Das war mehr als eine Höflichkeitsgeste. Beim Pressegespräch schwärmte Leiko Ikemura von der Architektur des Museums für Ostasiatische Kunst als „einem der schönsten Museen der Welt“. Dass die Qualität der Raumabfolge jetzt so deutlich wird, liegt aber auch an der auf Ausgleich bedachten Intensität ihres Werkes. Die international renommierte Malerin, Zeichnerin und Bildhauerin, die in Köln lebt und bis vor kurzem eine Professur in Berlin inne hatte, zeigt einen Überblick über ihre Arbeit seit den frühen 80er Jahren, im Dialog mit ausgewählten Werken der japanischen und chinesischen Kunst aus der Sammlung des Museums. Die zentrale Überlegung dabei ist: Inwieweit ist Leiko Ikemura tatsächlich von den Traditionen ihrer Heimat geprägt. Und, auf der anderen Seite, wie aktuell sind die „historischen“ fernöstlichen Beiträge zu empfinden, wenn sie so aus dem zeitlichen Kontext genommen sind; Leiko Ikemura spricht von „Zeitverschiebungen“.
Aber die Ausstellung löst auch ihre eigenen Werke aus der chronologischen Reihenfolge. Sie thematisiert Raum für Raum einzelne Motive und inhaltliche Zuschreibungen, welche aus der südostasiatischen Kultur abgeleitet sind und sich nun bei Leiko Ikemura wiederfinden. Deutlich wird nun erst recht die spirituelle Dimension ihrer Arbeit. Adele Schlombs, die Direktorin des Museums, wies dazu auf ihre „Quellen im Buddhismus“ hin, und Ikemura selbst sprach vom „kulturellen Gedächtnis“ in einer universellen Sprache.
Bei all dem spielt ihr tastendes Verhältnis zu den Bildern und Symbolen der fernöstlichen und mitteleuropäischen Kultur eine Rolle. Ikemura wurde in Japan geboren und lebte dort bis zu ihrem 21. Lebensjahr. Im Anschluss an das Studium der spanischen Literatur an der Universität Osaka ist sie 1973 nach Sevilla gewechselt, wo sie Malerei studiert hat. 1979 ist sie nach Zürich umgezogen, dort hat sie schon bald Erfolge als Künstlerin. 1985 übersiedelt sie nach Köln: Hier hat sie bereits 1982 an einer Gruppenausstellung im Klapperhof teilgenommen, einem der Kristallisationszentren der „Jungen Wilden“. Dieser expressiven Malerei lassen sich auch ihre schablonenhaft gegenständlichen Bilder mit Menschen und Tieren zurechnen, die in diesen Jahren neben Arbeiten, die sich auf die Geschichte Japans beziehen, entstanden sind und eine engagierte Wut ausdrücken. Sie kreisen oft um die weibliche Identität: Ein Themenbereich, der sich wie ein roter Faden bis heute durch ihr Schaffen zieht und etwa in der Figur des Mädchens anklingt. In hingehaucht transparenter Farbe liegend, fallend als Malerei oder als Terrakotta-Skulptur drückt das Mädchen in seiner Vereinzelung verschiedene Seins-Zustände zwischen Tod, Schlafen und unschuldiger Selbstbehauptung aus. Zugleich erinnert es in seinem weiten Rock und den Insektenarmen an die Metamorphose des Schmetterlings, den Übergang von einem Wesen zum anderen, zwischen Tier und Mensch.
Ein weiteres Kapitel der Ausstellung widmet sich dem Haus und Gefäß und der Höhle, und in neueren Bildern führt dies zu wuchernden, genau beobachteten Landschaften. Ikemuras Malereien sind von einem inneren Licht erfüllt, welches den Eindruck einer Schwelle und des Daseins hinter dieser verstärkt: Dies kennzeichnet auch die Horizontlinie als zusätzliches Motiv ihrer Bildwelt. Anschaulich wird das beim Meer, das als blaue, in sich nuancierte Weite gegeben ist, welche sich nach links und rechts unendlich fortsetzt. Und natürlich denken wir an die Bedeutung des Wassers und des Landschaftlichen in der fernöstlichen Kunst. An Substanz und Leere. Im Museum für Ostasiatische Kunst trägt dies einen bestimmten Ton der Ruhe und der Erzählung, die sich in Korrespondenz mit den fernöstlichen Werken nach und nach entwickelt und am Ende – wie vielleicht dieses Oeuvre selbst – wieder am Anfang anlangt: „Wie eine Reise, ein Kreis“, sagt Leiko Ikemura.
„Leiko Ikemura – All About Girls and Tigers“ | bis 31.1. | Museum für Ostasiatische Kunst | 22 12 86 08
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