Ein Kinderbuch, das der Gewissheit des Sterbens wirksam die Kraft der Erinnerung entgegensetzt: Verschiedene Tiere sitzen an einem Wasserloch irgendwo in Afrika beisammen. Der alte Elefant eröffnet, dass er bald zum Elefantenwald gehen und dort sterben wird. Alle sind schockiert, niemand möchte den Freund verlieren. Als er fort ist, beginnt jedes Tier auf seine Weise zu trauern – die Hyäne heult den Mond an, der Strauß steckt den Kopf in den Sand, der Löwe brüllt. Als die ersten Emotionen verdaut sind, fällt den Tieren ein, dass der Elefant ihnen ein Geschenk versprochen hatte. Sie rätseln, was es sein könnte, bis der Wüstenfuchs darauf kommt, dass es ihre gemeinsamen Erinnerungen sind. Fortan finden alle Trost darin, sich zu erzählen, was sie mit dem Elefanten erlebt haben. So manche neue Seite des alten Freundes kommt dabei zutage. Erinnerungen ersetzen seine Anwesenheit zwar nicht, ein Gefühl der Nähe entsteht dennoch.
Dass Elefanten zum Sterben bestimmte Orte aufsuchen, macht die Autorin sich erzählerisch zunutze. So ergibt das Setting in Afrika vor allem Sinn, um die Ankündigung des nahenden Todes plausibel zu machen. Ansonsten hätte vielleicht eine Gruppe heimischer Tiere noch mehr Nähe zu jungen Leser:innen vermittelt. Dass zudem jede im Buch vorkommende Tierart einmal vertreten ist und alle friedlich beisammensitzen, ist natürlich nicht realistisch. Anhand der tierischen Vielfalt kann Illustratorin Marta Balmaseda aber viele Facetten von Trauer zeigen. Die Emotionen erschließen sich dank gelungen skizzierter Mimik und Körperhaltung auch unabhängig vom Text.
Das Bilderbuch ist Teil der Reihe „Starke Bücher, starke Kinder“ mit explizit pädagogischem Hintergrund. Für den Umgang mit Gefühlen angesichts von Tod und Trauer liefert es wertvolle Impulse. Natürlich kann das Buch jederzeit mit Kindern gelesen werden. Besonders eignet es sich jedoch, wenn akut Trost benötigt wird. Das kann, genau wie in der Handlung, bereits beginnen, wenn das Bewusstsein über einen nahenden Tod einsetzt oder dafür sensibilisiert werden soll. Autorin Tanja Wenz hatte als Krankenschwester häufig mit dem Tod zu tun. Hilfreiche Anmerkungen und praktische Tipps von ihr zu verschiedenen Ansätzen der Trauerbewältigung gibt es am Ende des Buchs. Zusatzmaterialien zum Ausdrucken finden sich auch auf der Website des Verlags.
Das Geschenk des Elefanten | Text: Tanja Wenz, Illustrationen: Marta Balmaseda | Herder | 32 S. | Ab 3 Jahren | 18 Euro
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25
Enkel und Entfremdung
Katja Lange-Müller liest in Dormagen
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25