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Thalia und Sophie Killer
Foto: Thalia Killer

„Humor funktioniert als Machtmittel“

25. Mai 2022

Sophie und Thalia Killer über die Erhöhung des männlichen Late Night Hosts – Premiere 06/22

Es gibt zahlreiche männlich geprägte Formate im Fernsehen, doch kaum eines, das so sehr in männlicher Hand ist wie die Late Night Show. Die Böhmermänner dieser Welt erklären ihren Zuschauer:innen, wie und worüber man aufgeklärt über Politik zu lachen hat. Ein Gespräch mit dem Duo Killer&Killer über gottgleiche Late Night Talker, über mansplaining und Humor als Machtmittel.

choices: Was macht die Late night Show zu einem typisch männlichen Format?

Sophie Killer (SK): Wir haben bei den Proben viel über dieses „late at night“ geredet, also dieses „spät am Abend gehört die Welt dem Mann“. Wie bei den meisten Dingen ist auch die Late Night Show ein Sinnbild dafür, dass die Welt von Männern gemacht ist.

Zur Late Night Show gehört immer ein Schreibtisch, an dem ein Mann sitzt. Wie verbindet sich ein Schreibtisch mit einem männlichen Blick auf die Welt?

Thalia Killer (TK): Das ist eine spannende Frage. An diesem Schreibtisch sitzt eigentlich immer eine gottgleiche männliche Figur, die befreit und selbstbewusst auftritt und über alles Scherze machen kann. Es gab wohl auch einige Versuche mit weiblichen Late Night Talkerinnen, aber das ist nicht so gut angekommen.
SK
: Das hat sehr viel mit mansplaining zu tun. Also der Late Night Talker als jemand, der ganz oft die politischen und aktuellen Geschehnisse erklärt und sich zugleich darüber lustig macht. Jemand, der über allen Dingen steht und uns mit einer enormen Souveränität die Welt erklärt.

Und wie lässt sich das Verhältnis des Hosts zu den Gästen beschreiben?

TK: Die Gäste, die zu Besuch kommen, sitzen meist ein bisschen tiefer. Wir haben uns die Frage gestellt, warum das so aufgebaut ist und wieso das von den Zuschauer:innen so angenommen wird. Und dann haben wir uns gefragt, worin diese Befreiung durch den Humor eigentlich liegt und was es mit dem Selbstbewusstsein auf sich hat.

SK: Deshalb stehen in „Late Night Who“ zwei ganz kleine Sessel auf der Bühne, auf denen wir Platz nehmen. Wir spielen mit dem Bild der Unterwürfigkeit, also dass wir als Frauen auch immer die niedrigere Position innehaben.

Können Sie den Humor ein bisschen genauer beschreiben? Was ist das spezifisch Männliche an diesem Humor?

TK: Es hat mich sehr überrascht, wie anmaßend teilweise dieser Humor daherkommt und dass der Humor wie ein Machtmittel funktioniert. Der Late Night Talker erlaubt sich, in alle Richtungen zu treten. Wenn man den Aufbau und die Struktur dieser Scherze analysiert, dann erkennt man schnell ein gleichbleibendes Schema. Und die Gäste können noch so interessant sein, der Host bleibt derjenige, der die Fäden zieht, auch was die Sidekicks angeht. Ich würde diesen Humor aber trotzdem nicht sofort als männlich beschreiben, sondern fragen: Wer ist denn diese Person, die offenbar aufgrund ihrer privilegierten Position so anmaßend sein kann?

SK: Für mich ist dieses Bild wichtig, dass jemand einen Blick von oben auf die Dinge herabwirft und eben behauptet, über den Dingen zu stehen. Das aufzubrechen und die Machtpositionen sichtbar zu machen, fanden wir interessant. Auch die Faszination, die der Host ausstrahlt: Welches politische Thema greift er auf, welchen Witz wird er machen? Wir begeben uns dafür teilweise in die Rolle der Frauen, die aus dem Hintergrund zuschauen, während er vorne einen Witz macht. Dann gehört für mich der Anzug dazu. Warum tragen die Late Night Talker in einem Comedy-Format eigentlich immer Anzüge?

Die Late Night Show ist ja auch ein merkwürdig hermetisches Format wie ein Treibhaus, wo man quasi die Pointen züchtet und in das nichts von außen reinkommt. Also eigentlich ein Medium, das sich locker gibt, aber komplett gesteuert ist.

SK: Also ich finde auch, Late Night Shows haben oft etwas sehr Unnatürliches, gerade im amerikanischen Fernsehen. Die Hosts wirken in ihrer Perfektion fast wie Roboter. Diese Souveränität entspringt für mich nicht einem Selbstbewusstsein, wie ich es verstehe. Es hat mehr etwas von einer Selbstinszenierung. Denn sobald Gäst:innen mal etwas fragen oder herausfordernd reagieren, werden die Hosts schnell unsicher.

Wie kann man sich über ein Comedy Format, das selbst schon witzig zu sein versucht, lustig machen? War das eine besondere Herausforderung?

SK: Das war nicht sehr schwer. Wir haben sehr viel mit Improvisation und zwischendurch mit Stand-up-Comedy gearbeitet, uns dann aber bewusst entschieden, den klassischen Stand-Up-Monolog nicht zu benutzen, sondern ihn eher zu dekonstruieren und uns somit über das Format und seine Strukturen selbst lustig zu machen. Wir haben auch mit dem Ausdruck „Late Night“ gespielt, also spät in der Nacht erklärt uns der Mann die Welt. Und uns Frauen wird gesagt, bleibt mal lieber zu Hause, weil da draußen ist es zu gefährlich. Wir haben uns gefragt, was heißt dieses „spät in der Nacht“? Und steckt hinter dem Humor auch eine Tragik? Oder zum Beispiel, wenn man über die sexistischen Witze nicht lacht und sagt, das finde ich nicht lustig. Im schlimmsten Fall birgt das am Ende der Kette die Gefahr der körperlichen Gewalt. Also traut man sich oft nicht, diese vermeintlich witzige Situation ins Ernste zu ziehen, weil man nicht die Macht hat.

TK: Wir haben diese Strukturen so oft am eigenen Leib erlebt, dass sie zur Gewohnheit geworden sind. Deshalb haben wir uns das in der Arbeit noch mal genauer angeschaut. Wie sehr fühlt man sich von diesem vermeintlichen Humor eigentlich verfolgt? Wie unsicher fühlt man sich angesichts dessen, was einem immer wieder erzählt wird – nämlich dass man sich late at night nicht nach draußen traut.

Lässt sich das auch zum Beispiel in die Theater-Strukturen verlängern?

SK: Es lässt sich auf unglaublich viele Strukturen und natürlich auch auf die Theaterstrukturen anwenden. Also die Kultur der großen Theatermänner. Darin steckt ja auch die Macht, dass man gehört und wahrgenommen wird und die Aufmerksamkeit kriegt. Frauen wird dagegen oft nicht die Stimme gegeben. Oder wenn man sich die Rollen anschaut: Die meisten weiblichen Figuren weinen viel und sterben viel, während die Männer ihre großen Monologe absondern, in denen sie über die Welt und Sein oder Nichtsein nachdenken dürfen. Sie dürfen Ideen haben. Frauen werden nicht gehört in der Hinsicht. Das persiflieren wir selbstverständlich auch, dass die Männer angeblich die großen Gedanken haben, die wir nicht haben.

Late Night Who | R: Killer&Killer | 9.-11.6. | Orangerie Köln | 0221 952 27 08

Interview: Hans-Christoph Zimmermann

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