind, hat bestenfalls das technische Niveau früher 80er Video-clips. Oder auch die Raumschiffe im Weltall allgemein; waren das überhaupt bewegte Bilder? Der narrative Fokus des Buchs liegt zwar nicht auf dem Schildern von solchen technischen Dingen, aber gleichwohl bricht hier die filmische Umsetzung natürlich schon ein. Lynch beklagte später auch, daß er manchen Spezialeffekt aus Budgetgründen nicht so realisieren konnte wie gewünscht.
Was gut gefällt ist, daß er sich trotz des ungewohntes Genres treu geblieben war. Für mich eigentlich das wichtigste. In Aspekten wie Regie, Kamera, Schnitt, Beleuchtung, Rhythmus und Inszenierung trägt Dune deutlich seine typische Handschrift. Ein kundiger Kinogänger würde vermutlich auch Lynch als Regisseur erraten, auch wenn er es vorher nicht wußte. In den Kampfszenen hingegen merkt man, daß diese definitiv nicht Lynchs gewohntes Metier sind. Dort ist die Regie teils wirklich dürftig. Aber wer erwartete sowas schon von ihm?
Rundherum alles andere als ein 'perfekter' Science Fiction-Film von einer Vorlage, die alles andere als ideal gewählt war. Mit alledem im Hinterkopf aber, sicherlich ein einzigartiges Werk.
***
Meinem Vorkommentator vielen Dank dafür, mich weiland daran erinnert zu haben, diesen seit Jahren auf meiner Festplatte schlummernden Torso endlich mal fertig zu schreiben. Und aktuell schließlich Moniseur Villeneuve, mich mit seinem jüngsten Film nochmals freundlich zu treten.
WüstenWürmer
CemileTS (137), 26.01.2020
Seit der Ankündigung Villeneuve´s Umsetzung der Romanvorlage, ertönt es gefühlt aus allen Löchern die Begeisterung vieler Cineasten. Ich reihe mich dem gerne an, jedoch nicht im Vergleich zu Lynch´s Meisterwerk den ich im alter von 13/14 im Kino erleben durfte (Gangolf Bonn - Große Leinwand, an einem Sonntag Nachmittag).
In dem Alter habe ich viel meiner Zeit im Kino verbracht. Filme wie Excalibur, E.T., Poltergeist, Ghostbusters, Gremlins, Die Goonies, Das Dunkle Kristall und Tron..oder auch Filme wie Zeit der Zärtlichkeit, Der Letzte Kaiser, Ein Offizier und Gentleman und Yentl.. haben sich mir in mein inneren Auge (aus der Großen Leinwand heraus) eingebrannt. Dune steht auf dieser besondern Liste sehr weit oben.,
Zu dieser Zeit bin ich auch auf Filme getroffen an die ich garnicht mehr denken möchte (Rambo, Terminator, Beverly Hills Cop....Rückker Der Jedi Ritter...)
Von daher ist meine stete Neigung nicht mein damaligen Alter zuzusprechen, sondern der Fähigkeit dieser Arbeiten in das Beweußtsein Einzelner zu verankern - aus der Großen Leinwand heraus.
Lynch hat sich bekanntermaßen sehr früh von DUNE abgewandt, und viele seiner Fans eifern ihm nach. Das sei ihm selbstverständlich zugestanden, und bedarf keiner Erörterung.
So sehr Villeneuve nun erläutert näher an der Romanvorlage sein zu wollen (woraus bereits ein Vergleich lanciert wird), sosehr auch "Cineasten" die angekündigte Cast im Vorfeld beschwärmen und der Name Hans Zimmer getrommelt wird - ganz ehrlich?! außer für Interstellar haftet keiner seiner Arbeiten an meinem Ohr - so sehr zweifle ich daran, dass Lynch´s DUNE -nicht- als vorlage dienen wird.
Diejenigen die wie ich zu Zeiten diese Kinoerfahrung erleben durften, werden sofort das unterdrückte Begehren Villeneuves durchschauen Lynch (oder De Laurentiis u.a.Flash Gordon) überbieten zu wollen..
... spätestens dann, sobald sich der erste Wüstenwurm über die Dünen hervorhebt begleitet von einem sakralen SOUNDtrack der die Wände des Kinos erbeben lassen wird...
PS. Vergleicht Jemand von euch das Zeichentrick "Herr Der Ringe" mit der Verfilmung?! Sind sich doch sehr ähnlich, oder?
PSps. Spielbergs West Side Story steht ebenfalls zur Veröffentlichung Dezember 2020 in der Pipeline. Kein Huhn-Huhn kräht derzeit danach
Gelungene Romanverfilmung
Kinokeule (541), 21.09.2005
Häufig unterschätzter, früher Film von David Lynch. Hier wurde schon soviel hineininterpretiert, dass man dem Film fast nicht mehr vorurteilsfrei begegnen kann. Unverständlich, esoterisch und langatmig soll er sein.
Auch wenn man die Romanvorlage von Frank Herbert nicht kennt oder so wie ich vor sehr langer Zeit gelesen hat (das Vergessen ist der größte Feind des Filmfreundes) kann man dem Film doch sehr schnell folgen.
Es gibt zwei konkurrierende Häuser, einen Imperator, die Gilde, die schwarzen Hexen, die Fremen, Wüstenwürmer, und natürlich den erwachenden Messias. Aber keine Angst, alles wird erklärt. Lynch nutzt dazu Einblendungen und Kommentare, die sich aus den Gedanken der Agierenden speisen. Wenn man einigermaßen konzentriert den Film verfolgt, sollte der Inhalt verstanden werden.
Im zweiten Teil geht es sowieso nur noch um die Schlacht auf dem Wüstenplaneten. Die Settings und Special-Effects sind für einen Film aus den Achtzigern nicht übel und mit Jack Nance und Kyle Mc Lachlan spielen die Lieblingsschauspieler von Lynch mit. Verzichten könnte man auf Prochnow und Sting, der Gott sei es gedankt, keine Schauspielkarriere antreten konnte (4 Sterne).
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