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Harald Naegeli (l.) und Fotograf Wolfgang Spiller
Foto: GAG

Mit dem Filzstift sprayen

28. September 2017

Harald Naegeli in Köln-Buchforst – das Besondere 10/17

An der Unwirtlichkeit der Städte hat sich nicht wirklich etwas getan. Seit der Analyse Alexander Mitscherlichs Mitte der 1960er in Frankfurt und dem Bezug seiner Wohnung im 19-stöckigen Hochhaus haben sich die Parameter immer weiter verschoben, die Flucht in die Peripherie gehorcht auch monetären Strukturen durch irrsinnige Immobilienrenditen. Harald Naegeli, Urvater der europäischen Sprayer-Kultur und einst nächtlicher, anarchischer Zeichner auf Züricher Fassaden, blieb grandioser, sinnlicher „Effekt-Hascher“ mit wenigen Strichen, er ging dafür in den Knast und zu Recht in die Kunstgeschichte ein. Er ist 77 Jahre alt und natürlich kein bisschen weiser geworden, immer noch geistert der Wahl-Düsseldorfer durch die Republik, mit feinen Linien auf Papier. Irgendwie sind die Häuser-Wände auch nicht mehr so richtig frei genug für seine eher stille Bildsprache.

Ende Oktober logiert der Schweizer Künstler im Kölner Müllkunsthotel „Save the World“ von HA Schult, ist mit seiner Ausstellung „Unwirtlichkeit der Städte“ in derKulturkirche Ost Teil der Kampagne des Müllmenschen-Tausendsassas. Für Naegeli, den überzeugten Kurt-Schwitters-Fan, ist das natürlich kein Hindernis. Für seine „Wolkenbilder“, die er in meditativer Ruhe angeht, hat er den schnellen Strich der revolutionären Jahre über Bord geworfen, obschon Motive, Linienführung oft an die skurrilen Lebewesen an den „geadelten“ Ecken europäischer Städte erinnern – viele derer, die damals mit Putzlappen und Seife die Farbe vom „Sprayer von Zürich“ entfernt haben, dürften sich heute ärgern. Ein paar übrig gebliebene sind längst unter Schutz gestellt.

Mit HA Schults Werk verbinden ihn sicher auch die besonderen Formen der Figürlichkeit und der immerwährende Protest. Illegal arbeiten die beiden längst nicht mehr, in Köln setzen sie sich für ein menschenwürdiges Zuhause für Wohnungslose und Flüchtlinge ein, die mit Studenten und Künstlern unter einem Dach leben möchten. Casa Colonia nennt sich das Haus, in dem ein Bistro als Integrationsbetrieb geführt werden soll. Naegelis Benefiz-Ausstellung soll mithelfen, die Euros dafür zusammenzubringen. 

Harald Naegeli: „Unwirtlichkeit der Städte“ | 27.10.-10.11., Di-Sa 17-20 Uhr | Kulturkirche Ost, Köln-Buchforst | Eintritt frei

PETER ORTMANN

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