Es passt zusammen und erhellt sich gegenseitig: Derzeit sind im Museum am Aachener Weiher zwei Ausstellungen zeitgenössischer Kunst aus Ostasien zu sehen, die mit malerischen und graphischen Mitteln auf dem Umgang mit der Linie beruhen. Der Chinese Jianfeng Pan erzeugt mit dem Pinsel und einer breiten schwingenden Bewegung Ausdruck und Verinnerlichung, aber auch Vitalität und Rhythmus. Der eine Generation ältere Japaner Tanaka Ryōhei führt seine Radierungen mit feinen Strichen zu einem dichten Rapport, der introvertiert und extrovertiert zugleich ist. Während Pan an Traditionen der Tuschmalerei und der Kalligrafie in China anschließt, ist Ryōhei ein Pionier der Tiefdrucktechnik der Radierung in seiner Heimat gewesen. Gemeinsam ist ihnen der sparsame Umgang mit Farbe, ja, die weitgehende Konzentration auf Schwarz und Graustufen mit dem Weiß als Papiergrund.
Der Rundgang beginnt mit einer monumentalen Tuschzeichnung von Jianfeng Pan (*1973), in der sich eine Figur andeutet, die er auch als (mentales) Selbstporträt versteht. Entstanden ist sie in einer Mal-Performance unter engagiertem Körpereinsatz am Eröffnungsabend, die auf einem Monitor aufgezeichnet ist. Daneben findet er zu weiteren Ausdrucksformen, ist überhaupt vielseitig. Ausgestellt sind mehrteilige Hängerollen, die im Changieren des aquarellartigen schwarz-grauen Gestus landschaftliche Anmutung, Naturerfahrung und geistige Verfassung verschmelzen. Ähnlich spektakulär wirkt die langgestreckte Darstellung eines Faltbuches in Vitrinen. Sie zeigt eine dynamische farbige Fantasielandschaft, in die Kreaturen verwoben sind und seine visuelle Variabilität als Grafikdesigner vermitteln.
Getrennt durch die Ausstellung von Porzellan der Ming-Dynastie folgt Tanaka Ryōhei (1933-2019) mit Räumen der Stille, trotz der dichten Hängung seiner rund 160 kleinformatigen Radierungen. Wo Pan Bewegung und Veränderung vermittelt, halten die gegenständlichen Situationen von Ryōhei inne. Erwendet sich der Natur, den Bäumen und besonders denReetdächern der Bauernhäuser und Tempel zu.Auchgibt er die Maserung von Holz und die Struktur von Stein oder schon einen Kürbis virtuos und naturalistisch wieder. Er widmet sich dem Geäst im Vordergrund und bezieht dahinter den Himmel ein und zwar so, dass sich das Gefühl sehr langen intensiven Schauens einstellt. So einfach die Motive sind, so komplex ist die Herstellung der Radierungen, die teils als Aquatinta subtil über Farbtöne verfügen. Die Blätter sind in Auflagen entstanden, deren Höhe vom zunehmend internationalen Markt bestimmt wurde. Selbst hat er sich aus allzu großer Öffentlichkeit zurückgezogen und lieber konzentriert alle Stadien der Entstehung seiner Radierungen begleitet. Pan wiederum ist 2016 von Shanghai nach Porvoo in Finnland gezogen, er spricht von einem „Selbstexil“. Es gibt ein Foto, auf dem sein Haus in Schnee versinkt. Ryōhei hat in seinen Radierungen Schnee dargestellt und dazu das weiße Papier in der Umkehrung von Positiv- und Negativform einbezogen. Auch das geht, ganz wunderbar, rein mit der Linie.
Tanaka Ryōhei – Von der Linie zur Landschaft | bis 21.9. | Jianfeng Pan – Tuschewanderung | bis 9.11. | Museum für Ostasiatische Kunst | 0221 22 12 86 08
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Blau-weißes Porzellan
„Mythos Ming“ im Museum für Ostasiatische Kunst
Mit Tusche und Kalligrafie
Jianfeng Pan im Museum für Ostasiatische Kunst
Aufscheinende Traditionen
Helena Parada Kim im Museum für Ostasiatische Kunst – kunst & gut 02/24
Götter und Geister
Schätze der japanischen Mythologie
Gegenwart der Traditionen
„Horizonte“ im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln – kunst & gut 02/23
Im Schein des Mondes
Yoshitoshi: ein Meister des Holzschnitts im Museum für Ostasiatische Kunst – kunst & gut 12/21
Bilanz für die Zukunft
„Alles unter dem Himmel“ am Museum für Ostasiatische Kunst – kunst & gut 02/19
Ein Stück Identität
Jubiläumsausstellung im Museum für Ostasiatische Kunst – Kunst 11/18
Nahe Ferne
Leiko Ikemura im Museum für Ostasiatische Kunst – kunst & gut 11/15
Klee im Dialog
Paul Klee und der Ferne Osten in Köln – Kunst in NRW 01/15
Damals, auf einer längeren Reise
Fotografien des 19. Jahrhunderts im Museum für Ostasiatische Kunst – kunst & gut 08/14
Erotik und Inferno
Nobuyoshi Araki & Shirô Tsujimura im Museum für Ostasiatische Kunst – Kunstwandel 01/12
Letzte Ernte in Eden
Drei Kölner Ausstellungen über Natur und Kunst – Galerie 08/25
Rendezvous mit der Schöpfung
Das Projekt „WERKnah“ von der Künstlergemeinschaft Grevy – Kunst 07/25
Vom seltsamen Reiz der Oberflächen
Eric Lanz im Museum Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 07/25
Träume im Haferfeld
Drei Kölner Ausstellungen über Sagen und Fantasien – Galerie 07/25
Geschosse umarmen
Drei Ausstellungen in Köln erweitern das Bewusstsein – Galerie 06/25
Auf der Straße
Drei Vertreter der Street Photography im Museum Ludwig – kunst & gut 06/25
Für die Unendlichkeit
Drei Kölner Ausstellungen zwischen Zwang und Befreiung – Kunst 05/25
Mit und ohne Menschen
Tata Ronkholz in der Photographischen Sammlung im Mediapark – kunst & gut 05/25
Harter Stoff
Peter Buggenhout in Wuppertal – Kunst 04/25
Abgründe des Alltags
„Supermöbel“ im Kölnischen Kunstverein – kunst & gut 04/25
Unverbindliche Dialoge
Drei Kölner Ausstellungen über Körper und Seele – Galerie 04/25
Mehl-Dialoge
„Aurora“ von Fotografin Anja Schlamann im Kunsthaus Rhenania – Kunst 04/25
Comic-Welt hautnah
„Marvel: Die Ausstellung“ im Odysseum – Kunst 03/25