Eigentlich war ich zu frühin diesem merkwürdigen Raum, der an der Düsseldorfer Uferpromenade zwischen den Tunnelröhren für den Autoverkehr liegt und der seit 2007 temporär mit junger Kunst gefüllt wird. Eigentlich hätte ich die Nacht abwarten müssen, wenn sich die übrig gebliebenen Reste der dunklen Falter über das Licht hermachen, das aus zwei Lichtschächten des Tunnels dringt. Nachtfalter sind eine Spezialität des Luxemburger Künstlers Yann Annicchiarico (Jg. 1983), der im KIT (Kunst im Tunnel) ein Art Gesamtkunstwerk aufgebaut, ja eher installiert hat und diesen inszenierten Raum keck „Diener zweier Herren“ nennt, offensichtlich als eine Art Zeremonienmeister zwischen dem Drinnen und Draußen, zwischen dem Hell und Dunkel, ein junger Truffaldino, der beiden Seiten dient und am Ende, so hoffe ich doch, für die Vereinigung des Unvereinbaren belohnt wird.
Tauchen wir also ab in die diffuse Welt einer flimmernden Bühne. Zur Rechten die niedrige Seite mit einer überdimensionierten 3D-Brille, hinter deren rotem und blauem Glas zwei Pflanzen nach Licht gieren, Fotosynthese schwer gemacht – und doch schon hier beschleicht den zweiten Blick eine gespannte Ahnung auf ein mystisches Wunderland, das vielleicht nur durch die doppelt gereizte Netzhaut beschaut werden kann. Oder ist es ein Traumland? Oder doch ein Zauberwald, in dem Puck und Oberon ihre makabren Scherze treiben? Zu den Füßen jedenfalls liegen in der Landeshauptstadt zwei verrußte Glasmodelle der Lichtschacht-Fenster, auch an ihnen hat der ominöse Nachtfalter seine minimalen Spuren hinterlassen.
Dann gelangt man nach minimalistischen Projektionen an der Betonwand zu dem großen fluffigen schwarzen zentralen Gebilde aus mitteldichter Faserplatte.
Scheinwerfer blenden beim Betreten und beim Begehen, vor mir suchen Frauen und Kinder den richtigen Weg, sind alsbald neben mir, schauen durch Öffnungen wie Fenster, ich denke an dunkle Fassadenstrukturen mit sinnlosen Treppenaufgängen ins Nichts. Oben und Unten als Referenzpunkte verschwimmen und doch sind es immer gleiche modulare Körper, die hier ein schwarzes Gebilde als Raum im Raum erzeugen und doch nicht wirklich greifbar werden. Vielleicht müsste man Nachtfalter sein und das Ganze im UV-Spektrum sehen, denke ich noch und habe den Ausgang gefunden, das spitze Ende der Röhre fest im Blick, denn dort schleift ein alter 16mm-Projektor wohl das zusammengeklebte Endlos-Zelluloid. Aber nichts da – nur Licht dringt aus dem Kasten, formt ein diffuses Rechteck an der Wand. Truffaldino bleibt unsichtbar.
Auf der gegenüberliegenden Seite ist aber ein weißes Laken gespannt, auf dem kleine schwarze Punkte tanzen. Es sind wieder die Schmetterlinge der Nacht, die es dem Künstler angetan haben und die ihre fast schon bizarre Welt gegen unsere reale und in diesem Fall die vermutete verteidigen. Die Besucher und ich müssen jetzt wieder zurück auf die Rheinpromenade, vorbei an der großen Brille, zurück ins Licht. Nix für Nachtfalter.
Yann Annicchiarico: Diener zweier Herren | bis 8.11. | KIT Düsseldorf | 0211 892 07 69
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