Die EU-Kommission will die öffentliche Wasserversorgung dem Markt überlassen und die Städte zwingen, entsprechende „Konzessionen“ europaweit auszuschreiben. Auch wenn der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier angesichts der harschen Kritik an seinem neoliberalen Konzept zurückrudert, sind die Pläne doch nicht vom Tisch. Derzeit soll es immer noch in diesem Jahr beschlossen werden.
Dat Wasser …
Zu den bekanntesten Oldies der Bläck Fööss gehört der Song „Dat Wasser vun Kölle es jot ...“. Mit Zeilen wie „Ming Filme entwickel ich ovends en Rhing/Dat jeit janz jot, denn do es alles dren“ beschrieb die Band den damaligen Zustand der hiesigen Gewässer ziemlich gut. Vor knapp drei Jahrzehnten waren Bäche und Flüsse in aller Regel begradigt, zubetoniert und über Gebühr schadstoffbelastet. Zum Beispiel war es üblich, in Leverkusen Dünnsäure, ein nicht nur für Fische gefährliches Gebräu aus Säuren und Schwermetallen, in den Rhein abzulassen oder in der Nordsee, der „Müllkippe Europas“, zu verklappen. Erst Initiativen wie „Rettet den Rhein“ machten auf diese Zustände und den Zusammenhang von Trinkwasser und Umweltschäden aufmerksam. „Wir haben die Chemische Industrie zur Modernisierung gezwungen, weil wir aktiv Umwelt- und Wasserschutz betrieben haben“, erinnert sich Frank Möller, einer der damaligen Öko-Aktivisten. Die Verschmutzung des Kölner Wassers erreichte in jenen Jahren „rekordverdächtige Ausmaße“, sogar das städtische Amt für Stadtentwässerung machte die Industrie wie die öffentliche Wasserversorgung für das stete Absinken des Grundwassers im Kölner Norden und die damit einhergehende Gefährdung der Trinkwasserqualität verantwortlich.
Heute ist das anders. Die Rheinenergie AG liefert nicht nur unser Trinkwasser, sondern sorgt sich auch um den „Grundwasserstrom“, organisiert ein „Wasserforum Köln“ und sieht im „vorbeugenden Gewässerschutz die personifizierte Nachhaltigkeit“ – so Matthias Schmitt von der Rheinenergie. Dieses Bekenntnis ist nicht nur ökologischen Überlegungen geschuldet. Je besser das „Rohwasser“, desto kostengünstiger kann es aufbereitet werden. Das macht sich auch in den Gebühren für den Verbraucher bemerkbar. Vorbeugen lohnt sich deshalb zudem aus ökonomischen Gründen – allerdings nur, wenn man das Geschäft mit Blick auf die regionalen Gegebenheiten längerfristig, ohne Interesse an kurzfristigen Renditen betreibt, und sich dabei dem Gemeinwohl verpflichtet fühlt.
Geschäftsinteressen
Gefahren für dieses Modell kommen heute weniger von der alten Chemischen Industrie. Auf dem Sprung stehen Konzerne wie Veolia Water, Suez Environnement, RWE oder Nestlé. Sie sind weltweit über einschlägige „Konzessionen“ oder Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) im Wasserbusiness tätig – teilweise mit verheerender Bilanz. Beispiele aus Argentinien oder Frankreich, Bolivien, Großbritannien, Frankreich oder Bulgarien belegen: Die Privatisierung nutzt vor allem den Investoren. Die Wasserqualität wird in der Regel nicht besser, die Infrastruktur kaum in Stand gehalten, geschweige denn modernisiert. Dafür steigen die Gebühren – manchmal bis zu 400%. Exemplarisch ist die Entwicklung in England. Mit der Privatisierung der englischen Infrastruktur durch Maggie Thatcher begann dort der Niedergang der öffentlichen Versorgung. Einerseits stiegen die Wasserpreise inflationsbereinigt um 46%, andererseits nahmen die Gewinne der Versorger um 142% zu und flossen teilweise direkt in die Aktionärsdividende. Als die Sanierung des Systems schließlich doch noch gesetzlich geregelt wurde, zogen sich die Privaten zurück. Die maroden Leitungen werden jetzt mit Steuergeldern repariert.
Ein Schritt nach vorn
Mit der aktuellen Offensive der EU gerät die hiesige öffentliche Infrastruktur nicht zum ersten Mal unter Druck. In den 1990er Jahren machten Cross-Border-Leasing-Geschäfte (CBL) Furore. Deutsche Pleite-Kommunen verkauften Teile ihrer Betriebe an US-Investoren und mieteten sie zurück. Tatsächlich zahlten sich die CBLs im wahrsten Sinne des Wortes nicht aus. Dazu verbot die US-Regierung 2004 diese Praktiken. Schon damals propagierte die EU mit den ÖPP konsequent eine weichere Variante der neoliberalen Privatisierung. Die heutige Zwischenbilanz dazu fällt ebenfalls bescheiden aus. Gerechnet hat sich für Endverbraucher und Gemeinden kaum eines der Projekte. Deshalb beginnt jetzt ein Rollback. Immer mehr Städte kaufen „ihr“ Wasser zurück. Berlin etwa. Dort hat mit Veolia der letzte private Teilhaber der Berliner Wasserwerke seinen Rückzug angeboten. Oder Wuppertal. Dort wird die Stadt ab Mai wieder selbst Wasser anbieten. Und die Rheinenergie? 80 Prozent ihrer Anteile hält die 100-Prozent-städtische GEW Köln, der Rest liegt bei RWE. Matthias Schmitt blickt einigermaßen ruhig in die Zukunft. Die EU will ihre Richtlinie entschärfen. Eine Ausschreibungspflicht gibt es nur noch, wenn ein kommunales Werk weniger als 80 Prozent in der eigenen Gemeinde umsetzt. Tut man in Köln nicht. Die Lieferungen nach Frechen, Bergisch Gladbach und Brühl machen deutlich weniger als ein Fünftel aus. Selbst die Kooperation mit den Stadtwerken Düsseldorf ändert hier nichts. Und die Wasserqualität? Man ist schließlich dem eigenen Slogan verpflichtet: „Dat Wasser vun Kölle es jot ...“
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