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Dinçer Güçyeter
Foto: palagrafie

Von Anatolien nach Deutschland

17. November 2022

Dinçer Güçyeter im Literaturhaus – Lesung 11/22

Dinçer Güçyeter ist ein Mann, der sich nicht so leicht in eine Kategorie stecken lässt: Verlagsgründer, Lyriker, seit Kurzem auch Romanautor – aber auch Gabelstaplerfahrer in Teilzeit. Die Frage danach, wie er zum Schreiben gekommen ist, beantwortet er so: „Ich denke, die meisten kommen mit diesem Trieb zur Welt.“ Es herrsche eine Dringlichkeit, Geschichten zu erzählen – in welcher Form auch immer. Nach einer Ausbildung zum Werkzeugmechaniker und einer Tätigkeit als Gastronom gründete Güçyeter deshalb 2012 den ELIF Verlag. Der Programmschwerpunkt: Lyrik. „Allein Schreiben wäre mir zu langweilig gewesen“, so der 43-Jährige. Stattdessen habe er eine „Werkstatt“ gründen wollen, in der viele Autor:innen gemeinsam ihre literarischen Projekte verwirklichen können.

Auch Güçyeter selbst veröffentlichte in seinem Verlag diverse Lyrikbände, darunter „Mein Prinz, ich bin das Ghetto“, für den er 2022 den Peter-Huchel-Preis gewann. Zu seinem Romandebüt „Unser Deutschlandmärchen“ ist er dabei eher zufällig gekommen: „Ich habe in den sozialen Medien immer wieder kleine Geschichten aus meinem Alltag gepostet, die große Resonanz fanden.“ Vor zwei Jahren sei dann seine Verlegerin Nikola Richter von Mikrotext auf ihn zugekommen und habe ihn gefragt, ob er sich vorstellen könne, alle Anekdoten in einem Buch zu veröffentlichen. Der zweifache Vater sagte zu – der Beginn von „Unser Deutschlandmärchen“.

Der Alltag, auf den sich Güçyeter darin bezieht, ist der eines Sohnes von Gastarbeiter:innen. Denn seine Familie kommt ursprünglich aus Anatolien; der Vater kam in den 60er Jahren als Erster der Familie nach Deutschland. Güçyeters Roman umfasst dabei weit mehr als nur seine eigene Geschichte: Er verwendet viele verschiedene Stimmen, und er folgt der Familiengeschichte über ein Jahrhundert lang. Von ihren Wurzeln in Anatolien, den weiten Weg nach Deutschland, bis zur Integration in eine neue Kultur, ein fremdes Land. „Es gibt die unterschiedlichsten Begegnungen in diesem Roman“, sagt der 43-Jährige. „Die deutschen Nachbarn, eine Kneipe, ein Bordell, die Wunden aus der Vergangenheit.“ Deshalb sei der Roman auch nicht nur die Geschichte seiner Familie, so Güçyeter. „Mit ‚Uns‘ meine ich alle, auch die Leser:innen, die den Text vielleicht in eigener Fantasie ergänzen werden.“

Dinçer Güçyeter: Unser Deutschlandmärchen | Do 24.11. 19.30 Uhr | Literaturhaus Köln (und Livestream)  | www.literaturhaus-koeln.de

Marina Wudy

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