Isa Genzken (*1948) gehört zu den herausragenden Bildhauern der Gegenwart. Eine Qualität ihres multimedialen, auf der Skulptur beruhenden Werkes ist seine kontinuierliche Aktualität: die Transzendierung und rigorose Manifestation von Phänomenen, die für unsere gegenwärtige Zivilisation aussagekräftig sind, ja, diese erst recht sichtbar machen.
Die relativ umfassende Schau im Ständehaus der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf widmet sich, gegliedert auf zwei Stockwerken, ihrem ganz frühen und ihrem aktuellen Werk. Es beginnt spektakulär im Wechselausstellungsbereich mit den meterlangen langgestreckten Ellipsoiden und den Hyperbolus Mitte der 1970er Jahre. Am Computer in 1:1-Ausdrucken präzise vorbereitet, besitzen sie als liegende oder stehende farbige Holzskulpturen die Anmutung des Handwerklichen. Sie beziehen sich unmittelbar auf die damalige Minimal Art, greifen aber ebenso Strukturen der Urbanität dieser Zeit auf und reflektieren autobiografische Erfahrungen, etwa einen USA-Aufenthalt, bei dem Genzken städtebauliche Strukturen abtastet.
Kleider machen Leute?
Zwei Stockwerke darüber zeigt die intimere Bel Etage die neueren Werke. Die Figurenensembles bestehen aus Schaufensterpuppen, die verschieden gekleidet sind und unterschiedliche Positionen des Stehens und sich Bewegens einnehmen. Isa Genzken rekapituliert hier einzelne Positionen und Verhaltensweisen unserer heutigen Gesellschaft, sie demonstriert Konsum, Kapitalismus und Mode-Affinität, aber auch Armut. Dazu verwendet sie gerasterte Glitzerfolien, und was ein bisschen wie Trash anmutet, konstatiert genau diesen und die Klischees unserer Zeit. Mit den Schaufensterpuppen werden Aspekte von industrieller Serienproduktion und Konformität hin zum Stereotypen aufgeworfen und mit der Forderung nach Individualität beantwortet. Erst recht aber im Kontext mit den frühen Skulpturen wird deutlich, wie präzise sie vorgeht. Das frühe Werk liefert Hinweise für das spätere Werk, und mit diesem Wissen lassen sich die Anfänge weiter verorten. So erstaunlich und sogar irritierend Isa Genzkens Werk wirken mag, so konsequent ist es. Und ist doch wieder alte Schule, dort wo es genauso frisch und hoch brisant ist.
Isa Genzken | bis 5.9. | K21 Kunstsammlung NRW | 0211 838 12 04
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22
Richter zu Ehren
Gerhard Richter im K21 und Museum Ludwig – Kunst in NRW 03/22
Die Wirklichkeit virtuell
Simon Denny in K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/20
Auf der Suche nach Truffaldino
Yann Annicchiarico im Düsseldorfer KIT – Kunst 08/20
Röhre voll Schwingungen
„degree_show – out of KHM“ im KIT Düsseldorf – Kunst 02/20
Helden der Malerei
Oehlen und Dunham in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/20
„Eine ganz selbstverständliche Kommunikation mit der Welt“
Die „Sommer“-Ausstellung im Düsseldorfer Kunst im Tunnel – Sammlung 07/19
Ein Macher von Ausstellungen
Harald Szeemann in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/18
Modernes Leben
Cao Fei in Düsseldorf – Kunst 11/18
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23