Im Dezember 2015 haben eine Reihe von Musikfreunden befunden, dass das Ansehen und der Bekanntheitsgrad von Jacques Offenbach, berühmter Komponist und Sohn der Stadt Köln, in seiner Heimatstadt viel zu gering sei. Er hat an seinem späteren Wirkungsort Paris immerhin über 50 Operetten und zwei Opern geschrieben, war ein berühmter Cellist und erfolgreicher Varietébetreiber. Allerdings geriet er in den Wirren des Kriegs 1870/71 zwischen die französischen und deutschen Fronten, sein Stern sank, er wurde krank und ging bankrott. Sein letztes Werk, die fantastische Oper „Hoffmanns Erzählungen“ hinterließ er nur als Fragment; an ihr beißen sich die Musikwissenschaftler bis heute die Zähne aus.
Aber immerhin, es gibt einen unmittelbar vor der hochproblematischen Kölner Oper gelegenen und somit oft erwähnten „Offenbachplatz“ und natürlich auch eine „Offenbachstraße“ sowie eine Ofenbachfigur am historischen Rathauturm. Mehrere Werke von ihm wurden immer wieder in der Kölner Oper und sogar auch in der Kinderoper aufgeführt, darunter die berühmte Inszenierung von „Hoffmanns Erzählungen“ des ehemaligen Intendanten Michael Hampe, die sogar von einem renommierten Fachmagazin als „Opernproduktion des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Und dann gibt es den jährlichen „Offenbach-Preis“, der von den „Freunden der Kölner Oper“ an einen herausragenden Nachwuchs-Sänger verliehen wird. Dennoch reicht das offensichtlich noch nicht. Also wurde flugs eine Offenbach-Gesellschaft gegründet, was ja generell sehr zu begrüßen ist, auch im Hinblick auf den 200. Geburtstag des Komponisten in 2019. Und erst recht darauf, dass in München eine solche Gesellschaft bereits lange existiert; da muss man als Kölner ja wohl mithalten dürfen. Sponsoren wurden gefunden und einige Promis wie die beiden Ex-Oberbürgermeister Jürgen Roters und Fritz Schramma als Vorstände gewonnen, dazu Thomas Höft, Chef des renommierten „Zentrum für alte Musik“, als künstlerischer Leiter.
Als erste größere Aktion wurde nun eine musikalische Revue „Ich. Offenbach“ über das Leben und die Musik des Namensgeber zusammengestellt, Ort war die perfekt renovierte, hübsche Volksbühne am Rudolfplatz, langjährige Heimat des Millowitsch-Theaters. Dazu passte es prima, dass vom Kölner Soziologie- und Musikprofessor Alphons Silbermann (1909-2000), wie Offenbach ebenfalls ein Jude, das „imaginäre Tagebuch des Herrn Jaques Offenbach“ (1960) existierte, um welches herum man seine Musik prima positionieren konnte. Als Vorleser in der Figur des Offenbach fand man Herbert Feuerstein, bekannt aus vielfältigen Fernsehsendungen und vor allem als gewitzten und schlagfertigen Partner von Harald Schmidt.
Regisseur Thomas Höft, eigentlich in der seriösen Barockszene zu Hause, konnte beim reichhaltigen Oeuvre des Komponisten mit der Musik-Auswahl aus dem Vollen schöpfen mit Teilen aus „Hoffmanns Erzählungen“, „La Grande Duchesse de Gerolstein“, „Orpheus in der Unterwelt“ und „La Belle Helene“. Glücklicherweise gab es ein „echtes“ 11-köpfiges und auch sehr ordentlich aufspielendes professionelles Orchester incl. munteren Bläsern und Klavier, und nicht Musik vom Band wie bei der unsäglichen Mozart-Revue jüngst in der Kölner Kammeroper. Das wurde auch für reine Musiknummern eingesetzt, darunter auch ganz spezielle für das Cello; der Musikanteil hätte allerdings durchaus etwas kürzer ausfallen dürfen. Die Konzertmeisterin Maria Bader-Kubizek dirigierte mit knappen, aber effektvollen Bewegungen ihrer Violine die Truppe, welche offensichtlich viel Spaß an ihrem Spiel hatte; der Pianist Pascal Schweren hatte die meisten Nummern effektvoll und eingängig arrangiert.
Feuerstein alias Offenbach setzte sich immer wieder auf ein großes rotes Sofa und beobachtet die Gesangsnummern der Sopranistin Marie Friederike Schröder, von Ulrich Cordes (Tenor) und vom Bass Marek Reichert, wurde aber auch immer mal wieder in die Aktionen einbezogen. Und da hakte das Ganze schon deutlich, sowohl für die Besucher, welche die Offenbach'schen Werke nicht kennen, als auch für die, welche damit vertraut sind. Der Tenor sang, ausgestattet mit einem Krückstock, das Couplet des Franz aus dem „Hoffmann“, mit fiepender Stimme, Marie Friederike Schröder stellt die singende Puppe Olympia dar, nach der Pause geht es weiter mit „Orpheus“: eine tolle Musik, durchaus schmissig gespielt, ein frivoler Can-Can, ein Stückchen „Klein Zack“, aber ob das reicht, „Offenbach den Kölnern wieder näher zu bringen“, wie es das Programm in roter Schrift fordert?
Denn die Nummern bewegten sich schon arg auf niedrigem RTL2-Niveau, die Vorstellung dürften daher für einen Opernfreund eher verdrießlich sein, der vielleicht auch darüber nachdenkt, warum Thomas Höft sich auf solcherlei einlässt. Aber das weitgehend ausverkaufte Haus applaudierte fast überschwänglich, und die Lokalpresse hatte zuvor äußerst freundlich berichtet – sicherlich auch im Hinblick auf das löbliche Engagement der Gesellschaft.
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