Der seltsame Fall des Benjamin Button
USA 2008, Laufzeit: 166 Min., FSK 12
Regie: David Fincher
Darsteller: Cate Blanchett, Brad Pitt, Taraji P. Henson, Eric West, Frank Marshall, Lance E. Nichols, Tilda Swinton, Julia Ormond
Am letzten Tag des Ersten Weltkriegs kommt in New Orleans ein Baby auf die Welt, das wie ein Greis aussieht. Benjamin wächst heran, wird gleichzeitig äußerlich immer jünger. Nach 80 Jahren ist Benjamin dann ein echtes Baby.
"Wirst du mich noch lieben, wenn ich Falten bekomme?", fragt Daisy Benjamin, der darauf antwortet "Und du – wirst du mich noch lieben, wenn ich Pickel kriege?" Dieser Dialog ist einer der anrührendsten des Films, der zugleich seine Tragik, aber auch seine Poesie offenbart. Denn in diesem Moment sind die beiden in der Mitte ihres Lebens angekommen, das fortan auseinanderdriftet. Am Ende, das in dem in einer langen Rückblende erzählten Film der Anfang ist, wird Daisy ihre große Liebe als sterbenden Säugling im Arm halten – und wir ahnen, dass sich nun eine Romanze in epischer Breite auf der Leinwand entfalten wird.
Bis dahin hatte die Geschichte, die auf einem Ausspruch Mark Twains beruht ("Unendlich viel schöner sein müsste, wenn man alt geboren werden würde, um dann immer jünger zu werden"), der wiederum F. Scott Fitzgerald zu seiner 1921 veröffentlichten, gleichnamigen Kurzgeschichte inspirierte, eher von ihrer surreal-skurrilen Seite gelebt: „Ich bin sieben“, sagt der noch an den Rollstuhl gefesselte Benjamin, „sehe aber etwas älter aus.“ Und von der Kunst der Maskenbildner und der Special-Effekt-Leute, die Brad Pitts im Computer entworfenen, gealterten Kopf auf die Körper der drei Schauspieler setzen, die Benjamin im Alter von 70 bis 60 bzw. 10-20 Jahren spielen. Dann erst kommt der Brad Pitt ins Spiel, den wir kennen – und liefert seine bisher vielleicht reifste schauspielerische Leistung. Fern jeder Sentimentalität versteht er es im perfekten Zusammenspiel mit Cate Blanchett (und seiner Lebensabschnitts-Geliebten Tilda Swinton), uns emotional zu fesseln. So sehen wir auch bereitwillig über den deutlichsten Fallstrick der Geschichte hinweg. Denn logischerweise müsste Benjamin bei seinem Tod die Größe eines 8ojährigen haben, aber das Gesicht eines Babys. Vermutlich aus filmästhetischen Gründen hat man sich aber entschlossen, Benjamin wieder schrumpfen zu lassen. Leider tritt mit dem Auftritt des 12jährigen Benjamin Brad Pitt von der Leinwand ab – und der Film bekommt einen Bruch, von dem er sich erst am Ende wieder erholt. Brillant inszeniert und von seinem langjährigen Bildgestalter Claudio Miranda stimmungsvoll fotografiert setzt David Fincher seinen in „Zodiac“ schon erkennbaren Reifungsprozess fort. Die Zeit seiner zwar perfekt und innovativ inszenierten, von der moralischen Grundhaltung aber problematischen Kult-Filme „Sieben“, „Fight Club“ und „The Game“ ist einer differenzierteren Weltsicht gewichen. Ebenso lässt Drehbuchautor Eric Roth die Naivität und Verlogenheit seines „Forrest Gump“ mit dem wahrhaftigen „Benjamin Button“ fast vergessen.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24